Normalverschiebung

Di., 28.10.

die wahrnehmung, was normal ist und was nicht, was also was filmenswert ist, ist für die menschen hier extrem unterschiedlich zu dem, was in deuschland normal ist.

  • normal ist es hier, dass sich vier soldaten auf einen nachbarn stürzen, den sie auf patrouille treffen und ihn zu boden werfen.
  • normal ist es, dass der neue nachbar verhaftet und zum verhör mitgenommen wird, weil er jeden abend zur selben zeit am wachposten vorbei geht. klar, wer regelmäßig zur arbeit geht hat auch regelmäßig feierabend und muß dann am wachposten vorbei, der zwischen den checkpoints und seinem haus liegt.
    geregelte arbeit! das geht ja gar nicht….
  • normal ist es, dass man angeschnauzt und weggeschickt wird, wenn man den seitlichen teil der EIGENEN terrasse unterhalb der siedlung betritt.
  • normal ist es, dass die italienerin noch zwei tage versucht durch den checkpoint 56 zu kommen, weil sie noch sachen im sumud-zentrum hat, und beide male abgewiesen wird. mit der lüge, das gesamte gebiet auf dieser seite des checkpoints, sei eine closed military zone. sie ist dann mit ablauf ihres visums und unverrichteter dinge über jordanien ausgereist.
  • auch für uns ist es inzwischen normal, dass wir bei drohnengeräuschen im haus verschwinden. (michel witzelt: ‚was machst du für einen sport?‘ – ‚ich renne ins haus, wenn drohnen kommen.‘)
  • dass soldaten und siedler mit waffen herumlaufen, denen man aus dem weg geht.
  • dass wir uns auf den seltenen gängen nach H1 aus dem haus und wieder hinein stehlen und vorher klären, ob es sicher ist.
  • normal, dass die siedlerjugendlichen so gut wie jeden tag die oliven aus der palästinensischen nachbarschaft stehlen. soldaten meist mit dabei sind und (fast) nie eingreifen.
  • die jungs vom YAS beobachten das nur, rufen die ‚civil administration‘ an, die aber doch nie kommt. würden sie hinausgehen, bekämen sie ärger.
    auch das ist normal.

für die menschen hier ist das alles nicht mehr filmens- und berichtenswert und wir bekommen hinweise, wann filmen unnötig ist und wann wichtig. wichtig ist es dann, wenn siedler oder soldaten auf die terrasse eindringen, und wenn die YAS-aktivisten involviert sind und ihnen anschließend tätlichkeiten unterstellt werden könnten.

Olivenklau – wieder mal

so geschah es am sonntag den, 26.10. und auch am montag. dieses mal am baum direkt an unserer tür. wir können über die kameras sehen, wie die jugendlichen eine sehr lange stange zusammenstecken, eine plane unter den baum legen und die oliven von den zweigen schlagen.

Das sind jetzt der 3. und 4. Olivendiebstahl der beiden Siedler-Teenager. Die ersten beiden waren letzten Freitag und vorletzten Freitag. Immer um 15:00 oder 16:00 Uhr. Hier ein Video vom 3. Olivendiebstahl, bei dem ein Siedler vorbeikommt, der mit seinem Hund spazieren geht, und kurz mit den beiden Dieben redet. (Kein Palästinenser kann sich trauen hier einfach so spazieren zu gehen.)

beim letzten olivendiebstahl sehen wir auch, und das wundert uns wirklich, dass zwei soldaten versuchen, es den jungs zu verbieten. aber die soldaten haben keine handhabe, denn für siedler-angelegenheiten ist die polizei zuständig. issa wird angerufen und ist tatsächlich wie angekündigt nach 5 minuten da. wir sehen, dass die jugendlichen ihn sofort angehen wollen und beobachten (es geschehen noch zeichen und wunder), dass die soldaten das aktiv verhindern und issa unbeschadet das haus betreten kann. die diebe verschwinden dann auch.

Der Diebe lassen sich von den Soldaten nicht von ihrem Tun abhalten.
Ein dritte Siedler-Teenager, der dazugekommen ist, um zu helfen, geht sofort aggresiv auf Issa los, als dieser nach Hause kommt. Aber die Soldaten halten ihn tatsächlich zurück. Leider eine große Ausnahme, nicht die Regel, gegen ihre Einsatzrichtilinien. – Siedler, die Palästinenser angreifen dürfen NICHT von Soldaten gestoppt werden.

Sumud: Olivenbäume überleben!

zu unserer großen freude schlagen die beiden uralten olivenbäume aus diesem video, die am 7. September 2023 von siedlern angezündet wurden (genau einen Monat VOR dem Hamas-Überfall), wieder aus.

Immer noch keine Antwort

Die deutsche Botschaft hat weder auf ihre offizielle Beschwerde in unserer Sache, noch auf die beiden Erinnerungsschreiben mehr als automatisierte Eingangsbestätigungen vom Israelischen Außenministerium bekommen.

Sofern ich den hohen deutschen Diplomaten, mit dem ich darüber gesprochen habe, richtig verstanden habe, ist das eigentlich ist das ein diplomatischer Affront, aber für Israel im Umgang mit Deutschland derzeit normal. Israel scheint in Anbetracht der Deutschen Staatraison keinen Anlass zu sehen, sich an diplomatische Regeln und Gepflogenheiten zu halten.

Selbst das grundlegende Rechte auf konsularischen Beistand für deutsche Staatsbürger in israelischer Haft setzen sie außer Kraft, ohne dass Deutschland ernsthaft reagiert. Letzte Woche saß eine deutsche Aktivistin, die Palästinensern bei der Olivenernte geholfen hatte, drei Tage in Abschiebehaft, ohne dass ihr Kontakt zur deutschen Botschaft gewährt oder die Botschaft auch nur informiert wurde.

Trotzdem ein Ausflug

erst mal geht es in den hammam.

Die Rituale und Abläufe im Hammam sind hier in Hebron anders, als alles, was wir kennen. Während man auf dem heißen Stein liegt, wird man mit halben Zitronen und Soda abgerieben. Die Massage ist ohne Seifenschaum. Aber der größte Unterschied ist, dass es ein kleines Tauchbecken gibt:

Wenn man dieses 300 Jahre alte Tauchbecken einem Archäologen zeigt, wird er es mit sicherheit als jüdische Mikwe identifizieren. Als jüdisches Ritualbad. – Jetzt ist Hebron bekannt dafür, dass hier sehr viele sehr alte Traditionen gepflegt werden, weil die Familien hier ja sehr alt, konservativ und traditionsbewußt sind. Wir fragen uns, ob diese mikweartigen Tauchbecken in den Hammams hier ein Überbleibsel aus der Zeit vor zweitausend Jahren sind, als eben diese Familien jüdisch waren. (Wir schrieben ja, dass sie nachweislich seit der Bronzezeit vor 4.400 Jahren kontinuierlich hier leben.)

aber es ist auch schmerzhaft, denn wir werden mit einem schröpfkopf massiert. dazu nimmt der inhaber einen einfachen keramikbecher, in dem ein benzingetränkter wattebausch angezündet wird, presst ihn auf die haut und zieht ihn über den körper. es tut höllisch weh, aber hinterher ist es schön. wir wußten nicht, das teebecher auch foltergeräte sein können.

leider kommt er mir über die massage hinaus auf eine weise nahe, die ich nicht mehr gut finde. ich muß seine zudringlichkeiten sehr deutlich abwehren und wir beschließen, issa zu bitten, das bei ihm anzusprechen. er hat zu ihm die kulturelle augenhöhe und kann das als muttersprachler sicher weniger verletzend als ich.
es ist aber auch verwirrend. ich renne, sauna-gewöhnt, nackig und bestimmt einladend herum und will dann doch nicht. nächstes mal wickele ich mir das laken um, dass man anfangs bekommt und auf dem man auf dem heißen stein und der massagebank liegt.

auf dem weg zurück entdecken wir tatsächlich den buchladen von abeer:

der einzige buchladen in der altstadt und der erste überhaupt. abeer sagt, es hätte wohl mal einen schreibwarenladen gegeben, aber keinen buchladen. sie hat ein sammelsurium aus gebrauchten und neuen büchern, hauptsächlich auf arabisch, und wir erstehen buch von gerry adams auf englisch. gerry adams ist der ehemalige präsident der irischen sinn fein, soll bei der ira gewesen sein und war maßgeblich am karfreitagsabkommen in irland beteiligt.
abeer bietet auch unterschiedliche zeichenkurse und vorleserunden für kinder und frauen an und kriegt jedes mal zuviel, wenn die siedler ihre samstags-spaziergänge durch die altstadt machen und die soldaten dann ihren laden schließen.
michel organisiert tee, wir klönen eine weile und werden sie bestimmt wieder besuchen.

danach treibt uns der hunger an einen der imbiss-stände (neudeutsch: street-food).
nirgendwo schmeckt schlichtes kebab mit gegrillten zwiebeln und tomaten im pitta so gut, wie von einem stand bei dessen anblick jeder deutsche amtsarzt zustände kriegen würde.

michel plündert noch einen bankautomaten und wir stromern weiter ins q-candy, einem cafè amerikanischer art, das wir noch von 2017 kennen. es gibt kaffee und kuchen. unfassbar, es hat sich nichts verändert. aber uns fällt auf, das es auf dem weg dorthin sehr viel mehr schicke läden gibt als damals.

in der dämmerung gehen wir dann zurück zum abfahrtsplatz der service-autos am checckpoint 56 und dort treffen wir ashwaq.
eine junge rechtsanwältin, die auch in unsere richtung will, recht gut englisch spricht und ganz begeistert von unserer bekanntschaft ist. sie lädt uns zu sich nach hause ein.
ihre ganze familie strömt zusammen, die nachbarn dazu und immer kommt noch jemand hereingeschneit und will sehen, wen ashwaq da mitgebracht hat.
der zirkus (also wir) ist in der stadt.

