Karmylassos: eine griechische Geisterstadt

Sa/So 31. Mrz / 1. Apr 2018

Von Olympos nach Westen wird die Straße schmal und windet sich immer abenteuerlicher die Küste entlang. So schön das ist, so anstrengend ist es auf die Dauer.

Wir übernachten in dem ehemaligen griechischen Städchen Karmylassos, das heute eine Geisterstadt ist, die von den Türken Kayaköy genannt wird. Im Vertrag von Lausanne von 1923 wurde ein vom Völkerbund überwachter Bevölkerungsaustausch (ja, das ist ein Euphemismus) zwischen der Türkei und Griechenland vereinbart. Der Vertrag war das Ergebnis des gescheiterten Versuchs der griechischen Armee, große Teile Kleinasiens zu erobern oder, je nach Sichtweise, zurückzuerobern.

Auf jeden Fall wurden 1,5 Millionen Griechen von der Türkei nach Griechenland “umgesiedelt”, während 400 Tausend Türken (also weniger, als ein Drittel soviele) von Griechenland in die Türkei “umgesiedelt” wurden. Die führte zu akuter Wohnungsnot und Flüchtlingslagern in Griechenland und zu leerstehenden Dörfern und Städten in der Türkei. Unserer Meinung nach wäre es fairer gewesen, zum Beispiel Smyrna (das heutige Izmir) mit seinem Umland bei Griechenland zu belassen. Smyrna war eine fast ausschließlich griechische Stadt mit über 500.000 griechischen Einwohnern an der Kleinasiatischen Küste. Heute ist Smyrna/Izmir eine boomende Millionenmetropole und die drittgrößte Stadt der Türkei. Das kleine Karmylassos hingegen ist eine aus etwa 2.000 Steinhäusern bestehende Geisterstadt.

Am Rande der Unterstadt haben sich einige Freaks eingerichtet und leben von den Touristen.
Karmylassos im Morgennebel.
Blütenpracht innerhalb der Ruinenromantik.

nicht nur mohn wächst hier. ich finde zwischen den häusern die schönsten kräuter. wilde kamille, salbei, thymian, wilder oregano. davon nehme ich mir eine handvoll mit und mache uns daraus ein extra leckeres sößchen für die nudeln.

Man stelle sich vor, wir würden oberhalb der Ruinen einer, sagen wir mal, polnischen Stadt eine deutsche Fahne hissen.
Wir sind hin und her gerissen zwischen dem Zauber der Ruinen im Morgenlicht und der Wut über die Ungerechtigkeit. Wir haben das Gefühl, das Lärmen der Kinder, die Tritte auf den Stufen der Gassen und das Geklapper in den Küchen und das Läuten der Glocken fast noch hören zu können.
Unten am alten Brunnen aus dem 17ten Jahrhundert treffen wir die ersten türkischen Touristen des Tages und können es uns nicht verkneifen, sie auf griechisch zu grüßen: „Kalimera!“

Ephesos

So. 1. April 2018

das muß sein! daran kommen wir einfach nicht vorbei. schon auf dem parkplatz wimmelt es von touristen, die aus riesen reisebussen fallen. egal. es verteilt sich, als wir erst mal auf dem gelände sind.

wir gehen durch eine stadt, die in der frühzeit gegründet wurde und eine wechselvolle geschichte hinter sich hat. ich laufe barfuß über den marmor. er fühlt sich wunderbar kühl und ganz samtig an. kein wunder bei so vielen füßen, die vor jahrtausenden darüber gelaufen sind. überall liegen katzenauf den warmen steinen und lassen sich durch die menschenmassen in keiner weise stören.

wir schlendern die sogenannte marmorstraße hinunter. was für eine prächtige stadt ephesos war und auch noch ist!

Drei von hunderten Säulen, die von Anfang an unseren Weg säumen.
Das Odeion, das kleinere der beiden Theater.
So viele Menschen. Und die Saison hat noch gar nicht angefangen!
Wozu sind diese Dellen im Marmor da?

wir wundern uns ein bischen über eine längsreihe marmorsteine, in die ganz regelmäßige dellen geschlagen wurden. wozu machte man das? anti-rutschmaßnahme für pferde? kennzeichnung von irgendwas?

Mosaik in einer ehemaligen Ladenzeile.
Der Hadrianstempel.
Ein Relief des Hadrianstempels zeigt Medusa.
Die Latrinen. Solche sozialen Treffpunkte kennen wir schon aus Salamis. Sie gehören zu unseren Lieblingsplätzen antiker Städte.
Die berühmte Celsus-Bibliothek.
Blick die drei Stockwerke hohe Fassade der Bibliothek hoch.
Eine der vier Figuren vor dem Bibliothekseingang: Sofia, die anthropomorphe Personifizierung der Weisheit.

ab der bibliothek wird es etwas ruhiger.

Dahinter steckt immer ein kluger Kopf. (Oder auch nicht…)
Das große Theater mit 24.000 Plätzen. Hier fanden auch die Volksversammlungen statt.

wir gehen nicht durch den offiziellen ausgang zurück. lieber gehen wir durch ephesos zurück, schauen wir uns alles noch einmal an und staunen zum beispiel über die tiefen spurrillen, dei die pferdewagen über die jahrhunderte in den Marmor geschliffen haben.

Michels Füße in den Spurrillen – zum Größenvergleich.
“This is no photo opportunity!”
Ein Mosaikdetail neben der Marmorstraße.
Wir fahren weiter Richtung Istanbul und fragen uns in Izmir/Smyrna, ob diese Wolkenkratzer als Ruinen auch so beeindruckend aussehen werden.

Istanbul: Ankunft

Mo 2. Apr 2018

Wir haben an einer Truckerkneipe genächtigt, an der anscheinend noch nie Touristen gehalten haben. Als wir zu Abend essen, überschlägt sich das Inhaberpärchen förmlich vor Neugierde, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft.

Ein Dutzend absolut identische Melonenstände.

dies system verstehen wir einfach nicht. wären jetzt rechts und links melonenplantagen, okay, aber diese stände befinden sich zwischen nichts und gar nichts. alle haben das selbe sortiment und auch die selben preise. woran orientiert sich der kaufwillige kunde? am aussehen des autos, das davor steht? ist der verkäufer vielleicht der bruder von der nachbarin zu hause? Wir haben keine idee!

Von Yalova aus nehmen wir die Fähre über das Marmarameer. Das ist finanziell und zeitlich günstiger als außenrum zu fahren.

Moloch Istanbul! Außenbezirke auf der asiatischen Seite der Stadt. Das Zentrum ist wirklich noch nicht einmal ansatzweise in der Nähe.
Anfahrt auf das Stadtzentrum. Von links nach rechts: Blaue Moschee, Hagia Sophia, Topkapi-Serail, Bosporusbrücke und Bosporus.

