wir fahren zum ersten mal durch richtig heftigen gewitterregen. was solls, es geht ja weiterhin dem sommer hinterher.
Dieser regenbringende Wind ist also die berühmte „Bora“! Ich dachte, die wäre ablandig und trocken. Hab ich wohl in Geographie nicht aufgepasst.
statt in split bleiben wir in ston hängen, weil wir eigentlich auf der insel mljet schnorcheln wollten.
aber allein die überfahrt soll schon irre viel geld kosten.
die überraschung: in ston gibt es die älteste noch betriebene saline des mittelmeerraums und europas. seit 4000 jahren gewinnen sie hier salz. und abends ist dort der abschlußabend eines festivals mit wunderschönen dalmatinischen gesängen und volksmusik. mit einheimischen, die mir die lieder erklären und leckerem bier. natürlich nehme ich mir ein tütchen salz mit.
Die traditionellen Dalmatischen Männergesänge sind wahrlich schön. Keine Instrumente, einer singt die Melodie, der Chor die Begleitung. Es hat fast etwas Korsisches. Doch an Korsische Gesänge reicht es eben doch nicht ansatzweise heran. (Der geneigte Leser kann auf Youtube ja mal das „Lamentu di Ghiesu“ der Gruppe A Filetta anhören. – Nicht abbrechen bevor der Chor einsetzt!)
was für eine stadt! beeindruckend die dicken stadtmauern, die engen, verwinkelten gassen. erschlagend die touristenmassen, die sich einzeln oder in gruppen durch die stadt schieben.
ah, drei kreuzfahrtschiffe liegen auf reede.
aber zwischendrin immer wieder stille ecken und in ihnen tatsächlich auch normales leben ohne touridekoration. und der obligatorische irische pub.
Ich empfinde Kreuzfahrtschiffe wirklich als die Pest! Morgens liegen sie plötzlich vor einer Hafenstadt und spucken tausende von Touristen aus. Diese überfluten die Innenstadt, die antike Ausgrabungen oder einen Ort spektakulärer Natur. Und sie lassen sich überhaupt nicht auf Land und Leute ein. Können sie auch gar nicht. Sie haben nur ein paar Stunden. Werden mit eigenen Bussen gefahren. Machen eigene Führungen in Großgruppen. Höchstens, dass sie vor Ort einen Kaffee trinken oder ein Souvenier kaufen. Sie bringen den kleinen Hotels und Läden kein Geld. Sie lernen die Menschen nicht kennen. Das Geld macht das Kreuzfahrtunternehmen und wirlich kennen lernen sie nur das Schiff. Abends sind sie dann wieder weg. Mit Reisen als Begegnung mit Menschen und Kulturen hat das nichts zu tun. Und sanfter Tourismus sieht anders aus!
(Dass Kreuzfahrten erst durch die Ausbeutung des Bordpersonals (Arbeitsbedingungen und Bezahlung) und die konsequente Umgehung der sonst in der EU geltenden Umweltstandards so billig werden, schiebe ich mal so hinterher.)
wir fahren weiter richtung albanien. ich verliere so langsam die übersicht, wo wir eigentlich sind.
montenegro? bosnien-herzigovina?
es wird unangenehm vom wetter her. die straßen sind schmierig, es ist so anstrengend für michel zu fahren, das wir zwischenstation auf einem netten montenegrischen campingplatz machen. unter 600 jahre alten olivenbäumen, von dessen öl ich natürlich eine flasche kaufe.
zum ersten mal schäme ich mich für teile meiner deutschen bevölkerung. ein mensch mit einem dicken wohnmobil, der uns schon morgens angemotzt hat, weil michel angeblich zu dicht an seinem gefährt geparkt hat, läßt mitten auf der zufahrt des platzes sein altwasser ab. direkt vor die füße der alten frau, die grad gründlichst mit viel wasser die platten schrubbt.
Wir sind in Montenegro! Vor Dubrovnik, das in Kroatien liegt, sind wir für ca. 10 km durch Bosnien-Herzegowina gefahren.
Ab Montenegro wird es wildwestiger. Bauvorschriften scheinen nicht mehr wirklich zu gelten. Und auf der Straße gilt das Recht des Stärkeren. Vor allem große schwarze Mercedeslimousinen mit russischen Kennzeichen, von denen es hier erstaunlich viele gibt, setzen ihre „natürliche Vorfahrt“ ohne Rücksicht auf Verluste durch.
wir sind nicht mehr in der eu. zugegeben, es ist ein komisches gefühl.