Das ist der kleinere Teil der Familie. Die meisten waren kamerascheu. Es waren allein neun Geschwister von Ashwaq, zum Teil deren Gatten und Kinder, sowie Ashwaqs Eltern, Großeltern, Onkels, ich glaube Tanten und… Ich habe den Überblick verloren.

es gibt für uns essen und cola und anschließend kaffee, staunende blicke und leider auch viel schweigen, weil nur ashwaq übersetzen kann, aber die ganze zeit hin und her flitzt und uns serviert.
grade die frauen sind zu schüchtern, ihre fragen zu stellen und so nehme ich meinen kaffee und bitte die frauen nach nebenan.
offensichtlich ist das genau das richtige. sie trauen sich zwar immer noch nicht zu fragen und mir wird nur gesagt, wie hübsch ich bin, aber alle legen schwatzend und kichernd ihre kopftücher ab und zeigen mir ihre haare. was kommen da für wallemähnen unter den hidjabs hervor! dick und teilweise oberschenkellang!

nach einer stunde müssen wir wieder gehen. das sumud-zentrum wartet auf uns und die tagwache will nach hause.
michel war so klug und hat das gleich am anfang deutlich gemacht, so dass es nicht, wie wir es bei unseren syrischen freunden in deutschland schon erlebt haben, zu irritationen kommt, weil wir so plötzlich aufspringen.
schnell ist jemand gefunden, der uns zu der stelle fährt, wo wir auch aus dem service aussteigen würden um schnell zum haus zu kommen.
die nacht ist ruhig. nur vom wachposten hören wir stimmen. die soldaten haben mal wieder besuch, was auch ärger bedeuten könnte. und wir riechen massive haschisch-wolken, die zu uns herunter wabern.

Das ist gut! Wer bekifft ist, wirft keine Steine.

Cat Content

Adam und Lilith die beiden Katzen des Sumud sind bei uns inzwischen komplett handzahm und haben letzten Morgen (nach der Nachtschicht) das erste Mal beide mit bei uns im Bett geschlafen.

Totalüberwachung

Blue Wolf: Soldaten spielen Pokemon GO

Die Soldaten haben die App „Blue Wolf“ auf ihren Smartphones und Tablets installiert und können damit auf die in der „Wolf Pack“-Datenbank gespeicherten Informationen sofort zugreifen.

Der Soldat scannt das Gesicht eines Palästinensers und die App gibt ihm alle Informationen über diese Person.

Als Zusatzmotivation bietet die „Blue Wolf“-App außerdem eine Bestenliste. Sie gibt wöchentlich eine Punktzahl basierend auf der Anzahl der gescannten Palästinenser aus. Militäreinheiten, die wöchentlich die meisten palästinensischen Gesichter fotografieren, erhalten Belohnungen wie beispielsweise bezahlten Urlaub.

Das erklärt auch, warum einige Soldaten unbedingt darauf bestanden hatten, unsere Gesichter zu scannen, so als seien wir zwei besonders seltene und wertvolle Pokemons in Pokemon-Go. Und es erklärt auch, woher die Soldaten die Informationen hatten, um die italienische Aktivistin online stalken zu können.

Smile, You are on Camera!

Was uns auffällt, wenn wir uns in Hebrons Geisterstadt bewegen, ist nicht nur, wie menschenleer und still es ist, sondern auch, dass wir uns auf Schritt und Tritt beobachtet fühlen. Die Straßen sind voller Überwachungskameras, die an Gebäudewänden, Laternenpfählen, Überwachungstürmen und Dächern angebracht sind.

Alleine der schwer ausgerüstete Checkpoint 56, ist nach Zählung von Amnesty International mit mindestens 24 audiovisuellen Überwachungsgeräten und anderen Sensoren ausgestattet. Und die Zählung fand statt, bevor er mit dem vollautonomen KI-gesteuerten Maschinengewehr über dem Eingang ausgestattet wurde!

Wolf Pack: KI-Datenbank

Hebron-H2 wird vom israelischen Militär als „Smart City“ bezeichnet. Diese „smarte“ Überwachung basiert auf der umfangreichen Datenbank „Wolf Pack“, die alle verfügbaren Informationen über Palästinenser aus den besetzten palästinensischen Gebieten enthält, darunter ihren Wohnort, ihre Familienangehörigen und ob sie von den israelischen Behörden gesucht werden.

Auf dieser Datenbank laufen dann mehrere miteinander verwobene KI-Systeme, die in Hebron außerdem von dem oben genannten, dichten Netzwerk von Überwachungskameras (CCTV) mit Gesichtserkennungstechnologie gefüttert werden.

Die enormen Serverkapazitäten, die hierfür benötigt werden, wurden bisher von „Microsoft Azure: Cloud Computing Services“ zur Verfügung gestellt. Auf den Servern, die in den Niederlanden und zu einem kleineren Teil in Irland stehen, waren im Juli diesen Jahres 11.500 Terabyte an Daten des israelischen Militärs gespeichert – das entspricht etwa 200 Millionen Stunden Audioaufnahmen.

Unter anderem werden hier alle Anrufe aller Palästinenser etwa einen Monat lang in der Cloud vollständig gespeichert.

Quellen aus der Einheit 8200 (der IT-Einheit des Militärnachrichtendienstes) sagen dem Guardian zufolge, dass gespeicherte Informationen genutzt worden seien, Menschen zu erpressen, sie in Haft zu nehmen oder sogar ihre Tötung nachträglich zu rechtfertigen: „Wenn sie jemanden verhaften müssen und es keinen ausreichenden Grund dafür gibt, finden sie dort die Ausrede“.

Red Wolf: Checkpoints

An den Checkpoints in Hebron wird das Gesichtserkennungssystems „Red Wolf“ eingesetzt, das mit „Wolf Pack“ und „Blue Wolf“ verwoben ist.

Wenn ein Palästinenser einen Kontrollpunkt passiert, wird sein Gesicht ohne sein Wissen oder seine Zustimmung gescannt und mit biometrischen Daten verglichen. Der Soldat, der das Drehkreuz bedient, sieht dann eine Ampel – grün, gelb, rot.
Bei Rot kann der Palästinenser die Grenze nicht passieren.

Soziale Auswirkungen

Die palästinensischen Bewohner Hebrons berichteten Amnesty International, wie allgegenwärtige Überwachungskameras ihre Privatsphäre verletzen, wie Aktivismus unterdrückt und soziales Leben ausgehöhlt wird. Totalüberwachung vermittelt ihnen das Gefühl ständigen Ausgeliefertseins.

Neben der permanenten Bedrohung durch exzessive Gewalt und willkürliche Verhaftungen müssen sich Palästinenser nun auch mit dem Risiko auseinandersetzen, von einem Algorithmus verfolgt oder aufgrund von Informationen aus diskriminierenden Überwachungsdatenbanken am Betreten ihrer eigenen Viertel gehindert zu werden.

Youth Aganist Settlements gibt Workshops für die Menschen in Hebron, in denen sie über die KI-Überwachungsmethoden aufklären und über die (begrenzten) Möglichkeiten der Gegenwehr informieren.

Aus einem Gespräch mit Issa Amro wissen wir, dass Kameras zum Teil direkt auf Häuser der Aktivisten gerichtet sind, um jede Form von Versammlung, Zusammenkunft oder Familienleben zu unterbinden. Das Ziel scheint zu sein, die Palästinenser dazu zu bringen, sich so ruhig wie möglich zu verhalten, während nach und nach eine ethnische Säuberung stattfindet.

Die Menschen fangen an, verdächtige Freunde nicht mehr zu besuchen, um die KI nicht auf sich aufmerksam zu machen. Im letzten Workshop fragte eine Frau: „Können sie uns in unserem Schlafzimmer sehen?“

Auch weiß Issa zu berichten, dass gezielt nach „dunklen Geheimnissen“ wie Homosexualität, Schulden oder dergleichen gesucht wird. Dann wird versucht, diese Leute gezielt zur Zusammenarbeit zu erpressen.

Ein weiteres wichtiges Mittel der Überwachung scheinen Smartphones zu sein. Denn das israelische Militär reagiert vermehrt aggressiv auf die zunehmende Verwendung analoger Telephone in Hebron. Ein analoges Telephon zu benutzen kann zu einem längeren Verhör führen, in dem man gedrängt wird, doch ein Smartphone zu nutzen, um eine erneute Festnahme mit Verhör zu vermeiden.

Mehrere Aktivisten von YAS haben uns unabhängig voneinander erzählt, dass an Checkpoints und in Verhören versucht wurde, sie von der Nutzung von Smartphones zu „überzeugen“.

Erwähnten wir schon die Drohnen, die hier täglich herumfliegen?

Quellen: Amnesty International, The Guardian

Neben unseren eigenen Beobachtungen und dem Gespräch mit Issa Amro basiert dieser Blogbeitrag vor allem auf dem 2023 von Amnesty International veröffentlichten Bericht „Automated Apartheid“, in dem die Überwachungssysteme „Red Wolf“ und „Blue Wolf“ enthüllt wurden.

Auf diesem Bericht basiert dieser Artikel in The Guardian und dieser Artikel auf der Homepage von Amnesty International.

Die Informationen zu Microsoft Cloud Azure stammen aus diesem Artikel im The Guardian, wobei die Zeitung sich komplett auf die Recherche von +­972mag stützt. Eine Nachrichtenquelle zu Palästina und Israel, die wir übrigens nur empfehlen können.