Nachdem wir Bulli auf einem billigen, bewachen Parkplatz am direkt am Goldenen Horn unterhalb des Topkapi-Serails abgestellt haben, machen wir einen Spaziergang über die Galatabrücke auf die andere Seite des Goldenen Horns.

die galatabrücke ist eine enttäuschung. von wegen kleine windige imbisse und buden, wie michel sie auf dem interrail-und-tramp-trip nach seinem abi erlebt hat. ein schickes restaurant kommt nach dem nächsten, die beschriftung über der tür ist bei allen ähnlich und die speisekarten sehen auch alle gleich aus. so lecker das abendliche bier und so romantisch die abendstimmung auch ist, ich habs mir anders vorgestellt. das studium des lonely planet offenbart, daß die brücke 1994 neu gebaut wurde und im zuge dessen alle aufregenden geschäfte und buden verschwunden sind und diese restaurants aufgemacht haben.

Angelschnüre an der Galatabrücke. Auf der oberen Ebene steht wirklich ein Angler neben dem anderen.
Wie romantisch! Rosen bedeuten auf der ganzen Welt das gleiche.
Zwei Polizisten kontrollieren Passanten, vor allem männliche Türken.

Zwar sind Polizei und Militär im Stadtzenrum Istanbuls wesentlich weniger aufdringlich, auffällig und martialisch, als in weniger touristischen Teilen der Türkei. Dafür können wir sie deutlich besser und vor allem gefahrloser photographieren, denn zwischen all den anderen anderen Touristen hier fallen wir nicht weiter auf. Die Polizisten und Soldaten können es sich hier einfach nicht leisten jeden, der sie photographiert, festzunehmen. Denn 99 von 100 Festgehnommenen wären ahnungslose Touristen.

Die beiden halbzivilen Polizisten ziehen einen Einheimischen nach dem anderen aus dem Strom der Fußgänger heraus und kontrollieren seinen Pass. Einige lassen sie dann schnell weiter gehen, bei anderen geben sie die Daten an ihre Zentrale durch und durchsuchen, während sie auf Antwort warten, das Smartphones der Kontrollierten. Wir sehen die Tage über mehrere solcher fliegenden Kontrollen. Die anderen Touristen bekommen davon interessanter Weise nichts mit. Vermutlich, weil solche fliegenden halbzivilen Polizeikontrollen einfach außerhalb ihres Erfahrungsbereichs liegen und sie ja im Augenblick auch nicht davon betroffen sind.

Auf dem Rückweg trinken wir ein Sonnenuntergangsbier auf der Galatabrücke und genießen das Schauspiel von Licht, Stadt und Fluß.

Hagia Sophia, Basilikazisterne, Gezipark

Di 3.  Apr 2018

Wir absolvieren in Istanbul im Wesentlichen das klassische Touristenprogramm, und heute stehen insbesondere zwei Wunder des alten Konstatinopel auf dem Programm. Die Hagia Sophia und die Basilikazisterne.

Die Blaue Moschee vom großen Platz zwischen ihr und der Hagia Sophia aus gesehen. Leider ist sie derzeit für Touristen geschlossen und nur für Gläubige geöffnet.
Die Hagia Sophia ist an Eleganz und Imposanz kaum zu überbieten und erhebt sich Erdbeben und allem anderen zum Trotz seit fast 1.500 Jahren über der Stadt am Bosporus.

Die unter Kaiser Justitian in nur 5 Jahren erbaute und im Jahr 537 eingeweihte Kirche der göttlichen Weisheit war fast tausend Jahre lang die größte Kirche der Christenheit, bis Konstaninopel 1453 von den Osmanen erobert wurde, die dem (ost-)römischen Reich endgültig den Todesstoß versetzten und die Kirche zur Moschee umwandelten. Attatürk erklärte sie dann, 1935 zum Museum.

Nein, die Hagia Sophia sieht nicht aus wie eine Moschee. Umgekehrt! Moscheen sehen aus wie die Hagia Sophia. Ursprünglich kannten die Muslime keine gemauerten Kuppeln. Doch die Hagia Sophia muß sie so beeindruckt haben, dass sie zur Blaupause für “die-Moschee-an-sich” wurde.

Der Hauptraum der Kirche raubt einem den Atem. Diese anderthalb tausend Jahre alte Kuppel läßt einen an den Gesetzten der Gravitation und der Entropie zweifeln.
Großaufnahme des Mosaiks der Madonna mit Kind über dem Altarraum. Auf dem vorherigen Bild ist das Mosaik am linken Bildrand in mittlerer Bildhöhe oben in der Apsis zu sehen.
Biblisch korrekt dargestellter Engel. Bei Jesaja 6 steht: “Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füße und mit zwei flogen sie.”
Von links nach rechts: Kaiser Johannes Kommenos II (der Gute), Madonna mit Kind, Kaiserin Eirene (die Barmherzige), ihr Sohn – der nicht gerade eine Frohnatur gewesen zu sein scheint und kurz nach der Entstehung des Mosaiks starb.
Diese Bordürenmalerei. Wir müssen sofort an “fifi” denken. (Insiderwitz – Entschuldigung!)

mir bleibt schon am eingang der mund offen stehen und es treibt mir die tränen in die augen. daß die hagia sofia ein beeindruckendes gebäude ist, was mir klar. aber das sie SO umwerfend ist… diese kuppeln! diese malereien! überall gibt es was zu sehen und zu staunen. diese urengel in den kuppelecken! mit den sechs flügeln nehme ich ihnen ab, das sie einen unter die fittiche nehmen und als schutzengel dienen können.

Die Straßenhunde hier sind gut genährt, haben die Ruhe weg und sind ziemlich gut darin, sich aktiv ihre Schmuseeinheiten zu holen, wie man sieht.

am eingang stehen wir eine stunde in der schlange um eine karte an und die hunde schwänzeln um die wartenden herum, schmeißen sich zu deren füßen, lassen sich knuddeln und gehen wieder, wenn sie genug haben.

Alle Wege führen nach Rom. Im oströmischen Reich wurden alle Entfernungen von Konstantinopel, genauer von diesem Stein aus, gemessen.
Wenn ein byzantinischer Kaiser bauen ließ, dann aber richtig: Justitian ließ neben der Hagia Sophia zum Beispiel auch die Basilikazisterne bauen.
Sie ist 143m lang, 65m breit und hat 336 Säulen, größer als jeder nordeuropäische Rittersaal. Sie war Jahrhunderte lang in Vergessenheit geraten, wurde 1545 wiederentdeckt und trägt zu recht den Beinahmen “Versunkener Palast”.
Der Große Basar ist eine riesige Touristenfalle mit unangenehm aggressiven Koberern, die einem überteuertem fimschigen Tand andrehen wollen.

Keine fünf Gehminuten von den Touristenströmen entfernt, zwischen der Blauen Moschee und dem Großen Basar auf der einen und dem Marmarameer auf der anderen Seite, liegt ein Viertel, das es hier eigentlich so nicht geben dürfte. – Es müßte schon längst gentrifiziert und komplett touristisch erschlossen sein.