Schon Bosnien-Herzegowina und Montenegro gehörten nicht mehr zur EU! Aber da Montenegro keine eigene Währung hat und in Euro zahlt, fällt das nicht so auf.
ich sag doch, ich hab den faden verloren.
wie viele mercedesse hier herumfahren! einer dicker als der andere. dazwischen eselskarren, lastesel oder lastenmofas.
die häuser sind bis auf sehr wenige ausnahmen nicht zuende gebaut und stehen in unterschiedlichen stadien des rohbaus, teilweise in absurder architektur in der gegend. ganz oft ist nur die unterste etage bewohnt.
erster anlaufpunkt: shkodër. drittgrößte stadt des landes.
eine einkaufsstraße mit großen hotels (zuende gebaut) und kleinen läden. teilweise etwas schicker, oft aber verstaubt und lieblos.
viele moscheen gibt es. irgend jemand muß sie gesponsert haben, so sehen sie aus. mich würde interessieren, ob derjenige auch bestimmt hat, welcher imam diesen gotteshäusern vorsteht.
ansonsten sind die muslime hier so unmuslimisch, wie in kaum einem anderen land.
die menschen sind schrecklich nett. es wär undenkbar, einem fremden nicht zu helfen. lieber geben sie einem die falsche auskunft als gar keine. bloß nicht zugeben, daß man keine ahnung hat.
ein guter albanischer kaffee erscheckend billig. .-35 cent.
wir wollen weiter nach theth zum wandern. michel hat eine spannende 3-tages-tour ausgesucht.
es gibt zwei möglichkeiten zu fahren. die erste, uns empfohlene, erweist sich als desaster. mitten in der pampa hört der asphalt auf und wir sehen uns seinem beeindruckenden schotterweg gegenüber.
Der Weg klebt am Hang. Rechts gehts steil rauf, links steil runter, die Piste dazwischen taugt nur für Allradfahrzeuge. Rückwärts wieder raus? Auf gar keinen Fall! Umkehrmöglichkeit erst nach mehrereren hundert Metern.
mit mühe kehren wir um, trinken in einer bar noch einen kaffee auf den schreck und fahren nördlich nach koplik.
das ist eine riesige baustelle als hauptstraße, wir kaufen ein und verbringen die nacht einsam am see.
der neue versuch am nächsten tag läßt sich straßentechnisch gut an, aber ab dem pass gibts auch hier nur noch sehr schlechten feldweg als straße.
diesmal wagen wir es und langsam, langsam über die steine schaukelnd schaffen wir es nach theth.
nein, ich hab keine angst. nicht um mich. ich mach mir sorgen um bulli, wie der das wohl schafft.
abgesehen davon: die albanischen alpen sind beeindruckend. sie rufen danach, erwandert zu werden.
theth ist ein kleines verstreutes dorf. im sommer von wandersleuten gut besucht, im winter von der welt abgeschnitten.
es gibt etliche gästehäuser, bei einem können wir für kleines geld mit bulli stehen und bekommen nach einem spaziergang zu einem bezaubernden wasserfall ein tolles abendbrot.
der 1. wandertag läßt sich gut an. wir sind zwar nicht wirklich auftrainiert, aber das wird schon noch.
die landschaft ist aufregend, trittsicherheit ist gefragt und ich bin über meine wanderstöcke froh.
aber dann meldet sich mein knie. es wird steif und fängt an, zu schmerzen. und wir müssen eine noch so weite strecke bergab ins valdona-tal.
ich werde immer langsamer und überlege, wie ich die morgige 8-std-etappe schaffen soll.
in der herberge im tal, bei mitgebrachtem abendbrot fällt der entschluß:
wir gehen nicht weiter. auch zurück werde ich es nicht schaffen. wir werden bis in den nächsten ort trampen und dann nach shkodër mit einem bus fahren und am nächsten tag einen bus nach theth zurck nehmen.
trampen klappt gut. ein polizist nimmt uns bis zum busbahnhof im nächsten größeren ort mit.
und dort fahren auch gleich die kleinbusse nach tirana, von denen uns einer an der kreuzung zurück nach shkodër absetzen wird.
nach tirana ist es wirklich nicht sonderlich weit. aber alle kennen doch den spruch: der fährt peine-paris-pattensen, oder?
nun, dieser bus fährt tatsächlich stund um stund erst in den kosovo nach pristina und dann zurück nach albanien, weiter richtung tirana. wie gut, das wir unsere pässe dabei haben.