Und sonst …

… als zöge sich eine schlinge zu

während michel sich mit schreiben über das aktuelle tagesgeschehen den streß und die anspannung von der seele schreibt und auch unsere kontakte mit infos versorgt, bin ich die „gonzo fraktion“ und berichte vom ganzen drumherum.

auch ich brauche ein ventil: katzen streicheln, küche machen und dekorativ mit offenen augen und ohren herumsitzen – das reicht nicht wirklich: es fühlt sich an, als zöge sich eine schlinge immer weiter zu.

diese kurzfristigen „closed militäry zones“, die spontan und jederzeit ohne begründung ausgerufen werden. immerhin haben wir dieses mal ein dokument und eine karte zu sehen bekommen.

die ablehnung, oliven ernten zu dürfen (allein schon, daß ein olivenhainbesitzer um ernteerlaubnis bitten muß) ist perfide und auch, dass die ablehnung nicht begründet wird der bauer soll sich mit einem „ist so“ zufrieden geben und weiß ganz genau: ab nächstem jahr gehört das land nicht mehr ihm und er weiß möglicherweise nicht, woher er geld zum leben für sich und seine familie nehmen soll.

das konsquente entfernen von mitstreiter/innen aus H2, europäischen wie palästinensischen, wobei die jungs von YAS hier sogar gemeldet sind und deswegen hier sein dürfen.

die zunahme der gewalt durch die siedler und deren dreistigkeit inklusive der wachsenden rigorosität der soldaten: den seitlichen teil unserer terrasse (der von der siedlung einsehbar ist), kann derzeit niemand mehr betreten ohne dass der wachsoldat einen laut und unfreundlich wegjagt – und möglicherweise eine razzia herbei ordert. währenddessen fallen die oliven mittlerweile von den bäumen und dienen den katzen als spielzeug.

das geht mir [bina] wirklich an die nieren und michel geht es auch so.

wenn ich morgens aufwache und nach einem meist erstaunlich netten traum realisiere, wo ich bin, habe ich sofort einen großen stein im magen, der tagsüber nicht verschwindet. es ist kein wunder, daß menschen im gebiet H2 herzinfarkte bekommen und magenbeschwerden haben.

nervennahrung

das sind die leckersten erdnussflips, die ich kenne. dagegen sind die heimischen wie trockene briketts: riesengroß, auf der zunge zergehend und mit sicherheit voll mit allem, was BASF und die nahrungsmittelchemie zu bieten hat. leider sind die packungen beklemmend klein und auch nur zu einem drittel gefüllt.

Schafschur

michel war mit seinen langen haaren bisher immer mehr als gut auszumachen. sei es für die soldaten, siedler oder die drohnen. ich bin mit meinen roten haaren und immer rock tragend auch gut zu erkennen, weshalb ich in zukunft einerseits öfter hosen tragen werde, und andererseits auf der terrasse eine dunkele kefiyye dabei haben werde, die ich mir über den kopf werfen kann.

ich werde mir bei nächster gelegenheit in H1 ein schwarzes tuch kaufen, das ist unverdächtiger. hoffentlich gibt es bald eine solche gelenheit. heute ging es für michel ans haareschneiden und jetzt sieht er aus wie: „michel war ein lausejunge aus nem dorf in schweden.“ aber so ein gutaussehender!

ganz schön viel arbeit!
es macht spaß …
… sieht aber ungewohnt aus.

so kurze haare hatte michel seit mitte der 1990er nicht mehr, und er sagt beim darüber streichen, es fühle sich dennoch ganz vertraut an.

der rasierer braucht erst mal pause, morgen ist der feinschnitt dran.

how to film

wir haben gestern von mohannad eine schnelleinweisung zum filmen von geschehnissen bekommen. das war mehr als hilfreich.

wie sollen wir die kamera halten (möglichst bewegungsarm mit beiden händen gegen wegnahme, dicht vor dem körper und im querformat), worauf achten wir, wenn wir aus den türluken heraus filmen (das gesicht nicht direkt vor die luke halten, es könnte von siedlern mit tränengas gesprüht werden), wie sollen wir beim filmen stehen (möglichst in einer ecke, mit blick auf die 2. person, die filmt, sodaß man schuß und gegenschuß hat) und was gehört nach möglichkeit in das filmchen, damit es verwertbar ist und als beweismittel taugt (beide seiten der auseinandersetzung).

mohannad macht es kurz, knackig und gut umsetzbar. ich muß ihn noch fragen, in welchem modus man am besten nachts filmt.

Habemus papam?

es sieht gefährlicher aus, als es ist. hier wird wohl müll verbrannt. das ist hier durchaus üblich. wir vermuten autoreifen, aber das wissen selbst die jungs von YAS nicht so genau.

issas katzen

eigentlich ein bild des friedens

issa freut sich sichtlich über die zutraulichkeit von lilith und erzählt, daß er vor dem 7. okt. 2023 drei kleine kätzchen bei sich aufgenommen hatte. die katzenmutter kümmerte sich nicht um sie, also hat er sie gefüttert und versorgt.

dann kam das massaker der hamas am 7. okt. 2023 und am 20. okt. wurde er aus seinem haus hinausgeworfen. er sagte noch zu den soldaten, sie mögen sich bitte kümmern und die katzen füttern, ließ extra die tür offen. die soldaten versicherten ihm, sie würden sich kümmern, er solle sich keine sorgen machen.

als er 16 tage später wieder in sein haus zurückdurfte, war die tür geschlossen und die kätzchen verhungert.

wir lernen: traue nie den worten von soldaten.

{mit Bestürzung behutsam redigiert von vS}

Razzia im Sumud

Rauswurf von Palästinensern und Italienerin

Am Freitag, den 24. Oktober, abends gegen 19:00 Uhr verschaffen sich israelische Soldaten Zugang zur Terrasse des Sumud-Zentrums.

Sie befehlen allen anwesenden Palästinensern – mit Ausnahme von Issa Amro – sowohl Haus und Terrasse als auch die Geisterstadt zu verlassen. Obwohl sie alle in der Geisterstadt oder sogar hier im Haus gemeldet sind. Anschließend nehmen sie die Italienerin (Gracia) mit, bringen sie zum Checkpoint und werfen auch sie aus der Geisterstadt raus.

Als Begründung liefern die Soldaten, dass das Haus ein einer „Closed Military Zone“ liege. Diesmal haben sie sogar eine schriftliche Verfügung nebst Karte der geschlossenen Zone dabei – zum ersten Mal seit wir hier sind. Die Zone soll bestehen vom 20. Oktober bis zum 27. November diesen Jahres, somit die gesamte Zeit der Olivenernte. Diese Zone umfasst nur die palästinensischen Olivenhaine in der Nachbarschaft. Alle Häuser liegen aber außerhalb der Zone. Auch das unsere: Das Sumud-Zentrum ist zwar von drei Seiten von der „Closed Military Zone“ umgeben, liegt aber selbst nicht darin.

Das Sumud-Zentrum liegt ein kleines Stücken rechts unterhalb der Kartenmitte: da, wo die Verbotszone an einer Stelle so schmal ist, dass sie nur ein schwarzer Strich ist.

Die Razzia und der Rauswurf sind also rechtswidrig, weil weder Haus noch Terrasse von der Verbotszone betroffen sind. Aber unter einem Regime ohne Rechtsstaat kann man nur schwer gegen Maschinengewehre anargumentieren.

Und wir? Wir waren kurz vorher im Haus verschwunden, weil sich schon vorher abzeichnete, dass es eine Razzia geben würde. Gracia war leider nicht so vorsichtig.

Das Vorspiel zur Razzia war, dass sich der wachhabende Soldat auf der Siedlerterrasse hinter uns über die anwesenden Palästinenser beschwerte und ankündigte, unsere Terrasse räumen zu lassen. (Sofern Michel das richtig mitbekommen hatte.)

Der Soldat, der die Razzia leitet, ist übrigens derselbe, der unsere kurzzeitige Festnahme und den Rauswurf aus der Geisterstadt am 4. Oktober befehligte (er hatte am Ende ja seine Vermummung abgenommen). Er war auch derjenige, der Mohammad Nadschi am Mittag des 7. Oktober auf der Terrasse festgenommen und – gemeinsam mit anderen Soldaten– krankenhausreif geschlagen hatte. Dann hatten sie Mohammad einfach auf der Straße liegen zu lassen.
Alle drei Aktionen sind selbst nach israelischem Recht illegal. Dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zufolge ist die gesamte Besatzung illegal – und damit schon die bloße Anwesenheit im Westjordanland.

Erneuter Olivendiebstahl

Am Nachmittag vor der Razzia hatten dieselben beiden Siedler-Teenager sich daran gemacht, die direkt vor dem Sumud-Zentrum wachsenden Oliven der Familie al-Natischa zu stehlen, die das auch schon letzen Freitag gemacht hatten (demnach vor genau einer Woche).

Wieder waren sie von einem Soldaten begleitet, der ihre Sicherheit gewährleistete.

Irgendwann haben die Siedler-Teenager dann aufgehört. Vermutlich war ihnen doch unwohl dabei, dass so viele Kameras auf sie gerichtet waren.

Die Polizei weigerte sich (wie üblich) zunächst auf Issas Anruf zu reagieren. Schließlich sagten sie doch zu, bei der Armee anzurufen. Diese hat daraufhin sofort den wachhabenden Soldaten außerplanmäßig ausgetauscht. Wäre die Polizei gekommen, hätte der neue Soldat sagen können, er habe nichts gesehen. Natürlich ist die Polizei nicht gekommen. Weil sie auch in diesem Fall kein Ermittlungsverfahren eröffnen wird. Wie in allen bisher von uns in diesem Blog dokumentierten Fällen.