Das lebende alte Istanbul, keine fünf Gehminuten von den Touristenmassen entfernt.
In einem Teil des Viertels werden fast nur Schuhe hergestellt.

Die Straße, in der das Photo aufgenommen wurde, ist eine organisch gewachsene Schuhfabrik. In jedem Haus gibt es mindestens eine Werkstatt. Hier findet sich alles, was man zur Schuhherstellung braucht, Sohlenmacher, Lederzuschneider, Schuhmacher, Ausstellungsräume, Verpackung, Transport und dazwischen Teestuben und Imbisse.

Als bina sich hier ein paar schicke, günstige Schuhe kaufen will, stellen wir leider fest, dass die tollen Schuhgeschäfte nur “en gros” verkaufen. Und hundert Paar sind dann doch zuviel. Zumal wir nicht wirklich glauben, dass die Markenschuhe echt sind… 😉

Polzeipanzer neben der Blauen Moschee.
Dieser Panzer mit durchgeladenen ferngesteuerten Maschinengewehr oben drauf ist leider unscharf.

Diesen Panzer zu photographieren, haben wir uns nur aus der fahrenden S-Bahn heraus getraut. Zwar sind die Sicherheitskräfte hier im Massentourismusgebiet deutlich zurückhaltender, als in Diyarbakir/Amed, wo diese Panzer sehr viel häufiger sind. Aber so zurückhaltend sind sie dann doch eben nicht.

In der Nähe des Taksim Platzes und des Gezi Parks stolpern wir zufällig über das deutsche Konsulat, dessen Türschild uns beschämt.

Wir paraphrasieren “Syrer bitte Hintereingang. Euer Elend stört unsere Kundschaft aus Ländern, denen es derzeit besser geht.”
Kaffee trinken im Gezi Park. Die Niederschlagung der Massenproteste gegen ein Bauprojekt auf einem Teil des Parkgeländes im Sommer 2013, sehen viele als den Beginn des systhematischen Demokratieabbaus durch Erdogan an.
Der Vorplatz des Geziparks. Flanierende Passanten im Sonnenschein, ein Wasserwerfer und Unmengen von Überwachungskameras. Auf jedem der Pfeiler befinden sich mehrere Kameras.
Vorplatz der italienischen katholischen Kirche von der Kirchentür aus gesehen.

Am Abend stolpern wir ebenfalls zufällig über die italienische katholische Kirche von Istanbul/Konstantinopel. Bei der Besichtigung stellen wir fest, dass gerade die Messe vorbereitet wird, und beschließen, diese mitzufeiern. Die Messe ist gleichzeitig großartig und zum aus der Haut fahren. Großartig, weil sie (ungelogen) von einem italienischen Kardinal und etwa 100 (ja einhundert) italienischen Priestern gehalten wird, die anscheinend gerade eine Art Klassenausflug nach Konstantinopel machen. Zum aus der Haut fahren, weil muslimisch türkische Touristen während der Messe in die Kirche kommen, Selfies machen und so weiter. Und das obwohl ein großes Schild am Eingang darauf hinweist, dass dies verboten ist. – Als die Stelle “Gebt euch ein Zeichen des Friedens” kommt, ist die Frau mit dem Kopftuch hinter mir, so erschreckt, dass wir uns umdrehen und ihr die Hand geben wollen, dass sie nicht weiß, wie sie reagieren soll.

es gibt auch die frau mit kopftuch, die sich, nachdem sie mich gefragt hat, ob es recht ist, still neben mich setzt und dem gottesdienst eine weile still lauscht. aber sie ist die einzige, die das macht. ansonsten ist hinter uns manchmal so ein remmidemmi, daß ein küster mehrfach dezent um ruhe bitten muß.

Topkapi-Serail & Harem

Mi 04. Apr 2018

gottseidank: nach dem tag gestern voller erschlagender architektur, farben, mustern, straßenstimmungen und dem gefühl, in den kopf paßte am abend nichts mehr hinein, ist heute das gehirn wieder ausgeruht und wir können den topkapipalast in angriff nehmen.

am tor unten am eingang des topkapi-palastes begrüßt uns die diensthabende polizistin von dem kleinen wachposten ausgesprochen fröhlich. wir wollten gestern schon den palast besichtigen, aber sie musste uns bedauernd mitteilen, daß ausgerechnet heute geschlossen sei. wir hatten ohne zu meckern unsere pläne umgeworfen und versprochen, daß sie uns am nächsten tag wieder sehen würde. sie wünscht uns aufrichtig viel spaß. auch hier zeigt sich wie in palästina: uniformierte sind manchmal auch (noch) menschen und freuen sich, wenn sie als solche gesehen werden.

es ist noch zeitig am morgen. die schon zahlreichen besucher wandern gleich in die hauptgebäude, wir besorgen uns schnell zwei audio-guides und drehen zum harem ab, der noch ganz leer ist. wir haben ihn über weite strecken ganz allein für uns.

Der Eingang zu Harem.
Der Hof der schwarzen Eunuchen.

Die weißen Eunuchen waren für die Bewachung des Harems nach außen zuständig, die schwarzen für seine Bewachung nach innen. Auf die Weise hätte sich ein von einem möglicherweise unzureichend kastrierten Eunuchen mit einer Haremsdame gezeugtes Kind durch seine Hautfarbe verrraten.

teile des harems sind wegen restaurierung nicht zu besichtigen, aber weil noch nichts los ist, lassen uns die arbeiter schnell einen kleinen blick werfen und wir machen dies photo:

Der Hof der Frauen durch den Spalt der Bautür photographiert. (Die Bauarbeiter hatten uns die Tür zum schauen offen gehalten, aber photographieren war ihnen zu heikel.)

Rund um diesen Innenhof lebte der größte Teil der mehreren hundert Frauen im Harem. Je höher ihr Status, desto mehr Platz hatten sie und umso dichter war er am Innenhof, also an Luft und Licht. Aber einen Ausblick hatte keine von ihnen. Die niederen Haremsmädchen, die die Sklavinnen der höheren waren, konnten von einem eigenen Bett oder Zimmer nur träumen. Auf den nächtens ausgerollten Matten, auf denen sie schliefen.

was für ein pomp überall. aber mal ehrlich: so ein haremsleben macht ja auch keinen spaß. der audio-guide erzählt davon ein bischen. die sultansmutter trohnte über allem, entschied über wohl und wehe der frauen und mischte sich in die politik des reiches ein. die frauen hatten nichts rechtes zu tun, außer sich in intrigen untereinander und im wetteifern um die gunst des sultans zu üben, kinder auf die welt bringen, sich um ihre kosmetik kümmern und tanzen und singen zu lernen. das ganze unter den augen der eunuchen, die zwar kastriert waren, aber trotzdem viel macht über die frauen hatten.