nach stunden sind erreichen wir die kreuzung nach shkodër. auf der weiterfahrt im nächsten bus fragt meine sitznachbarin wo wir hin wollen. als ich theth sage und sie es den anderen im bus erzählt, geht sofort eine laute, fröhliche schreierei los. ich frage, was los ist und sie sagt: wir diskutieren über die beste möglichkeit, nach theth zu kommen. ich: ‚es gibt keine!‘ sie übersetzt und alle lachen sich kringelig.
diese kleinbusse sind in der regel mehr oder weniger schrottreife transporter. natürlich von mercedes!
nebenbei haben michel und ich den ersten durchfall. kohletabletten helfen und ab sofort werden wir unser trink- und kochwasser in flaschen oder kanistern kaufen.
in der stadt übernachten wir in einem einfachen hostel und sichern uns über den host auch gleich den transport nach theth.
die nacht ist unruhig. das zimmer geht direkt auf die fußgängerzone hinaus und die albaner werden erst abends richtig munter und machen die nacht fast durch. stimmengewirr, laute musik, teilweise techno oder traditionelles, autogehupe. als ich schon denke, jetzt kommen keine neuen geräusche mehr dazu, fängt ein hund genervt an zu bellen und höhrt nicht wieder auf. den sortieren meine ohren auch weg, ich döse und dann fängt der muezzin zu singen an. das nun wieder live und wunderschön.
und wer zwischendurch was einkaufen muß, oder der tante schnell hallo sagen will, muß bescheid sagen, dann hält der fahrer kurz an und alle anderen warten. er beliefert unterwegs auch selbst noch das eine oder andere restaurant mit was-auch-immer, bringt irgendwelchen straßenarbeitern ihr pausenessen vorbei.
und nimmt die schotterstrecke mit einer gnadenlosigkeit, das mir das auto mal wieder richtig leid tut.
den rother-wanderführer verschenken wir an zwei deutsche mitfahrende, die auch wandern wollen.
endlich hat uns bulli wieder und wir machen uns gleich auf den weg nach oben und fahren nach tirana.
ich bin ein wenig traurig, daß wir die tour nicht zuende laufen konnten. verdammtes knie!
andererseits hätten wir sonst nicht dies busabenteuer erlebt.
unterwegs nehmen wir wieder tramper aus polen mit, die nach makedonien wollen.
Wir erwähnen hier nicht einmal annähernd alle Tramper, die wir mitnehmen!
tirana ist ein moloch! die stadt stinkt nach verbranntem müll, der verkehr ist ein einziger kollaps.
sage mir nie wieder jemand, hamburg hätte ein verkehrsproblem!!!!!! lachhaft.
wir finden kaum aus der stadt raus. als es dann aber doch klappt, landen wir von allein in dem kleinen dorf, in dem wir uns eine alte burg anschauen wollten.
die nacht auf dem verlassenen dorfplatz nach einem kaffee in der bar ist wieder unruhig, weil es der treffpunkt der jugendlichen ist, die mit ihren autos, natürlich mercedesse, durch die gegend kacheln.
wir werden aber in ruhe gelassen und schauen uns am nächsten tag tirana an.
es ist eine quirlige stadt, irgendwie mit bereits orientalischem flair, aber sie wirkt verstaubt, ein bischen marode, so lieblos.
der einzige ort, der ein bischen liebevoller ist, ist das grab (tekke) der heiligen hatrixhe vom bentaschiorden.
es hat die wirren der zeiten überlebt, liegt versteckt in einem kleinen wohnviertel und wird von den einheimischen gehütet und rege besucht. fremde sind willkommen, wenn sie sich an die regeln halten.
ein riesen eurospar macht mich fertig. so viel angebot, alles importiert. da kauf ich doch lieber in dem kleinen laden in der gasse nebenan und bei der alten frau an der straße.
und auch in tirana finden wir einen irischen pub. ein plastik-pub, wos auch froschschenkel als pub-grab gibt, aber auch ordentliches guinness und fish’n’chips.
wir lernen k… aus finnland kennen, der in schweden lebt, grad in der ukraine arbeitet und in albanien urlaub macht. welch spannenes gespräch über albanische zustände, den syrienkrieg den sinn des lebens und über gott und die welt.
es war ein wunderschöner nachmittag mit ihm. liebe grüße von hier aus.
auch die 2. nacht verbringen wir wieder unterhalb unserer burg. Am morgen hatten wir sie uns schon angeschaut. sie ist winzig und zu einem hübschen restaurant hergerichtet, in dem der kaffee gut schmeckt und der blick übers land wunderschön ist.
