Di. 29. Mrz 2018
Gestern abend haben wir Bulli auf einem Vorsprung an den Hängen des Musa Dagh (des Mosesberges) mit tollem Blick auf die Mittelmeerküste abgestellt. Doch irgendwann in der Nacht wurde es so stürmisch, dass uns mulmig wurde und wir unser Schneckenhaus lieber an einen etwas windgeschützteren Ort weiter weg vom Abrund umbeparkt haben.
Die “40 Tage des Musa Dagh” spielen in der Geschichte des Völkermordes an den Armeniern in etwa die gleiche Rolle, die der Aufstand im Ghetto Warschau in der Geschichte des Holocaust spielte. Anstatt sich widerstandslos deportieren und umbringen zu lassen, haben sich die hiesigen Armenier in die Gipfelregionen des Musa Dagh zurückgezogen und dort verschanzt. Nach 40 Tagen der Belagerung wurden sie von einem französischen Kriegsschiff entsetzt.
Der österreichische Schriftsteller Franz Werfel hat diesem Ereignis mit dem Roman “Die 40 Tage des Musa Dagh” ein literarisches Denkmal gesetzt. Das Buch war Marcel Reich-Ranicki zufolge übrigens eine wichtige Inspirationsquelle für die Kämpfer des Warschauer Ghettos. Vor dem Aufstand ging es von Hand zu Hand.
Als der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk 2005, zum 90ten Jahrestag des Völkermordes anregte, die Türkei solle sich bei den Opfern, den Armeniern entschuldigen, wurde er wegen “öffentlicher Herabsetzung des Türkentums” angeklagt. Er kam jedoch mit einer relativ geringen Schadensersatzzahlung von 6.000 türkischen Lira davon. Wozu vermutlich beigetragen hat, dass er zwischenzeitlich den Literaturnobelpreis erhalten hatte und der Fall deshalb unangenehm viel Aufmerksamkeit erhielt.
An den Hängen des Musa Dagh liegt Vaklifi, das letzte armenische Dorf der Türkei. Nach dem 1. Weltkrieg war die Region um Antiochia zunächst Syrien zugeschlagen worden, zu der sie historisch auch gehört. Erst 1939 schloß sie sich freiwillig der Türkei an. (Die Alternative wäre gewesen, von den französischen Kolonialtruppen erobert zu werden.) Damals gab es hier noch sechs armenische Dörfer. Aber als Antiochia (Antakya/Hatay) an die Türkei ging, wurden fast alle Armenier in den Libanon verfrachtet.

Heute leben noch 130-140 Armenier in Vaklifi. Überwiegend ältere Menschen. Es scheint dem Dorf gut zu gehen. Wir haben den Verdacht, dass die Türkei das Dorf als Schaufenster mißbraucht. Nach dem Motto: “Seht her! So nett sind wir zu den Armeniern! Wir bezahlen ihnen sogar eine neue Kirche und all die schönen Parkbänke.
Von Vaklifi aus wollen wir immer die Küste entlang nach Westen fahren, bis Istanbul. Doch schnell fällt uns auf, dass die direkte Küstenstraße nicht immer der klügste Weg ist.





Als wir nach etwa 40 Kilometern wieder die Hauptstraße erreichen, beschließen wir, auf ihr zu bleiben, legen an diesem Tag noch mehrere hundert Kilometer zurück und erreichen (fast) den Golf von Antalya.