Gemach der Sultanmutter. Sie hatte wenigstens mal einen Blick nach draußen. Trotzdem sind die Wände mit Naturpanoramen ausgemalt.

Die Sultansmutter, die Sultan Valide, war bisweilen die eigentliche Herrscherin des Reiches und trotzdem noch eine Sklavin in einem goldenen Käfig. Dass ihr Raum komplett mit Naturpanaoramen ausgemalt ist, läßt erahnen, was diese Frauen für eine Sehnsucht nach den für sie unerreichbaren Freuden eines Spaziergangs an einem Bach entlang hatten.

Das “Wohnzimmer” des Sultans. Er saß auf dem Sofa unter dem Baldachin rechts, während die Haremsmädchen ihn mit Gesang und Tanz auf der Empore links unterhielten.
Spiegelblick im Sultanswohnzimmer. Die Kacheln stammen aus holländischer Produktion.
FOTO: Der Hof der Favoritinnen, die nicht nur jede eigne Räumlichkeiten und Sklavinnen zur Bedienung hatten.
Vor allem hatten die Favoritinnen einen Auslick.

Der Hof der Favoritinnen war eigentlich ein breiter Balkon. Über einen darunterliegenden Wasserbasin, einen kleinen Park und einer unüberwindlichen Mauer konnten sie das goldene Horn und einen Teil der Stadt sehen.

Im obigen Bild, sieht man links oberhalb der Säulen den “Käfig” in dem die Söhne, die die Favoritinnen dem Sultan geboren hatten, lebten. Damit sie nicht von den Konkurrentinnen ihrer Mütter umgebracht wurden, lebten sie als Gefangene in diesem streng abgeschirmten Bereich des Harems. Erst beim Tod des Vaters oder gegebenenfalls Halbbruders, wurde einer von ihnen von einem Tag auf den anderen vom Gefangenen zum Herrscher des Harems und des Reiches.

Die Goldene Gasse.

Die Goldene Gasse führte vom Hof der Frauen, durch von den schwarzen Eunuchen bewachte Tore, an den Gemächern der Sultan Valide der Favouritinnen vorbei zu den Schlafgemächern des Sultans. War ein normales Mädchen des Harems auserwählt worden, für die Nacht dem Sultan beizuwohnen, so ging sie durch diesen Gang in seine Gemächer. Es war ihre einzige einmalige Chance zur Favoritin und potentiellen Sultansmutter aufzusteigen. Für Sultansmutter die Favoritinnen, an denen sie vorbei mußte, war sie somit eine potentielle Konkurrentin. Es muß bei aller Pracht ein Spießrutenlaufen gewesen sein.

dass diese räume die mutter aller haremsphantasien sind, ist leicht vorstellbar. leider war ausgerechnet der hamam wegen restaurierung geschlossen. auf den waren wir richtig neugierig.

Als wir den Harem, den wir immer noch fast für uns alleine haben (ein paar Haremswächter passen ja ganz gut ins Setting) verlassen, treffen wir auf den Besucherstrom. Die Allermeisten sehen sich den Harem gar nicht an, da man dafür extra zahlen muß.

Im zweiten Hof des des Palastes, bewundert bina die riesige Palastküche, Michel drei Haare aus dem Barte des Propheten und beide schieben sich mit hunderten anderer am Diwan des Großwesirs vorbei.

leider haben sie aus den palastküchen ausstellungsräume für chinesisches porzellan gemacht, welches im palast benutzt wurde. das enttäuscht wirklich! die küchen wären wirklich spannend gewesen.

Das Tor der Glücksseeligkeit zwischen dem zweiten und dem dritten Hof des Palastes.
Der vierte Bereich des Palastes, der kein Hof ist, sondern eine goßzügige Terasse mit Brunnen, Parks, verschiedenen Kiosken und einem großartigen Blick über das Goldene Horn und den Bosporus.
Durch das vergitterte Fenster, konnte die erste Favoritin und nur sie, in den vierten Bereich sehen, den Privatbereich des Sultans. – Hier wurden Eifersucht und Intrige wirklich zur Wissenschaft und Kunstform erhoben.
Die Kuppel des Bagdadkiosks.
Eine der vier Sitzecken des Bagdadkiosks.
Am Rande der Sitzecke. Man beachte die Intarsien.
Der Sultansblick über den Bosporus.

Wir verbringen den gesamten Vormittag im Palast und vor allem dem Harem. Beim Mittagsimbiss mache ich diesen Schnappschuß.

In Diyarbakir/Amed sind ein Dutzend dieser mobilen Schießscharten fester Bestandteil jedes der vielen Polizei- und Armeecheckpoints.

Anschließend gehen wir noch in das kleine Museum über islamische Naturwissenschaft. Dass sie in der islamischen Welt auf den Gebieten der Medizin, der Astronomie, der Strahlenoptik, der Geographie und der sphärischen Geometrie einiges leisteten, während das christliche Europa im dunklen Mittelalter versank, ist ja bekannt. Aber wirklich umgehauen hat mich dieses Gerät:

Der Gerät! Die dampfgetriebene Dönerdrehmaschine, eine Erfindung von Taqiyaddin aus dem Jahre 1546. Man muß Klischees auch mal bestätigen können!

Am frühen Abend machen wir uns auf Richtung griechischen Grenze und sind froh, als wir nach etwa anderthalb Stunden aus dem Istanbuler Stadtverkehr raus sind.

Raus aus der Türkei & Fazit

Di/Mi 05./6. Apr 2018

die nacht haben wir hinter einem kleinen dorf einige Dutzen Kilometer vor der türkisch-griechischen grenze auf einer wiese neben dem feldweg verbracht.

Ein schönes Plätzchen zum Übernachten, aber….

wie man doch feuchte wiese, ein bischen feuchten matsch und eine wirklich geringfügige steigung unterschätzen kann. wir frühstücken in aller ruhe und machen bulli grenztauglich. das heißt, daß alles verräterische, wie computer, bücher, schriftliches material (binas notizbuch z.b.), kurdische halstücher in der grube verschwinden und türkischer sowie griechischer reiseführer und landkarten offen deponiert werden. voller vorfreude, es bald nach griechenland geschafft zu haben, starten wir bulli und der kleine scheitert am rutschigen und nicht sehr steilen untergrund. zum glück kommt ein trecker aus dem dorf auf seinem weg zur feldarbeit des weges und zieht bulli netterweise auf den feldweg. wir bedanken uns mit einer großen packung helva (einer art marzipan) und fahren durch das dorf zurück zur grenze.