Wasserleitung sabotiert

Nebenbei konnte Issa dokumentieren, dass die Wasserleitung zu unseren Nachbarn sabotiert wurde:

Wasser ist ein wichtiges Thema hier!

Wasser ist rationiert. Einem Siedler aber steht zehn Mal so viel Wasser wie einem Palästinenser zu. Eigentlich hat das Westjordanland viel Wasser. Immerhin ist es im Wesentlichen ein Gebirge, an dem sich die vom Mittelmeer kommenden Wolken abregnen: Das Sumud-Zentrum in Hebron liegt etwa 1.000 über Meeresspiegel.

Aber den Palästinensern ist das Graben von Brunnen verboten. Sie dürfen nur Zisternen anlegen, die jedoch oft Ziel von Siedlerattacken sind. Der Wasserreichtum des Westjordangebirges wird nach Israel umgeleitet. Die palästinensischen Städte können so ihr Wasser nur zu erhöhten Preisen von der israelischen Wassergesellschaft kaufen, welche die meisten Brunnen im Westjordanland kontrolliert.

{Text behutsam redigiert von vS}

Olivenernte verboten!

Armee verbietet Ernte in Hebron-H2

Die israelische Armee hat verkündet, dass die Olivenernte dieses Jahr im gesamten Gebiet Hebron-H2 komplett verboten sei. Hebron-H2 ist der Teil der Stadt Hebron, der vollständig unter Kontrolle der israelischen Armee steht. Er macht etwa ein Fünftel des Stadtgebietes aus, ist damit ca. 15 Quadratkilometer groß und enthält die Machpela, die israelischen Siedlungen, die UNESCO-Weltkulturerbe-Altstadt Kasbah sowie dicht besiedelte Nachbarschaften. Und vor allem auch viele kleine und große Olivenhaine.

Hunderte oder tausende Olivenbäume sind vom Ernteverbot betroffen.

Dies ist das dritte Jahr in Folge, in dem das israelische Militär die Olivenernte in H2 komplett verbietet. Eine gesetzliche Regelung unter diesem Apartheidsregime bestimmt, dass eine landwirtschaftlich genutzte Fläche an den Staat fällt, wenn der palästinensische Besitzer sie drei Jahre in Folge nicht beerntet. Der israelische Staat gibt die Fläche dann normalerweise an die Siedler, die vorher durch Gewalt und Schikane dafür gesorgt hatten, dass Palästinenser nicht ernten konnten. Für uns ganz offensichtlich geschieht das alles in Zusammenarbeit und mit Unterstützung des israelischen Staates und der Armee!

Die mehr als begründete Befürchtung ist natürlich, dass genau das hier beabsichtigt ist und passieren wird. YAS und einige betroffene Olivenbauern versuchen nun gerichtlich gegen das Ernteverbot vorzugehen. Da es hier aber keinen Rechtsstaat gibt – wie ein hoher deutscher Diplomat sich ausdrückte – werden die Erfolgsaussichten vor Gericht massiv vom Grad des internationalen Drucks abhängen.

Knafeh essen gehen 🙂

Am Donnerstagabend war das Sumud-Zentrum endlich einmal gut besetzt. Es waren relativ viele Aktivisten von YAS da, weil das Wochenende hier am Donnerstagabend beginnt. Darüber hinaus nahmen auch internationale Freiwillige aus den USA, Italien und Deutschland teil (wir selbst). Es ermöglichte uns eine kurze Auszeit zu nehmen, um im lebendigen Teil der Stadt Knafeh essen zu gehen.

binas Gesichtsausdruck sagt: „Ich will nicht auf das Foto warten! Ich will endlich essen!“ Während Michel solche Benimmregeln in seiner Gier offensichtlich ignoriert …
„Problem im Stadtbild“? (Deutsche Debatte über Kanzler-Satz im Oktober 2025): Hier sind es die Siedler und Soldaten, die an diesem Abend – zum Glück – auf der anderen Seite der Checkpoints bleiben.

Nachtwachen 🙁

In der Nacht steht leider eine Nachtwache an, weil am späten Abend Siedler, die uns vor zwei Wochen angegriffen hatten, wieder auftauchen und ein halbes Dutzend von ihnen bis morgens um 5 Uhr, Party auf der Siedler-Terrasse direkt hinter dem Sumud-Zentrum machen. Die Terrasse, auf der der Wachsoldat postiert ist und von der aus man die Stromleitungen der palästinensischen Nachbarn so gut sabotieren kann.

Und auch kommende Nacht werden wir wieder Wache schieben. Obwohl Schabbat ist und es dann normalerweise ruhig bleibt. In dieser und in den folgenden Wochen wird in der Synagoge „Chaje Sara“ gelesen. Das ist der Teil des Alten Testaments, in dem Abraham die Doppelhöhle Machpela in Hebron für 400 Silberstücke als Erbbegräbnisstätte vom Hetiterfürsten Efron kauft (Genesis 23.1-25.18): Die Siedler neigen dazu, diesem Erbanspruch anschließend mit Gewalt Nachdruck zu verleihen.

Fun Fact zum Erbanspruch

Eine groß angelegte genetische Untersuchungen im Jahr 2023 ergab, dass die heute hier lebenden Palästinenser genetisch gesehen zu erstaunlichen 87% die Nachfahren der Menschen sind, die hier vor 4.400 Jahren lebten, also in der Bronzezeit, und deren Nachfahren hier immer gelebt haben.
[Quelle: „The Genomic History of the Bronze Age Southern Levant“]

David Ben-Gurion (Israels erster Premierminister) und Yitzhak Ben Zvi (zweiter Präsident Israels), lagen also richtig, als sie im 1918 veröffentlichten Buch „The Land of Israel in the Past and the Present“ vermuteten:

Die palästinensischen Bauern stammen von alten jüdischen Bauern ab, den „Am ha’aretz” (Menschen des Landes), die nach den jüdisch-römischen Kriegen und trotz der darauf folgenden Verfolgung wegen ihres Glaubens, weiterhin das Land bewirtschafteten. Während die wohlhabenderen, gebildeteren und religiöseren Juden das Land verließen und sich den Zentren der Religionsfreiheit in der Diaspora anschlossen, konvertierten viele der Zurückgebliebenen zunächst zum Christentum und dann zum Islam.

Wenn unten in der Machpela also wirklich mumifizierte Leichen liegen, es sich dabei tatsächlich um Abraham und seine Familie handelte und man gentechnisch den nächsten noch lebenden Nachfahren ermitteln könnte: Dann wäre es nicht abwegig zu vermuten, dass dies ein palästinensischer Bauer aus der Gegend ist, der in diesem Jahr seine Oliven nicht ernten darf.

{Text behutsam redigiert von vS}

Verbannung, Sabotage, Visa

Mohammad verbannt!

Heute wurde Mohammad Natschi auf Dauer („for ever“) aus der Hebroner Geisterstadt verbannt!

Das ist für das Sumud-Zentrum ernst und gefährlich. Denn Mohammad ist die Person, die fast jeden Tag rund um die Uhr im Sumud-Zentrum war. Er ist hier gemeldet. Und wenn Issa weg war, um Öffentlichkeitsarbeit zu machen, um Politiker zu treffen und so weiter, dann war Mohammad hier und hat das Haus bewacht. Das hat er schon vor dem 7. Oktober 2023 gemacht. Aber insbesondere danach war er ein wichtiger Grund, warum das Haus bisher trotz allem überlebt hat.

Am 7. Oktober 2023 ist Mohammad Natschi genau wie Issa Amro von Siedlern und Soldaten entführt und stundenlang gefoltert worden. Und in diesem Jahr ist er am Jahrestag seiner Folter von Soldaten mitgenommen, zusammengeschlagen und auf der Straße liegen gelassen worden. Wir berichten davon im Beitrag „Überfälle von Soldaten und Siedlern“.

Issa Amro war heute eine Stunde lang mit Mohannad am Checkpoint, um zu erreichen, dass sie ihn reinlassen. Aber es war nichts zu machen! Die Entscheidung kam von ganz oben, vom „Hebron District Command“. Ohne Angabe einer Begründung oder einer Rechtsgrundlage.

Noch gestern Abend hat Issa mit uns darüber geredet, dass die Soldaten die Aktivisten von YAS gezielt schikanieren und versuchen, sie aus der Geisterstadt und dem Sumud-Zentrum heraus zu halten. Um ihn und das Haus zu isolieren und verwundbar zu machen. Die heutige Verbannung von Mohammad Natschi gibt ihm offensichtlich Recht. Und das ist für ihn, YAS und das Sumud-Zentrum wirklich gefährlich.

Es war Sabotage!

Die beiden Stromausfälle, über die wir inm letzten Blogeintrag berichten, waren doch Sabotage!

Die Siedler haben in beiden Fällen vom Rande ihrer Terrasse hinter dem Sumud-Zentrum aus die Strom-Hauptleitung kurzgeschlossen. Die Stelle, an der sie es gemacht haben, ist von ihrer Terrasse aus gut mit einer Stange zu erreichen. Ja, von der Terrasse aus, auf der rund um die Uhr immer mindestens ein Soldat Wache schiebt.
Von uns aus war das aber nur einsehbar von einem Bereich, den man kaum betreten kann, weil einen dann sofort der Wachsoldat im Blick hat, bedroht und verscheucht.

Sie haben Kurzschlüsse verursacht. Und weil es dreiadriger Drehstrom ist, hat der Adernkontakt beim ersten Mal zu den Spannungsspitzen geführt, die unsere Geräte haben abrauchen lassen.

Es ist übrigens keineswegs das erste Mal, dass Siedler die Hauptstromleitung ihrer palästinensischen Nachbarn sabotieren. Einmal haben sie den Strom an vier Nächten in Folge ausfallen lassen: Immer durch Sabotage an derselben Stelle, direkt vor dem wachhabenden Soldaten! Oder zusammen mit dem Soldaten?