So schön und so billig (aus deutscher Sicht) Albanien ist, einiges an dem Land macht mich wahnsinnig:
1) Lieb- und achtloser Umgang mit der Umwelt
Alles was man gerade nicht mehr braucht wird einfach weggeschmissen. Egal, wo man gerade geht oder steht. Überall liegt Müll rum. Wenn der Müll nicht weggeschmissen wird, wird er einfach verbrannt. Immer wieder beißt der Geruch von verbranntem Plastik in die Nase. Blumen vor den Häusern? Fehlanzeige! Stattdessen eher mal ein Autowrack oder eine Baustelle.
2) Wirtschaft
Albanien scheint nichts zu produzieren. Von dem Geld, das im Ausland verdient wird, werden offensichtlich bevorzugt dicke Autos (vor allem Mercedes) gekauft und überdimensionierte Einfamilienhäuser gebaut. Die oft unfertig bleiben oder leerstehen. Ansonsten sehe ich haufenweise Tankstellen, Autowaschanlagen und kleinste Geschäfte. Was mir fehlt sind normale Tante-Emma-Läden mit einem Sortiment für den täglichen Bedarf. Oder ein Schuhgeschäft mit etwas Auswahl. Auch produzierendes Gewerbe jeder Art fehlt. Das Geld wird in Autos und Häuser gesteckt, anstatt in produzierende Maschinen. Die Landwirtschaft liegt am Boden, obwohl man hier so ziemlich alles anbauen könnte.
Ein lähmender Stillstand hat das Land erfaßt. Die einzige Industrie, die wirklich boomt ist die Bauindustrie. Straßen für die ganzen Autos und diese überdimensionierten Einfamilienhäuser.
Mir bleibt unklar, wie hier eine Wirtschaft entstehen soll, die das Land und seine Bewohner trägt.
3) Verkehr
Dass Verkehrsregeln in südlichen Ländern bei Weitem nicht so streng genommen werden, wie in Deutschland kenne ich ja schon. Aber diese Wild-West-Mentalität ist der Hammer. Jeder scheint nur auf seinen kurzfristigen Vorteil bedacht zu sein. Jeder und alles wird geschnitten. Das gilt insbesonder für SUVs (aber nicht nur für diese). Der Effekt ist, dass der Verkehr sehr langsam fließt und ständig stockt. Weil immer irgendwer abrupt abbremsen muß. Die Bremsen und Motor laufen heiß. Und mein Benzinverbrauch ist mindestens doppelt so hoch wie in Deutschland.
(Ich entschuldige mich für das eben geschriebene bei N… aus „meiner“ alten 9b! Albanien und seine Menschen haben auch wunderbare Seiten. Oft waren wir von ihrer Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft einfach überwältigt.)
Dinge, die ich auf der albanischen Autobahn gesehen habe: Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, Geisterfahrer, Kühe, Einkaufsstände direkt an der Leitplanke und davor parkende Autos auf der Fahrbahn, sowie etwa 100 km/h zu schnell fahrende SUVs.
offizielle parkplätze, die aber wegen der durchgehenden leitplanke nicht genutzt werden können.
immer weiter südwärts gehts bis in die jala-bucht nördlich von himara, wo die saison eindeutig zuende geht.
die sonnenschirme und stege werden grad abgebaut, die restaurants sind noch offen, aber gäste werden irgendwie nicht mehr recht erwartet. der campingplatz hat geschlossen. wir stehen problemlos am kieselstrand, baden, schnorcheln.
der nächste tag bewölkt sich immer mehr. es wächst sich zu einem sturm aus mit gewitter und richtig heftigen wellen.
bei der gelegenheit haut eine windböe uns unsere schicke markise endgültig kaputt.
schade eigentlich.aber was solls.
wir verbringen die nächsten stunden lesend.
Das Gestänge der Markise ist hin. OK! Aber mit ein wenig Improvisation konstruiere ich aus dem Rest ein cooles Sonnensegel. Ich brauch nur einen Baumarkt.
heute wollen wir nach burint . wenig ist ja durch kommunismus und krieg erhalten geblieben, aber hier hat es antike griechische und römische ausgrabungen von weltrang und dazu noch byzantinische und venizianische ruinen als dreingabe, die wir uns in ruhe anschauen.
in tirana hab ich mir eine knieschiene zugelegt, mit der kann ich weitgehendst porblemfrei gehen. auch bergab.
der kürzeste weg weiter geht über den fluß mit einer alten seilzugfähre. aber der fährmann will 7.-€ für 100m flußbreite haben!
das ist eindeutig zu viel, daher nehmen wir die lange strecke richtung griechenland.
mich würde mal interessieren, wie viel die einheimischen bezahlten, die nach uns an die fähre kamen und mit ihr über den fluß wollten…