Michel verstaut all unsere Kontrabande in der Grube, ohne das ganze Bett auseinander zu nehmen.
Zum zweiten Mal auf dieser Reise muß uns ein Trecker helfen.
Ein Plakat im Dorf. So wirbt die türkische Armee für ihren Afrin-Einsatz.

dann ist endlich der grenzfluß nach griechenland in sicht. wir haben ein bischen bauchgrimmen und werden ganz still. was jetzt wohl auf uns zukommt? werden die soldaten bulli durchsuchen? und wie genau? müssen wir detaillierte fragen beantworten? was ist, wenn beim einlesen der pässe doch offenbar wird, wo wir waren? schließlich wurden die ausweise regelmäßig gescannt und photographiert.

es passiert…nichts! die pässe werden gescannt, mit unseren gesichtern abgeglichen, die sonnig aus dem auto heraus den grenzer anlächeln, sie kriegen ihren ausreisestempel und wir dürfen weiterfahren. ein weiterer posten scannt sie ebenfalls und will auch die autopapiere sehen. ein dritter posten scannt die ausweise zum dritten mal in einen computer ein und wünscht uns eine gute fahrt. wir sagen fröhlich auf wiedersehen, sind schnell durch den griechischen teil der grenze hindurch und können aufatmen. keine durchsuchung, keine fragen. europa hat uns wieder!

Puh sind wir erleichtert. Auf der Mitte der Brücke über den Grenzfluß, gleich hinter den ersten griechischen Soldaten johlen, hupen und lachen wir befreit los.

im nächsten ort holt michel schnell euros und wir fahren richtung süden nach glyfa, um von dort mit der fähre nach evvia überzusetzen. dort gibt es thermalquellen, wo wir uns ein paar tage niederlassen und den blog aktualisieren wollen. die letzte fähre in glyfa ist schon weg. egal, übernachten wir eben am hafen. im noch offenen cafe gibt es erst mal einen kaffee. die wirtin schenkt uns zwei leckere croissants dazu und es macht spaß, von ihr die ersten neuen griechischvokabeln zu lernen. und dann feiern wir mit viel bier, was wir noch in der türkei gekauft haben, in gesellschaft der straßenhunde und  telefonaten mit michels eltern und mit s…, unserem trauzeugen und besten freund, das glückliche ende einer aufregenden zeit.

Die mehreren hundert Kilometer von der türkischen-griechischen Grenze, über Thessaloniki, am Olymp vorbei bis zum Nordende von Evvia fahren wir in einem Rutsch durch.

Der Olymp hat noch ernsthaften Schnee auf dem Kopf. Was für eine schöne Begrüßung in Europa.
Ein zufriedener Dorfhund in Glyfa, der sich grad seine Schmuseeinheit abgeholt hat und uns noch ein bischen Gesellschaft leistet, während Michel mit S… telephoniert.
Frühstück am nächsten Morgen. Hinter dem Bulli warten noch zwei weitere Hunde auf Brot und ein Stückchen Käse.
Wieder mal Bulli auf einer Fähre mit einem letzten Blick auf Glyfa.
Ein Plakat auf der Fähre klärt über Meeresverschmutzung durch Müll, vor allem Plastikmüll, auf.

Unser Fazit zur Türkei unter Erdogan:
Kein Appeacement!

Die politische Agenda Erdogans und der AKP verbindet Islamisierung und Nationalismus zu einem Amalgam, das sowohl für alle Demokraten und Laizisten, die religiösen und ethnischen Minderheiten im Land als auch für alle kleineren Länder im näheren Umfeld der Türkei hochgradig gefährlich ist. Der Begriff Neo-Osmanismus beschreibt es absolut richtig. Es geht darum, das Osmanische Reich in religiöser und territorialer Hinsicht so weit wie möglich wieder herzustellen. Mit Erdogan als Quasi-Sultan.

Zur Lage innerhalb des türkischen Staatsgebiets, insbesondere im türkischen Teil Kurdistans haben wir hier ja einiges geschrieben. Aber Erdogan ist offensichtlich auch auf territoriale Expansion aus. Sein aktueller Schritt scheint es zu sein, im Norden Syriens und des Irak türkische Protektorate nach dem Vorbild Nordzyperns zu errichten und in der Ägäis beansprucht er unbewohnte griechische Inseln für die Türkei.

Wir glauben, dass Nachgeben das Falscheste ist, was man gegenüber Erdogan machen kann. Sobald die Demokraten, Laizisten, Kurden, Griechen oder die EU einen Schritt zurückweichen, setzt Erdogan nach und fordert mehr. Appeacement wirkt bei ihm nicht. Man muß klare Kante zeigen. Keine Waffen, kein Geld, keinerlei Deals für ihn. Dafür jede Unterstützung für die freie Presse und die mutigen Journalisten in seinem Land. Unterstützung für die Autonomie- und Demokratiebestrebung der Kurden. Entsendung von Wahlbeobachternzu den nächsten Wahlen in der Türkei.

Unserer Beobachtung und Meinung nach steuert die Türkei geradewegs auf eine platzende Immobilienblase, Wirtschaftskrise und Inflation zu. Die Anzahl staatlich finanzierter Baustellen hat eine Dimension angenommen, die möglicherweise fast alleine zu einer Überschuldung führen kann. Die Folge davon könnte einerseits eine Entzauberung Erdogans und der AKP sein. Andererseites könnte es dazu führen, dass die türkische Regierung ihre Rettung vor unlösbaren innenpolitischen und wirtschaftlichen Problemen in außenpolitischen Abenteuern, insbesondere in Kriegen, sucht.

Zum weiteren Nachlesen empfehlen wir das Themenheft Türkei des von der Bundeszentrale für politische Bildung Magazins ApuZ (Aus Politik und Zeitgeschichte) vom Februar 2017, aus dem ich in diesem Blog auch öfters zitiert habe.

Hier als PDF zum runterladen: apuz-türkei

Ausruhen auf Evvia

Fr-Sa 6.-14. Apr 2018

Evvia ist nach Kreta die zweitgröße Insel Griechenlands und wäre mit ihren Bergen, Stränden und kleinen Hafenstädtchen eigentlich eine typische Touristendestination. Aber sie liegt so dicht am Festland und bei Athen, dass sie normalerweise einfach übersehen wird.

Wir nutzen sie, um eine gute Woche Pause zu machen und um Kurdistan und die Türkei zu verarbeiten. Sowohl innerlich als auch im Blog. Denn während wir dort waren, haben wir uns nicht getraut, hier über unsere Erlebnisse und Einschätzungen zu schreiben. Was auch etwas sehr deutliches zum Themenbereich Türkei, Demokratie und Meinungsfreiheit aussagt,…

Zumächst bleiben wir fünf Tage und Nächte in Loutra im Norden der Insel. Dort gibt es nämlich dies:

Von einer Thermalquelle gespeisten heißen Badewannen,…
… und zwar direkt am Meer.

Schon Aristoteles soll hier gebadet und gekurt haben. In unserer oben zu sehenden Lieblingsbadewanne kann man problemlos zu zweit sitzen und die Beine ausstrecken, weil die Wanne landseitig unter dem Felsen weiter geht. Um uns mit warmem Wasser zu übergießen, nehmen wir die Hamam-Schale aus Plastik mit, die bina im Hamam in Antiochia geschenkt bekommen hat. Um anschließend das Thermalwasser warm abduschen zu können, legen wir jeder zwei Plastikflaschen mit Frischwasser in die heißeste Wanne. Die ist ohnehin zu heiß zum Baden.