Habemus Visa!

Die Auskunft unserer Anwältin und des Deutschen Vertretungsbüros in Ramallah sind eindeutig: Unsere aktuellen Visa sind vom Widerruf unserer ETA-ILs nicht betroffen (Zumindest mit sehr, sehr großer Wahrscheinlichkeit…) Der Entzug der ETA-ILs verhindert nur, dass wir nicht wieder einreisen können, sobald wir einmal ausgereist sein werden.

Und sonst?

Alles ruhig, nur das Übliche: Heute Abend war mal wieder ein Trupp Soldaten an der Tür und wollte wissen, wer sich alles im Haus aufhält. Und es gab heute nur ein einziges Mal Drohnenalarm: Das ist ungewöhnlich wenig.
Ach ja, und gestern war eine Delegation schwedischer Diplomaten mit einer Führung von Breaking the Silence da. Im Orient nichts Neues… 🙂

{Text behutsam redigiert von vS}

Stromausfälle und Ausflug

Sonntag-Dienstag (19.-21.10.)

so langsam schleicht sich hier eine art routine ein.

es ist klar, wer wann in etwa kommt und unser haus mit beschützt. mohammad bringt immer irgendwas vom laden mit. meist pita, weil mittlerweile klar ist, dass wir dies wunderbare brot quasi wegatmen. aber auch kleine quarkpuddings, die wie ein pflaster für unsere eigentlich dauerhaft angespannten nerven sind.
und wenn wir auch manchmal das gefühl haben, wir machten mehr mühe als dass wir nützlich wären, sind das die kleinigkeiten, die uns zeigen, dass wir gern gesehen und unsere anwesenheit hier für die palästinenser wertvoll ist.

wir machen oft keine richtigen nachtwachen, trotzdem klingelt der wecker um 01.00h und wir sind bis 03.00h halbwegs wach, falls wir nächtlichen besuch bekommen. wir schlafen halb angezogen, sicherheitshalber. aber es bleibt ruhig.

tagsüber sitzen wir viel auf unserer bank an der hauswand (nur bei drohnenalarm gehen wir schnell rein), ich wasche ein paar sachen durch oder scheuere die küchenschränke aus, die es dringend nötig haben.

Was für eine Nacht!

der wassertank auf dem dach war leer und es läuft nun den halben tag lang bis in die nacht hinein eine pumpe auf der terrasse unter unserem fenster. zudem neigt sich das gas dem ende zu und wir müssen damit ein bisschen sparen. die küche bleibt kalt. wir sind gespannt, wie ersatz herangeschafft wird (wie sich später herausstellt: ganz einfach, die 2. flasche auf der treppe ist noch voll!). irgendwann macht mohammad die pumpe aus und wir hören vom dach wasser tröpfeln und rinnen (er hat wohl zu viel reingepumpt).

um 01.00h klingelt wie gewohnt unser wecker und dann fängt gegen 02.00h das licht an zu flackern. die kabelverbindungen britzeln und beginnen zu rauchen, genau so wie eine steckdose und die neonröhre in unserem zimmer. dann gibt es ein paar funken und alles ist dunkel.
na klar, kurzschluß wegen des rinnenden wassers, denken wir erst, aber letztlich sind es spannungsschwankungen, wie wir sie in deutschland nicht kennen. zwei ladekabel schmoren durch und eine der neonröhren im zimmer. gott sei dank haben wir keine geräte zum aufladen am kabel.

aber im sekundentakt piept der stromzähler neben uns im flur und meldet fehler.
der schlaf bleibt dünn.

Sabotage der Hauptstomleitung?

So, 19.10:
tagsüber haben wir dann wieder elektrizität, aber mit dem laden von unseren geräten sind wir mehr als vorsichtig und lassen sie derweil nicht unbeaufsichtigt.

eine attacke oder sabotage durch die siedler oder so? eher nein, sonst hätten wir in der nacht noch ‚besuch‘ bekommen. außerdem ist hier in der geisterstadt und in H2 alles irgendwie improvisiert. hinein dürfen nur palästinensische menschen, die hier gemeldet sind: nur mit glück wohnt hier auch ein handwerker. deshalb sind die leute von YAS auch so wichtig und willkommen, denn sie helfen den menschen im alltag und bei reparaturen.
es würde uns wundern, wenn die stromleitungen irgendeiner norm entsprächen.

Fast jeder der Aktivisten von YAS hat ein anderes Handwerk gelernt. Als mobiler Reparatur- und Bautrupp wären die bei uns in Deutschland der Hammer!

in der nächsten nacht haben wir wieder keinen strom. diesmal sind aber keine schäden zu beklagen und hammad stellt auch den stromzähler stumm.

nicht nur unser haus ist dunkel. die palästinensischen häuser in der umgebung sind alle dunkel. nur der israelische wachposten auf dem haus nebenan hat wie üblich seine stadionbeleuchtung an und die siedler oberhalb von uns haben auch licht.

hammad vermutet, dass diesmal die palästinensische hauptstromleitung mutwillig gekappt wurde – von den üblichen verdächtigen …

Für diese Hypothese spricht auch, dass Siedler und Soldaten mitten in der Nacht bereitstehen, um Reparaturversuche der Palästinenser zu unterbinden.

Ausflug in die Stadt am Montag (20.10.)

trotz allem müssen wir heute in die stadt zum einkaufen. wir brauchen einiges. vor allem einen bankomaten.

über einen checkpoint hinaus zu kommen ist kein problem, eine kontrolle findet nicht statt. den weg dorthin bestreiten wir zügig. nur nicht unnötig aufmerksamkeit erregen.
dann der lärm der stadt, die vielen menschen, die farben, die gerüche, das chaos einer nahöstlichen stadt … wie gut das tut!
und auch die wärme. in der stadt ist es immer noch sehr warm, während bei uns oben ständig ein kühlerer wind weht.

michel kauft sich neue schuhe in einem größeren laden. zwei verkäufer überschlagen sich fast, beschäftigen einen dritten hinten im lager, ich werde auf einen hocker genötigt, es gibt erst mal kaffee. das am häufigsten verwendete wort ist : shwayy shwayy (langsam langsam, immer mit der ruhe).
michel findet was er braucht und zahlt umgerechnet unter 20 € für zwei paar schuhe.

eine drogerie macht mit uns ehrliche geschäfte und mich mit hautmilch glücklich, ein straßenhändler freut sich, dass er uns drei bund frischer pfefferminze verkaufen kann.
von einem hühnerfleisch-händler werden wir übers ohr gehauen, denn er nimmt uns für zwei größere packungen geschnittenes fleisch, was für die katzen sein soll, fast 20 € ab.
das lehrt uns VORHER nach dem preis zu fragen und dann auch weiter zu gehen, wenn wir nicht einverstanden sind.

vielleicht hätten wir doch eine gasse weiter auf dem hühnermarkt kaufen sollen …

in dem elektroladen ersteht michel eine weitere stirnlampe, die eher ein scheinwerfer ist. sie kostet 10 €.
dafür ist in dem kleinen lebensmittelladen, in den wir hineinschneien, der spendierte kaffee ausgesprochen lecker.

nun noch äpfel und limo und chips an verschiedenen ständen erstehen und die hiesigen, superleckeren erdnussflips. einen weiteren kaffee schenkt uns der souvenierhändler im shouk, wo wir unsere kuffiyyes kauften und jetzt auf einer bank davor sitzen.
wir sollten unsere favorisierten geschäfte nach der qualität ihres angebotenen kaffees aussuchen!

wir beschließen, durch den checkpoint an der machpela zu gehen. der wird von vielen touristen genutzt und auf touri machen können wir ja.
erst mal werden wir zusammen mit einem gehörlosen palästinenser eine halbe stunde davor stehen gelassen, bis die wachposten merken, dass nicht nur er da ist, sondern auch touristen.

Der Checkpoint an der Machpela (dem angeblichen Grab Abrahams und seiner Familie). Vor uns wartet ein Gehörloser auf Durchlass. Versucht auf sich aufmerksam zu machen. Aber die Soldat*innen machen sich einen Spaß daraus, ihn zu ignorieren.

sie lassen sich lediglich unsere pässe zeigen und wollen nur wissen, wohin wir wollen.
„zum bus richtung jerusalem.“ neiiiin, wir seien weder juden noch moslems, sondern christen. „zur moschee????? ach, was sollen wir da??????

Was mich aufregt: Erst machen die Soldat*innen sich eine halbe Stunde lang einen Spaß daraus, einen gehörlosen Palästinenser zu ignorieren. Und anschließend wollen sie von uns hören, wie toll wir Israel finden. Sie haben doch gemerkt, dass wir mitbekommen hatten, wie sie vorher den gehörlosen Mann behandelt haben. So lange, bis sie realisierten, dass hinter ihm „Touristen“ stehen. (Die schlimmsten Mobber, die ich in meinen Schulklassen hatte, hatten mehr Gerechtigkeitsempfinden und Empathie.)

Gleich hinter der Machpela sehen wir diese geschlossenen Läden und es zerreißt uns das Herz.

es ist traurig, die geschlossenen läden von achbed, seinen kollegen nebenan und der töpferei zu sehen. sie waren 2017 immer ein sumud-bollwerk und ein bunt-lebendiger fleck auf dem weg über die shuhada street. wenigstens ist die töpferei „nur“ in den shouk in H1 umgezogen. So sah es hier damals aus:

Sein Haus, das diese zwei Läden und drei dahinter liegende Apartements beherbergt, liegt am strategisch wichtigsten Punkt Hebrons.