Bulli stellen wir in Sichtweite dieser Natur-Wellnessoase auf der Klippe ab,…
…und haben bei Frühstück und Abendessen diesen Ausblick.

Jeden Tag gehen wir in das selbe Cafe, das keine fünf Minuten zu Fuß vom Bulli entfernt an der Hafenpromenade liegt, und schreiben am Blog. Dort dürfen wir auch einmal unser Campingklo entleeren.

Während wir in Loutra sind, wird das orthodoxe Osterfest gefeiert, das später als das katholische liegt und mit deutlich mehr Aufwand zelebriert wird. Die nächtliche Karfreitagsprozession verpassen wir leider, weil wir gerade in der Thermalbadewanne sitzen. Aber zur Mitternachtsmesse in der Nacht von Samstag auf Sonntag gehen wir natürlich.

Da das gesamte Dorf und alle Gäste zur Mitternachtsmesse gekommen sind, ist die Kirche zu klein und die Auferstehung wird auf dem Kirchplatz verkündet.
In der Kirche wird ein Licht entzündet und von Kerze zu Kerze weitergereicht.

daran, eigene kerzen mitzubringen, haben wir jetzt nicht gedacht. zum glück kann man in der kirche beim küster welche erstehen. michel steckt einen geldschein in den gotteskasten und ich darf mir eine kerze aussuchen. die gelben riechen so schön, also nehme ich mir eine aus einem der ständer. blöderweise wird die kerze immer länger, hatte ich doch nicht gesehen, daß der behälter bis zum boden runter geht. so stehe ich da mit einer kerze , die so groß ist wie ich, während die einheimischen alle viel kürzere haben. ich habe das gefühl, ich falle ziemlich auf mit dem riesending. sie zurück zu stellen, traue ich mich aber nicht. das sieht ja auch blöd aus.

Bina mit ihrer Riesenkerze.

die kerze ist jetzt im bulli verstaut. ich mußte sie allerdings oben ein wenig kürzen. ich werde sie auf dem rückweg der maria in bogen vorbeibringen.

Was für uns ein wenig gewöhnungsbedürftig ist, ist dass die Auferstehung auch mit Feuerwerk und Böllern gefeiert wird. Vermutlich wurde so früher der Winter vertrieben. Am Sonntag ist dann allgemeines Grillen angesagt. Überall wird gegrillt, im eigenen Garten, im Park, am Strand und auf der Straße. Wir selbst grillen nicht, sondern gehen zu einem der Restaurants am Hafen, wo sich die Lämmer an den Spießen drehen und essen. Eines der Restaurants hat einen Riesengrill aufgebaut, auf dem sich acht Lämmer parallel auf acht Grillspießen drehen.

Die letzten drei Tage und Nächte verbringen wir auf einem Campingplatz weiter südlich.

Das erste Mal seit über sechs Monaten steht Bulli mal wieder auf einem Campingplatz.
Wir stehen direkt am Strand, so dass wir mit ein klein wenig Aufwand so Frühstücken können.

Es ist angenehm mal wieder die Infrastruktur eines Campingplatzes zu haben. Wir waschen vier Maschinen Wäsche, leeren und säubern das Campingklo, duschen uns ausgiebig und proviantieren Wasser auf.

Etwas komisch fühlt es sich an, plötzlich nicht mehr das einzige Wohnmobil weit und breit zu sein. Am letzen Abend sind drei andere deutsche Wohnmobile mit uns auf dem Platz. Wir sind wieder im für deutsche Campingtouristen erschlossenen Gebiet und die Saison fängt so ganz langsam an.

Athen revisited

Sa-Mo 14.-16. Apr 2018

auf dem weg zum peloponnes besuchen wir athen ein zweites mal. wir fahren direkt nach exarchia und stellen bulli in einer straße vor einigen netten cafes ab, wo wir auch schlafen wollen. campingplatz hatten wir ja nun grade.

am ankunftsabend besuchen wir einen queer-stammtisch, der auf der dachterassse eines cafes im flohmarktviertel zu füßen der akropolis stattfindet. es befindet sich in einem hinterhof zwischen lauter antiquitätenläden und ist ziemlich klein. eine treppe zur dachterasse hinauf gibt es nicht. als wir fragen, zeigt uns die bediehnung den weg: die treppe runter zur bar im keller. neben dem tresen die nächste treppe wieder hinauf, dann durch den klamottenladen hindurch. an den ständern mit jacken und mänteln vorbei eine weitere treppe nach oben, an der nächsten bar vorbei noch eine treppe höher und dann auf die terasse.

anscheinend sind diese labyrinthe in athen völlig normal. von der terasse aus haben wir einen tollen blick über die dächer der umgebung. hinten, auf dem höchsten hügel trohnt, wunderschön beleuchtet, die akropolis und ein stückchen weiter der ebenso beleuchtete tempel des hephaistos an der antiken agora. der besterhaltene antike tempel griechenlands. der stammtisch kommt erst ziemlich spät in schwung. griechen sind nicht die pünktlichsten menschen. aber dann ist es richtig nett.

Auslage des Antiquitäten- und Trödelladens direkt neben der Bar.

der sonntag soll der agora gewidmet sein. leider sind wir zu spät dran und die anlage ist schon geschlossen. wir trösten uns mit einem guinness im irish pub um die ecke. dort läuft auf einem bildschirm grad das fußballspiel celtic gegen rangers. der klassiker. das derby aller derbys. das, was für hamburger HSV gegen ST. PAULI ist. eine gruppe irischer und griechischer fans hat sich eingefunden, nimmt uns in ihre runde auf und aus dem einen trost-guinness werden ein paar wenige pint mehr. wir haben viel spaß, zumal celtic 4:0 gewinnt und verlassen den pub als gute freunde. wir sollen unbedingt bescheid sagen, wenn wir wieder in athen sind.

Es ist immer wieder erstaunlich, wozu die Fanfreundschaft von St. Pauli und Celtic gut ist. Mit einem Pint Guinness in der Hand kommen wir mit F…, mit dem wir eine zutiefst republikanische Gesinnung teilen, so gut ins Gespräch, dass wir das eine oder andere Tor der Celts verpassen. Aber es fallen ja genug. Als wir etwas zu Essen bestellen, interveniert einer der Celtic-Fans am Tresen bei der Bedienung: “Gib ihnen die hausgemachten Pommes, nicht das tiefgefrorene Zeug!” Später stellt sich heraus, dass er der Küchenchef ist und aus Westbelfast stammt.

Bina und f… diskutieren den israelisch-palästinensischen-Konflikt, während im Hintergrund Celtic die Rangers 4:0 schlägt.
Mitten in Athens Stadgewimmel blitzt plötzlich die Akropolis zwischen den Häusern durch.

die nächte am straßenrand sind, gelinde gesagt, anstrengend. der verkehr ist so laut, daß wir nicht wirklich ruhe finden. das machen wir so schnell nicht wieder

Homers „goldenes Mykene“

Mo/Di 16./17. Apr 2018:

Am Montag verlassen wir Athen, um auf den Peloponnes zu fahren. Den zu umrunden und zu erkunden wollen wir uns etwa einen Monat Zeit nehmen.

“Oh wie schön ist Panama!“
Das erste “Camping verboten!”-Schild seit über 10.000km! Der endgültige Beweis, dass wir uns wieder touristisch erschlossenen Gebieten bewegen.

Unser erstes Ziel auf dem Peloponnes ist das sagenumwobene Mykene. Als Sokrates im Jahre 399 vor Christi den Schierlingsbecher trank, war es etwa 400 Jahre her, dass Homer in der Ilias vom “goldenen Mykene” geschrieben hatte, und 800 Jahre, dass dieses untergegangen war. Für Sokrates lag König Agamamnons Feldzug gegen Troja zeitlich ungefähr so weit zurück, wie für uns der Kreuzzug von Richard Löwenherz.

Das Löwentor, das Haupttor Mykenes.

Wenn man sich ansieht, wie groß die Steine der Mauern sind, versteht man, dass die antiken Griechen ihren Bau den Zyklopen zuschrieben.

Innerhalb des Steinrunds lag das Grab Agamemnons.

Zumindest hat der für die Entdeckung Trojas berühmte Heinrich Schliemann die Gräber, die er hier fand, unter anderem Agamemnon zugeordnet. Die 13,5kg Edelmetalle, vor allem Gold, und insbesonder die goldene “Maske des Agamemnon”, die er in den Gräbern fand, paßten einfach zu gut zum Homers “goldenen Mykene”. Doch er hat sich geirrt, die Maske stammt nicht aus der Zeit der von Homer beschriebenen Heldentaten um 1200 v.Ch., sondern ist ca. 400 Jahre älter. Genaues werden wir nie erfahren, weil Schliemann bei seinen Grabungen zu viel zerstört hat.

Die Grundmauern des Palastes von Agamemnon entsprechen genau Homers Beschreibung. Die Feuerstelle im Thronsaal befindet sich unter dem Schutzdach.
Nur mit Taschenlampe: Abstieg in die 18m tiefe Zisterne.
Das Grab der Klytämnestra liegt außerhalb der Zyklopenmauer unterhalb Mykenes. Nebenan das Grab des Ägisthos.

Natürlich ist es mit ziemlicher Sicherheit nicht wirklich das Grab der Klytämnestra, aber zu wem würde eine gute Geschichte passen, wenn nicht zu dieser durch und durch dysfunktionalen Familie:

Agamemnon zieht gegen Troja in den Krieg, weil die Trojaner seine Schwägerin, die Schöne Helena, geraubt haben, und um gute Winde für die Überfahrt zu erwirken, opfert er seine Tochter Iphigenie. Als er nach der zehn Jahre dauernden Belagerung Trojas siegreich zurückkehrt, rächt seine Frau Klytämnestra die gemeinsame Tochter, indem sie mit ihrem Liebhaber und Vetter Ägisthos ihren Ehemann umbringt. Dies wiederum rächen ihre Tochter Elektra und deren Bruder Orestes, indem sie Mutter und Liebhaber ins Jenseits befördern. – Kaum wahrscheinlich, dass die beiden Geschwister ihrer Mutter und deren Liebhaber anschließend solch ein Grab errichtet haben.

Das Museum neben der Ausgrabung hilft, sich das Leben in Mykene vorzustellen.

Diese Tasse könnte auch in der Verkaufsauslage einer Töpferei auf der Kulturellen Landpartie im Wendland stehen.
Die Wände muß man sich knallig bunt und farbenfroh vorstellen.
Eine gebrannte Tontafel mit einer Linear-B-Inschrift.

Wer nicht weiß, was Linar-B ist, und Lust auf eine gute “Indiana-Jones trifft Codeknacker”-Geschichte hat, kann das ja mal altavistan.

Sonst noch was? Ach ja:

Die Pusteblumen hier sind riesig!

Die Nacht von Montag auf Dienstag verbringen wir an einem kleinen Hafen bei Nafplion und bummeln am Dienstag durch Nafplion.

Dieser Automat am Hafen schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Oben kommt eine gebrauchte Plastikflasche rein, unten Futter für Straßenhunde raus.
Nafplio bietet haufenweise Motive für Postkartenphotos. Das war’s dann aus unserer Sicht aber auch schon.

als ich noch prinz war in arkadien…’ so ein verdammter ohrwurm! wir müssen erst ein bischen überlegen, woher das lied kommt. achja, jaques offenbach ‘orpheus in der unterwelt’. es geht uns auf der weiterfahrt nicht aus dem kopf. aber wenn wir uns die wunderschöne gegend anschauen… prinzsein hat sich hier in arkadien schon gelohnt.

es wird bergig, dörfer schmiegen sich an bewaldete hänge, dazwischen liebliche täler, in denen oliven und kirschen blühen und auf wiesen weiß, rot und gelb die wildblumen leuchten. der mohn hat hier ein ganz warmes, tiefes rot und paßt wunderbar zu dem silber der olivenblätter. streckenweise schlängelt sich die straße durch richtig tiefen wald und meist sind wir allein unterwegs.

Die Straße windet sich die Berge hinauf.

vor einbruch der dunkelheit suchen wir wie immer einen schlafplatz und finden ihn an einem feldweg auf einer versteckten größeren lichtung irgendwo im wald. ich höre beim einschlafen ein käuzchen und den kuckuck. ansonsten ist es still

Ein arkadischer Spaziergang

Mi/Do 18./19. Apr 2018

heute soll wieder gewandert werden. michel hat eine 3-tages-rundwanderung ausgesucht. die ersten beiden tage sind der beginn des menalon trails und am dritten tag geht es über eine landschaftlich schöne abkürzung zum ausgangspunkt zurück. in stemnista geht es nach einem kaffee im ort los. bulli steht so lange auf einem schattigen plätzchen im dorf. dieses dorf hat eine lange gold- und silberschmiedetradition und noch heute gibt es eine goldschmiedeschule, die jährlich grade mal 25 schüler aufnimmt.

Stemnitsa, ein typisches Bergdorf in Arkadien
Noch sehen wir frisch und munter aus.

4,5 stunden reine gehzeit haben wir vor uns. aber uns erwartet eine abwechselungsreiche tour mit ein paar sehenswürdigkeiten und besonderheiten.