Im Januar 2018 hatten wir unter dem Titel: Der 100-Millionen-Dollar-Mann über Ahbed und seinen Laden geschrieben: „Er hat sich weder durch Gewalt und Schikane vertreiben, noch kaufen lassen.“ – Leider haben sie ihn und seine Familie offensichtlich im Laufe der Jahre und der zunehmenden Brutalisierung und Enthemmung der Siedler und Soldaten doch klein gekriegt.

wir gehen durch die neue apardheitstraße, von der wir ja schon erzählten, beschäftigen die soldaten am nächsten checkpoint mit fröhlichen fragen nach der abrahamsquelle und wie die auf hebräisch heißt. (‚mayyan avrahim‘. wasser heißt auf arabisch mayy.)
es funktioniert und wir werden nicht weiter aufgehalten. die einzige schwierigkeit für uns ist, kein arabisch zu radebrechen, sondern die drei worte hebräisch rauszulassen, die wir können.

Die Shuhada Street ist für Palästinenser komplett gesperrt – auch für diejenigen, die hier wohnen: sie müssen ihre Häuser von hinten über die Dächer der Nachbarn betreten. Siedler haben sie in die, hebräisch, „König-David-Straße“ umbenannt (was leider sogar google.maps mitmacht). Dann sehen wir dieses Schild:

was für eine infame, wahrheitsverdrehende schönfärberei! im englischen gibt es dafür das wort ‚spinning‘

wir gehen durch die tote shuhadastreet und ich versuche, mich mit großen begeisterten blicken umzuschauen. nicht, dass es etwas schönes zu sehen gäbe (die verschweißten, einsamen läden, in denen so viel leben herrschen könnte, sind kein schöner anblick), aber so bleibe ich im touristenmodus.

Wir schrieben ja, dass es für die Palästinenser in der Geisterstadt unmöglich ist, im Notfall einen Krankenwagen kommen zu lassen. Hinten im Bild sieht man zwei von drei Krankenwägen, die wir auf der Shuhada Street gesehen haben. Sie stehen dort rund um die Uhr bereit, nehmen aber nur Juden mit.

an der abrahams quelle machen wir sicherheitshalber ein foto und falls wir von soldaten angesprochen werden: wir sind auf dem weg zu den ausgrabungsstellen in tel rumeida.

Man beachte die Fantadose (Bildmitte links), die ein Siedler oder Soldat in die heilige Quelle geworfen hat. Die Palästinenser meiden diesen für sie gefährlichen Ort.

aber wir werden in ruhe gelassen und machen noch dieses foto:

der baum ist übrigens gut und gern 2000 jahre alt

das sumud ist schon in sicht, umm temer (mutter von temer) öffnet schnell die tür und wir sind wieder in sicherheit.
hammad lacht sehr über unsere schilderung der heimkehr und schüttelt verwundert den kopf.

mittlerweile ist auch europäische verstärkung gekommen. gracia aus italien hat es hierher geschafft, nachdem sie bei der einreise vier stunden lang in eilat interviewt worden war und dann auch noch am checkpoint festgehalten wurde.

hammad kann mit einer gruppe elektriker die angeschnittenen stromkabel zumindest zum teil reparieren. allerdings wird er erst von einem soldaten und einem siedler daran gehindert. es konnte auch nicht alles repariert werden, sondern nur ein kabel. jetzt gibt es zwar wieder strom, aber noch nicht genug.

eine jüdische besuchergruppe macht mal wieder eine besichtigungstour. wir würden zu gern mal einer beiwohnen, damit wir erfahren, was so erzählt wird. sie benehmen sich irgendwie wie kauf-interessenten auf einem baugrundstück, denen das gelände fast schon gehört.

wir halten wieder aktiv nachtwache. mohammad wurde nicht hineingelassen, hammad muß irgendwann auch mal nach hause. er hat schließlich frau und kinder.
so sind wir also nur zu dritt.
aber die nacht bleibt ruhig und wir sind froh, dass wir dies immer wieder schreiben dürfen.

In den Checkpoints, durch die man in die Geisterstadt kommt, sind Schikanierungen die Regel, nicht die Ausnahme. Die Italienerin musste zweimal durch, und wurde zweimal je eine dreiviertel Stunde festgehalten und befragt. Und jetzt stalken die Soldaten sie auf Linkedin … und so weiter. Hamad haben sie heute früh auch eine halbe Stunde festgehalten und befragt. Es ist eine Nachricht, wenn jemand mal keine Schikane erlebt.

{Text behutsam redigiert von vS}

Olivendiebstahl

Closed Military Zone

Der Donnerstag (16. Oktober) verläuft weitgehend unauffällig. Drohnen, Soldaten und Siedler, aber nichts davon betrifft uns und das Sumud-Zentrum direkt. Die Deutsche Botschaft in Tel Aviv schickt ihrer Beschwerde in unserer Sache ans israelische Außenministerium eine Erinnerung hinterher, weil die Israelis sich mit ihrer Reaktion so viel Zeit lassen. Das scheint in Diplomatenkreisen unüblich zu sein.

Am späten Nachmittag erfahren wir dann von Issa Amro, dass das Haus zum geschlossenen Militärgebiet erklärt wurde (Closed Military Zone). Schon wieder! Dieses Mal bis 17:00 Uhr des folgenden Tages. – Also müssen wir wieder einmal dafür sorgen, dass wir von den Soldaten nicht gesehen werden. Nur die hier gemeldeten Bewohner des Hauses dürfen hier sein.

Breaking the Silence

Am Freitagmittag besucht dann eine geführte Gruppe von Breaking the Silence das Sumud-Zentrum. Zwölf jüdisch israelische Student*innen, die von Yehuda Shaul eine Führung durch die Geisterstadt von Hebron bekommen. – Zunächst will der Soldat, der plötzlich vor der Tür steht, sie nicht ins Haus lassen, weil es ja eine „closed military zone“ ist. Dann läßt er sie doch durch. Vermutlich, weil es alles jüdische Israelis sind, weil die Tour angemeldet ist, und sie eine offizielle Gemehmigung haben.

Viele der israelischen Studenten scheinen zum ersten Mal in ihrem Leben einem Plalästinenser zuzuhören. Ihm wirklich zuzuhören, was er erlebt hat, was Besatzung und Apartheid für ihn bedeuten.
Anschließend brechen wir (wortwörtlich) das Brot miteinander, die Israelis stellen Fragen, und Izzat antwortet.
Als die Gruppe aufbricht, nutzen bina und ich die Gelegenheit für ein Promi-Selfie mit Yehuda Shaul. Dem Gründer von Breaking the Silence.

Olivendiebstahl

Etwa eine halbe Stunde später ist plötzlich Alarm. Soldaten an der Tür, mindesten 6 Mann.

Mohammad Amro und Izzat haben die Polizei angerufen, weil Siedlerkinder Oliven von den Bäumen der palästinensischen Nachbarn stehlen. Statt der Polizei kommt die Armee, welche den beiden nicht glaubt. Aber sie haben es gefilmt:

Natürlich lassen die Soldaten die Siedlerkinder unbehelligt. Statt dessen erklären sie den Olivenhain vor dem Sumud zur „Closed Military Zone“ und nehmen Mohammad und Izzat mit. Die Siedlerkinder feixen sich derweil einen.

Zum Glück werden Mohammad und Izzat nur zum Checkpoint geleitet und aus der Geisterstadt rausgeschmissen. (Eigentlich ist das illegal, weil sie ja hier im Haus gemeldet sind. – Aber so etwas wie Gesetze scheint die Soldaten hier schon lange nicht mehr zu interessieren.)

Mohammad (der andere Mohammad – der, den die Soldaten vor einer Woche krankenhausreif geprügelt haben) und wir verstecken uns im Haus, um nicht auch rausgeschmissen zu werden und das Sumud-Zentrum schutzlos zurück zu lassen.

Gegen 17:00 Uhr hören wir Schüsse (kurze Salven und Einzelschüsse). Wir vermuten, dass die Siedler in die Luft schießen, damit ja kein Palästinenser den Kopf rausstreckt, während sie deren Oliven klauen. Denn die Überwachungskamera über dem Eingang des Sumud-Zentrums zeigt, wie sie die Oliven von den Bäumen direkt vorm Eingang stehlen. – Zumindest zum Teil. Denn sehr weit kommen sie nicht, weil kurz danach der Shabbat anfängt. Und da ist alle Arbeit verboten. Einschließlich des Stehlens von Oliven.

Blinder Fleck deutscher Medien

Dadurch, dass wir deutschsprachige, englischsprachige und zum Teil (mit Übersetzungsprogramm) hiesige Medien verfolgen, fällt uns auf, wie groß der Blinde Fleck ist, den deutsche Medien in Bezug auf Israel haben.

Ich nenne hier nur zwei Beispiele, für die ich als Quelle The Guardian anführen kann. Meiner Meinung nach, eine der besten und vertrauenswürdigsten Zeitungen der Welt.

Israel erschießt trotz Waffenstillstand Zivilisten:
Am Montag, dem 13. Oktober, war in deutschen Medien zu Recht viel über die 20 Geiseln zu lesen, die die Hamas an diesem Tag frei gelassen hat. Aber es war nichts darüber zu erfahren, dass die Israelische Armee alleine am Vormittag mindestens 10 Zivilisten im Gazastreifen erschossen hat. In zwei separaten Vorfällen hat Israels Militär 6 Menschen erschossen, die ihm zu nahe kamen. Und 4 Menschen wurden von einer Drohne erschossen, als sie bei der Rückkehr ihre Häuser inspizierten. [Quelle]

Man stelle sich die Bereichterstattung vor, wenn die Hamas trotz Waffenstillstands 10 israelische Zivilisten erschossen hätte!