Unser heutiges Etappenziel, der Ort Dimitsana, lag früher so unzugänglich und abgelegen, dass die Türken ihn nie beachtet, geschweige denn erobert haben. Das machte ihn und vor allem das noch abgelegenere Kloster Filosofu in der Wand der Schlucht, durch die wir wandern, zu einem kulturellen Bollwerk der Griechen. In Dimitsana wurde die verbotene griechische Sprache gesprochen und gelehrt. Aus ganz Griechenland kamen Schüler, um im Schulhaus des Klosters die verbotenen Bücher zu studieren und die eigene Geschichte zu lernen. Und auf die besondere Rolle des Ortes bei der griechischen Revolution im Jahr 1821 kommen wir unten noch zu sprechen.

es geht erst mal bergab in die schlucht, aus der wir schon von ferne das wasser rauschen hören und irgendwann auf einer kleinen brücke über einem beeindruckenden gebirgsbach stehen. es geht durch wälder, über steinige hänge, aber immer auf einem gut gekennzeichneten weg.

Die Landschaft ist einfach wunderschön.
Eine lila Schönheit am Wegesrand. Gibts auch in Gelb.
Das Kloster Filosofu über die Schlucht hinweg geshen.

Um das Entscheidende zu entecken, muß sich das obige Bild sehr genau und in Großaufnahme ansehen: Am rechten Bildrand sieht man das neue Kloster. Unten in der Felswand, etwas links von der Bildmitte liegt, gut getarnt und kaum zu erkennen, das alte Schulhaus des Klosters, in dem die verbotenen Bücher aufbewahrt und die verbotene Sprache und Geschichte gelehrt wurde.

Fund am Wegesrand. Die Hummel ist bestimmt 4cm groß.
Zuweilen geht der Weg an einer Steilwand entlang. – Schlucht halt!
Das Kloster Prodomos. Bitte schaut euch die Stützen vom Balkon ganz rechts an. Das deutsche Bauamt würde so etwas niemals genehmigen!

leider sind wir zu spät dran. das kloster kann man zwischen 13.00 und 17.00 nicht besichtigen.

aber beim weitergehen können wir einen mönch beobachten, der auf einer gartenterasse arbeitet. sein weißes maultier steht eine terasse über ihm. dieser neugierig-liebevolle blick, mit dem es dem mönch unten bei der arbeit zuschaut, ist unvergesslich.

Solche Wanderwege machen Spaß!
Blick zurück über die Schlucht zum Kloster Prodomos.

dann erreichen wir das kloster filosofu. das begrüßungskomitee besteht aus einem rudel katzen, die von unserer jause ihren teil abbekommen und dann geschmust werden wollen. im kloster bekommen wir dann wasser und süßigkeiten zur stärkung.

Klosterkatzen geht es offensichtlich besser als Kirchenmäusen.
Das neue Kloster Filosofu.
Arkadische Landschaft wie aus dem Bilderbuch.
Das frische Wasser aus den sauberen Quellen ist eine Wohltat.

dann endlich kommt das etappenziel in sicht: dimitsana. das ist auch gut so, denn binas füße schmerzen schon arg und die beine sind lahm. aber das knie macht bisher alles brav mit.

dimitsana ist insofern etwas besonderes, als das sich während der griechischen revolution 1821 mitglieder des geheimbundes ‘filiki etairia’ hier versammelt hatten und in den alten mühlen das gesamte schießpulver, das für den aufstand gebraucht wurde, hergestellt wurde. allein im oktober 1824 wurden hier 16 tonnen schießpulver innerhalb von 4 wochen hergestellt!

Eine der neun Schießpulvermühlen von Dimitsana.

in dimitsana finden wir nach einem anständigen etappenbier schnell ein zimmer mit kleiner teeküche zum nächtigen, kaufen uns noch pizza und etwas zum frühstück für morgen. die pizza macht uns die wirtin netterweise heiß, und wir essen sie genüßlich im bett. auch die dusche ist eine wohltat und das frische bett sowieso. mir tun allerdings die füße derart weh, daß ich mich frage, wie ich morgen weiterlaufen soll. aber zum glück habe ich die wahl zwischen einer 2-stunden-etappe bis zygovisti oder weiteren 4-5-std nach elati.

am nächsten morgen sind die beine zwar noch schwer, aber die füße fühlen sich in den wanderstiefeln gleich wieder wohl, sodaß wir nach einem anständigen frühstück langsam aber guten mutes weiter wandern. das wetter ist ideal. leicht bewölkt, trocken, noch kühl. mittags wird es wohl wieder warm bis heiß werden und abends vielleicht wieder ein bischen regnen, wie gestern auch.

der weg windet sich wie gestern bergan-bergab, ist wunderschön und es macht trotz der wehen füße spaß, zu laufen.

Morgens beim Loslaufen.
Blick zurück auf Dimitsana.
Begegnung auf der Blumenwiese.

in zygovisti machen wir auf eine limonade rast und beschließen, doch die lange strecke bis nach elati zu laufen. nach zwei stunden wanderung teilt sich der weg und es führt eine abkürzung nach stemnitsa zurück. wir sind vernünftig und nutzen die chance. weiterlaufen würde bedeuten, daß wir nach heutigen sechseinhalb stunden morgen noch mal fünf stunden unterwegs wären, und das wäre schinderei. also lieber auf die kondition hören, weniger laufen, das dann aber auch genießen.

viele dinge photographieren wir jetzt nicht. sonst kommen wir ja nie weiter. der weg ist nett bis spannend und es blüht überall. blaue und rosa vergißmeinnicht, perlhyazinthen, weiße sternförmige blüten mit schwarzem pünktchen in der mitte, lila und hellgelbe orchideenartige dolden, eine pflanze in dicken büschen mit leuchtend gelben blüten, die wie riesiger sabei aussieht. dazu ein ständiges bienen- und käfergesumm. kein wunder, denn arkadien ist berühmt für seinen honig. auf halbschattigen waldlichtungen pimpinelle und walderdbeeren, die grad blühen, dazwischen felsen die aussehen, als würden sie leben. ganz bestimmt wohnt aber jemand darin, wie in den quellen die nymphen wohnen, an denen wir so oft vorbei kommen. dann wieder blütenteppiche aus irgendwas hellblauem und dunkellilanem, dazwischen gänseblümchen und butterblumen. blaukissen, akelei und kleine lupinen. ach, und die eidechse nicht zu vergessen, die vielen schmetterlinge und die kleine schlange auch nicht. ich bin so erschöpft, das ich den kopf beim laufen nicht mehr heben mag aus angst, ich stolpere. aber ich werde mit diesem bunten blütenmeer entschädigt.

nach 1,5 std sitzen wir wieder in stemnitsa beim bier. ich bin froh, daß wir die abkürzung genommen haben.

Das Ziel kommt in Sicht.
Die letzen Meter durch die Gassen von Stemnitsa.

Wir fahren am späten Nachmittag noch zur arkadischen Küste hinunter, wo wir einen schönen Platz auf einem Kiesstrand zum Stehen finden.