Hinweise auf Folter & Hinrichtung palästinensischer Gefangener:
Israel gibt für jede Leiche einer Geisel, die die Hamas zurückgibt, 15 Leichen von palästinensischen Gefangenen zurück. The Guradian schreibt über die ersten 90 palästinensischen Leichen die übergeben wurden (Deepl-übersetzt):

„„Fast alle hatten verbundene Augen, waren gefesselt und hatten Schusswunden zwischen den Augen. Fast alle waren hingerichtet worden“, sagte Dr. Ahmed al-Farra, Leiter der Kinderabteilung des Nasser-Krankenhauses.

„Es gab auch Narben und verfärbte Hautstellen, die darauf hindeuten, dass sie vor ihrer Ermordung geschlagen worden waren. Es gab auch Anzeichen dafür, dass ihre Leichen nach ihrer Ermordung misshandelt worden waren.““ [Quelle]

Die Angaben der Krankenhäuser und Ärzte in Gaza haben sich in den vergangenen Gaza-Kriegen immer als sehr zuverlässig erwiesen!

VORSICHT: Der Link am Ende dieses Absatzes führt zum Foto einer der von Israel zurückgegebenen Leichen eines palästinensischen Gefangenen. Man sieht die Abdrücke der Kabelbinder an Hand- und Ellenbogengelenken, die Augenbinde hängt noch um den Hals, Hautabschürfungen und ähnliches sind zu sehen. Ein Bild das Alpträume macht.
Hier der LINK!

The Guardian schreibt dazu:
„The graphic images, seen by the Guardian, show bodies with plastic restraints visible around their wrists, consistent with being bound before death. Photos depict prisoners who appear beaten, bruised and blindfolded, with fabric still wrapped tightly around the heads of some of the deceased.
The release of the photographs follows earlier Guardian reporting in which Palestinians freed from Israeli prisons described severe mistreatment, including beatings, binding and exposure to extreme conditions during detention“

Amnesty International Petition

An dieser Stelle bitten wir euch die Petition von amnesty international: „Menschen in Gaza retten, Genozid stoppen!“ zu unterschreiben!
Vielen Dank!

Alltag?

Di & Mi, 14. & 15. Okt.

wir schlagen immer noch reichlich zeit tot.
sitzen viel wie ein altes ehepaar auf unserer bank unter dem olivenbaum, lächeln die anderen aktivisten an, die an uns vorbei gehen in ihrem tun.
die katzen gesellen sich zu uns, wenn sie möchten und wir freuen uns, wenn sie gestreichelt werden wollen. wir lesen, surfen im internet, ich versuche zu stricken. zum arabisch lernen fehlt uns die konzentration. ab und zu kommt jemand vorbei und schenkt uns tee oder kaffee ein.

wir haben immer ein ohr auf die tür rechts von uns, auf den soldatenposten links hinter dem haus und auf eventuelles drohnengesirre über uns.
gestern nacht war der himmel voll davon. manche sausten herum und manche standen am himmel wie der stern von bethlehem.

die finden wir wirklich unangenehm. nicht körperlich, aber emotional. dies gefühl, beobachtet zu werden von einer maschine, während irgendwo in einer militärbasis ein soldat hockt und die bilder anschaut. er kann nah heran und zurück zoomen, von rechts oder links schauen und man hat kein gesicht zu der person. aber er weiß, was wir frühstücken.

ein vorteil: wir wissen, dass sie nicht schießen werden, im gegensatz zu anderen drohnen in gaza.

Blinkende Drohnen bei Nacht. Nur die größeren, die höher fliegen, haben Positionslichter. Die kleineren, die dichter an uns dran sind, haben sie nicht.

simrath torah, ein weiterer jüdischer feiertag, ist in der nacht in vollem gange, wir hören von unten vom vorplatz der machpela musik und die siedler tanzen die ganze zeit mit der torah, wie es an diesem festtag brauch ist.

dienstag morgens hieß es, dass die wiederholte gefahr auf nächtlichen stress mit siedlern, ziemlich hoch sei. deshalb sind wir eher angespannt, als muhammad und mohannad nach hause gehen und wir allein sind. issa ist noch auf einem nachträglichen festakt zum tag der deutschen einheit im deutschen konsulat in ramallah. wann er kommt, ist ungewiss.

als er endlich auftaucht und hält issa keine nachtschichten für nötig. die siedler sind wohl doch zu sehr mit ihrem feiern beschäftigt. er stellt uns sogar in aussicht, dass wir uns morgen ruhig in die stadt hinunter trauen könnten. so gehen wir fröhlich zu bett.

in einem unserer kurzen ausflüge auf den vorderen teil der terrasse machen wir diese fotos:

das sind israelische miliärposten in H1, die dort gar nicht sein dürften. in H1 hat das israelische militär eigentlich nichts zu suchen. das ist der machtbereich der palästinensichen autonomie-behörde. aber die armee interessiert das nicht.
diese posten hätten eigentlich mit dem 1997
unterschriebenen hebron-abkommen abgebaut werden müssen, aber die armee hat sich nicht daran gehalten, denn sie stehen strategisch äußerst günstig auf bergen innerhalb hebrons.

hebron liegt in einem sehr engen tal. unten in H1 ist gerade mal platz für zwei schmale straßenzüge, bevor es rechts und links wieder die hänge hinauf geht.
von dort oben können die posten die ganze stadt überblicken und natürlich auch kontrollieren.

am mittwoch morgen fängt der tag – eigentlich wie immer – mit gemütlichem frühstück an. issa trinkt einen tee mit uns, die katzen kommen zum schmusen und wir freuen uns an dem immer noch recht warmen wetter.

mittags kommt eine gruppe britischer diplomat*innen zum sumud-zentrum hinauf. sie haben eine walking-tour mit ‚breaking the silence‘ gemacht und lassen sich hier oben von izzat erzählen, wie sich das leben in hebron für palästienser anfühlt und was das YAS und das sumud-zentrum sind.
‚breaking the silence‘ ist eine organisation ehemaliger soldaten, die den mut aufbringen zu veröffentlichen und zu erzählen, was sie während ihrer zeit in der israelischen armee gemacht haben. das bedeutet für sie viel, denn sie werden von vielen seiten angegriffen. die regierung versucht ihre arbeit zu behindern, für die armee sind sie verräter und wir wissen von einigen, deren gesamte familie sich von ihnen losgesagt haben, weil sie ihr tun öffentlich machen.

Links (mit Kippa) der ehemalige Soldat, der die Gruppe herumführt. Geradeaus sitzt Izzat, der erzählt. Die britischen Diplomat*innen hören gebannt zu, stellen anschließend neugierige Fragen, und werden hoffentlich dafür sorgen, dass das Vereinigte Königreich eine bessere Nahostpolitik macht.

für uns ist dieser besuch eine willkommene abwechselung.

aber kaum, dass die gäste wieder verschwunden sind, müssen wir im haus verschwinden, weil soldaten an die tür schlagen.
aufstehen, sachen vom tisch mitnehmen und schnell und leise im haus verschwinden, ist mittlerweile eine bewegung. dann noch leise die küchentür und unser zimmer von innen abschließen, das licht ausmachen und am fenster lauschen, was geredet wird.
dieses mal wird nach ‚internationalen‘ und nach frauen gefragt und es heißt, es stünden an die 50 soldaten um das haus herum. sie lassen sich abwimmeln. issa wird informiert und meint, die sind auf irgendeiner übungstour, zeigen präsenz und belästigen palästinensische nachbarn.
50 soldaten, 50 std. arbeitszeit … was für ein geldverbrennen!


Und dazu noch die Drohnen, die dieses Aufgebot begleiten und ums Haus schwirren.

die spinnen, die israelis!!!!!

a pro pos „palästinenser belästigen“: unten an der machpela gibt es wieder eine apartheitsstraße. das heißt, den breiten teil der straße dürfen nur siedler, sonstige israelis und internationale betreten, während der schmale, unwegsame teil hinter einem langen absperrgitter für die palästinenser bleibt.

Issa hat es heute auf seinem Instagram-Account veröffentlicht.

beobachtungsschnippsel:

  • kaffee und tee wird abwechselnd immer in denselben langstieligen töpfen auf dem gasfeuer gekocht. und der tee schmeckt trotzdem immer nach tee und dem kaffee merkt man auch nicht an, dass vorher tee in der kanne war.
    wenn ich daran denke, welches theater zuhause immer gemacht wird, tee- und kaffeekannen ja getrennt zu halten, denn wie scheußlich es schmeckte, wenn sich mal jemand vertut. liegt´s am unterschiedlichen material?
  • mich würde auch interessieren, nach welchem system der muezzin welche lieder erklingen läßt. sie klingen so unterschiedlich. gibt es auch dort eine art liturgie?
  • und oben, im ersten stock des sumud-zentrums, singt mit seiner schönen stimme mohammad seine gebete, während der muezzin noch ruft.

Sumud


Die Lage entspannt sich

Die Lage scheint sich zunehmend zu enstpannen. Was damit zu tun haben könnte, dass das siebentätige Laubhüttenfest (Sukkot) zu Ende geht. Die nationalreligiösen Pilger, die für das Fest in der Stadt waren, sind wieder weg. Die Siedlerkolonie ist wieder auf ihre normale Größe geschrumpft. Die Belästigung durch Drohnen hat massiv abgenommen. Am Sonntag (12. Okt.) haben wir keine einzige Drohne gesehen oder gehört. Und die Soldaten erscheinen uns auch weniger aufdringlich.

und während ich den text grade gegenlese, höre ich eine drohne.

Die Nachtwache von Samstag auf Sonntag (11.-12. Okt) ist so ruhig, dass wir sie nutzen, um Hauskater Adam an uns zu gewöhnen.

Eigentlich ist Adam zu scheu, um sich streicheln zu lassen. Aber während der Nachtwache rücken wir ihm über Stunden ruhig und beharrlich näher.
Bei Sonnenaufgang…
… darf Michel schon zu ihm auf den Boden und ihn mit beiden Händen kraulen.
Beim Frühstück kommt er zu bina aufs Sofa.

Am Sonntagnachmittag meldet sich das Deutsche Vertretungsbüro in Ramallah bei uns. Sie wollen wissen, wie es Issa und uns geht. Sie teilen uns mit, dass die Botschaft in Tel Aviv noch auf die offizielle Reaktion aus dem israelischen Außenministerium wartet – also auf die Reaktion auf ihre Protestnote in unserer Sache.

Am Sonntagabend teilen Soldaten Issa mit, dass es keine „Closed Military Zone“ rund um sein Haus (mehr) gibt. Ob es sie jemals wirklich gab, bezweifeln wir. Eine offizielle Bekanntmachung – oder eine Karte – blieben ja ebenso beharrlich aus wie gute Fotos vom Loch-Ness-Monster.

Um 19:00 Uhr wird allerdings ein Niederländer, der zum Sumud-Zentrum wollte, für anderthalb Stunden von Soldaten im Checkpoint 56 festgesetzt – bevor ihm der Zutritt zur Geisterstadt verboten wurde (genau wie bei uns am 4. Oktober). Seit wir hier sind, war er der erste EU-Bürger, der hierher kommen wollte. Das Zutrittsverbot ist aber möglicherweise nur ganz normale Willkür und Schikane.

Was insofern wahrscheinlich ist, als dass auch die Nacht von Sonntag auf Montag (12. -13. Okt.) ruhig bleibt.

Damit das hier jetzt nicht zu entspannt wirkt: Das palästinensische Haus, das zwischen Umm Temers Haus und dem Sumud-Zentrum liegt, hat eine Israelische Armeestellung auf dem Dach. Die Soldaten erreichen ihren Posten über das private Treppenhaus der Familie.

Sumud: Was ist das eigentlich?

Wir verwenden in diesem Blog immer wieder den Begriff „Sumud“. Issa Amros Haus ist das Sumud-Zentrum. Übrigens: die Flottille aus ca. 50 zivilen Schiffen mit humanitärer Hilfe an Bord, die versucht hat, die Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen, hieß „Global Sumud Flotilla“.

Sumud bedeutet „Standhaftigkeit“ oder „unerschütterliche Beharrlichkeit“

Sumud ist ein palästinensisch kultureller Wert, eine politische Strategie, die nach der Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens im Sechstagekrieg 1967 vom palästinensischen Volk als Mittel des Widerstands gegen die eigene Unterdrückung entwickelt wurde. Ein Mann, der Sumud zeigt, wird als ṣamid bezeichnet, eine Frau als ṣamida.

Sumud ist für Palästinenser in etwa das, was Ghandis „Satyagraha“ für die Inder war während ihres gewaltfreien Unabhängigkeitskampfes gegen die Briten. Oder den schwarzen Südafrikanern „Ubuntu“ war im Kampf gegen die Apartheid.

Im Wesentlichen werden zwei Hauptformen von Sumud unterschieden:

  • Der „statische Sumud” ist eher passiv und wird meist als „Verbleib der Palästinenser auf ihrem Land” definiert.
  • Die „Widerstands-Sumud”, ist dynamischer, mit dem Ziel, Wege zum Aufbau alternativer Institutionen zu finden, um der israelischen Besetzung Palästinas zu widerstehen und sie zu untergraben.

Das Symbol des Sumud und des Gefühls der Verwurzelung der Palästinenser mit ihrem Land ist der Olivenbaum, der in ganz Palästina allgegenwärtig ist. Er ist tief in der Erde verwurzelt, übersteht Katastrophen wie Feuer und Dürre, und wird sehr alt. (Manche Olivenbäume vor dem Sumud-Zentrum wurden zur Zeit des römischen Imperiums gepflanzt.)
Ein weiteres Symbol für Sumud ist eine schwangere Bäuerin.

Statisches Sumud

Statisches Sumud ist von der Entschlossenheit geprägt, auf dem eigenen Land zu bleiben. Es zeichnet sich aber leider auch durch eine Haltung der Resignation aus: Für die einzelne Familie ist das Ziel, einfach mit der eigenen Familie an Ort und Stelle zu bleiben. Das kolliktive Ziel ist es, eine zweite ethnische Säuberung zu vermeiden. Die Staatsgründung Israels im Jahr 1948 war mit der planvollen und gewaltsamen ethnischen Säuberung des heutigen Staatsgebiets von Israel verbunden, der die Palästinenser als Nakba (Katastrophe) gedenken.

Dass Issa, die anderen Aktivisten von YAS und ihre palästinensischen Nachbarn sich schlicht und ergreifend weigern, sich von der Gewalt der Siedler und den Schikanen der Armee vertreiben zu lassen, ist statische Sumud. Dass die Menschen sich hier in einem unglaublichen Maße gegenseitig helfen und beistehen, indem sie zum Beispiel dem Nachbarn die Waschmaschine reparieren, die von Siedlern eingetretene Tür schweißen oder nach einer Razzia der Armee mit Tee und Gebäck kommen und beim Aufräumen helfen, ist statisches Sumud. Dass die Olivenbäume auch unter Gewalt und Schikane geerntet werden, ist Sumud.

Widerstands-Sumud

Widerstands-Sumud ist sehr oft konstruktiv. Ein gutes Beispiel sind die ehrenamtlichen Kliniken, die palästinensische Ärzte in den 1980er Jahren in vielen Dörfern einrichteten und betrieben.

In Bezug auf Youth Against Settlements (YAS) fallen mir in diesem Zusammenhang der Kindergarten ein, den sie in einem Haus eingerichtet haben, das die Siedler übernehmen wollten. (Sie haben ihn klandestin eingerichtet und wirklich alles dafür reingeschmuggelt!) Oder das Kino, das derzeit im oberen Stockwerk des Sumud-Zentrums entsteht. Und ihr Programm, Palästinenser systematisch mit Kameras auszustatten und in medienwirksamer und gerichtsfester Dokumentation von Armee- und Siedlergewalt zu schulen.

Gewaltfreier ziviler Ungehorsam

Auch Generalstreiks, Boykotte und Demonstrationen sind in Palästina eng mit dem Konzept des Sumud verbunden.

Diese Version des Sumud kam während der Ersten Intifada (1987–1993) voll zum Ausdruck, deren Schwerpunkt darauf lag, sich von der Abhängigkeit von Israel zu befreien, indem man die Zusammenarbeit verweigert und unabhängige Institutionen aufbaut.

Händler im Gazastreifen und im Westjordanland schlossen ihre Geschäfte. Palästinensische Frauen begannen zuvor unbewirtschaftetes Land zu bebauen, um die Abhängigkeit von israelischen Produkten zu schmälern. Palästinenser eröffneten Untergrundschulen, um auf die Schließung von 900 Bildungseinrichtungen in den besetzten Gebieten durch Israel zu reagieren. Die Palästinenser weigerten sich flächendeckend Steuern zu zahlen.

Im September und Oktober 1989, als Israel versuchte, die Intifada niederzuschlagen, wurden Steuerrazzien durchgeführt, bei denen israelische Streitkräfte und Steuerbeamte in eine Stadt einmarschierten und mit Millionen von Euro an Ersparnissen, Waren und Haushaltsgegenständen wieder abzogen. Persönliche Gegenstände, Möbel, Fabrikmaschinen und Autos wurden beschlagnahmt.

Wegen des brutalen Niederschlagens des gewaltfreien palästinensischen Widerstands durch die Israelische Armee setzten damals leider immer mehr Palästinenser auf militanten Widerstand – der dann die Wahrnehumg der Ersten Intifada in den westlichen Medien bestimmte.

Die Worte einer Ärztin aus Gaza

Am Ende der Operation „Guardian of the Walls“ 2021, dem letzten Gazakrieg vor dem Genozid, sagte eine Ärztin aus Gaza zur israelischen Journalistin Amira Hass:

„Jetzt sind wir wieder zu Hause. Ich war so glücklich, in den Garten und zu unseren Tauben zurückzukehren. Sie sind nicht gestorben, obwohl wir sie vier Tage lang nicht gefüttert hatten. Wie wir kennen auch sie die Bedeutung von Sumud (Standhaftigkeit) … Generation für Generation dauert die Nakba (Katastrophe von 1948) an. Wohin wir auch gehen, die Juden verfolgen uns. Aber sie werden uns nicht auslöschen, das ist unmöglich. Das müssen sie verstehen. Wir sind keine (amerikanischen) Indianer. Wir werden bleiben und uns vermehren. Und wir werden auch nicht vergessen … Wir glauben nicht an Parteien, [nicht] an die Hamas oder die Fatah. Die können zur Hölle fahren. Aber wir glauben an Gott, an unser Volk, an unser Land, an unsere Heimat.“

Der Olivenbaum ist über 2400 Jahre alt und damit der älteste , den E. in seinem Hain besaß. Er könnte in einer Höhle im Stamm schlafen, vor deren Eingang er sitzt.

Das Bild haben wir im Januar 2018 aufgenommen. Inzwischen ist Edris gestorben und der Olivenbaum schräg unterhalb des Sumud-Zentrums von Siedlern abgebrannt – zusammen mit den anderen alten Olivenbäumen auf dieser Terrasse. Die Aktivisten von YAS und die Nachbarn konnten immerhin das Übergreifen des Feuers auf andere Olivenbäume auf Terrassen darüber und darunter verhindern.

{Text behutsam redigiert von vS}