Antiochia revisited

Mi. 28. Mrz. 2018

ab sanliurfa verlassen wir langsam kurdistan. eine richtige grenze gibt es nicht, aber es ist auffallend, daß die checkpoints weniger werden und auch nicht mehr so bedrohlich wirken. fast immer werden wir einfach weitergewunken, die sandsackbarrikaden werden kleiner und es steht auch nicht jedesmal ein radpanzer daneben. die baustellenschilder, die in kurdistan noch auf ein militärfort hindeuteten, weisen wieder richtige baustellen aus. aber die landschaft ist nach wie vor beeindruckend.

Landschaft unterwegs. Es gibt immer etwas zu sehen.

auffallend sind die geisterfahrer, die uns auf autobahnen und landstraßen auf der standspur entgegen kommen. die straße hat über lange strecken eine mittelleitplanke. bei dörfern oder größeren abzweigungen kommt relativ selten mal ein kleiner kreisverkehr, wo u-turns ausdrücklich erlaubt sind. aber wer aus einer ausfahrt raus nach links will, muß erstmal lange in die gegenrichtung fahren, ehe der nächste kreisel kommt. also werden wie warnblinker angeschaltet und der eine oder andere kilometer mal eben geistergefahren. da das vermutlich alle machen und es deshalb öfter vorkommt, rechnen auch alle damit und es gibt keine unfälle.

Einer der vielen Geisterfahrer.

Irgendwann kommen uns tatsächlich innerhalb einer halben Stunde in halbes Dutzend Geisterfahrer entgegen. Auf einer Straße, die in Deutschland problemlos als Autobahn durchginge. Dort würde sich jetzt der Verkehrsfunk überschlagen und zusammenbrechen. Hier dauert es eine Weile, bis uns auffällt, dass das etwas Berichtenswertes für unseren Blog sein könnte.

wir besuchen ein zweites mal antiochia. die hamami rufen, der bazar und auch das leckere künefe.

michel verschwindet im männerhamam, ich in dem für frauen. ich bin erst etwas entäuscht. die kassiererin drückt mir unfreundlich ein eimerchen, shampoo und ein paar gebrauchte lappen in die hand, heißt mich umziehen und in die hinteren räume zum waschen gehen. dort nimmt mich die masseurin in empfang. sie ist resolut aber netter, sorgt erst mal dafür, daß ich eine gute schale und einen neuen lappen nebst seife bekomme. haarewaschen verbietet sie mir, das sei später ihr job. auf dem heißen stein im hamam sitzen etliche frauen und quatschen. wie peinlich: alle haben wenigstens einen schlüpfer an, nur ich bin nackt. ich hätte mich gern dazu gesellt, aber die masseurin platziert mich allein auf einem stein an der seite, während sie sich um die anderen gäste kümmert.

dann fangen einige frauen an zu singen und auf ihren mitgebrachten spüleimern zu trommeln. ich setze mich hin, begeistert von der musik. aber als sie das bemerken, stellen sie klönen und singen ein und auf dem stein wird es still. eine alte frau kommt am stock aus einem seitenbad, starrt mich an und reagiert nicht auf meinen gruß. ich fühle mich wie ein störfaktor und äußerst unwohl. am liebsten würde ich gehen, aber das wäre ja auch blöd.

dann kommt die masseurin und hat drei frauen im schlepptau. mutter, tochter, enkeltochter. die tochter spricht fließend deutsch, ist aus trier und besucht grad ihre familie. sie will mir erklären, wie hamam geht. als ich erkläre, daß ich schon mal hier war und hamam kenne, nicht aber die speziellen regeln in diesem bad, wofür ich um entschuldigung bitte und sie alles übersetzt hat, wird es plötzlich wieder laut und fröhlich. sie erklären mir die zahlungsüblichkeiten, das man der masseurin ein trinkgeld von 10-20 türkischen lira direkt gibt und das man hier seine spülschalen und tücher meist selbst mitbringt. also bezahle ich erstmal. mein geld ist draußen in meiner umkleidekabine bei meinen sachen. auf dem weg hocken etliche frauen im vorraum auf einem kalten stein im halbdunkel und machen picknick. ich soll mich dazu setzen, aber ich mache ihnen klar, daß ich erst bezahlen und baden möchte, ich käme dann später dazu.

das bad, die waschungen, die massage sind herrlich, mit der masseurin, die kurdin ist, unterhalte ich mich mit händen und füßen und protze ein bischen mit meinen drei worten kurdisch, worüber sie sich freut. anschießend setze ich mich zu den anderen frauen draußen, werde mit großem hallo begrüßt, bekomme essen in den mund geschoben und softdrinks in die hand gedrückt, sie wollen wissen, woher ich bin und dann fangen sie wieder an zu singen und ihre spüleimer als trommeln zu benutzen. eine fängt an zu tanzen und auch ich stehe auf und versuche mich. die freude ist groß.

noch größer wird sie, als ich mir einen trommeleimer schnappe und ein jiddisches lied singe, zu dem man sich auf einer trommel begleitet. aber dann muß ich los. michel wartet bestimmt schon bei unserem künefeladen und wundert sich, wo ich bleibe. ich werde wie eine freundin verabschiedet. fotos von und aus dem hamam gibt es leider nicht. es wäre unpassend gewesen, welche zu machen.

das künefe ist wie immer köstlich. m… erkennt uns von unserem letzten besuch wieder und zeigt uns voller stolz die urkunde: der laden wurde 2017 als das beste künefelokal der stadt ausgezeichnet. und das zu recht. frisch aus der großen pfanne ist es immer noch am besten.

Das Zertifikat: Hier gibt es das beste Künefe der Stadt. Und Hatay/Antakya/Antiochia hat vermutlich das beste Künefe der Welt.

der basar der stadt kommt uns anders als beim letzten mal gar nicht mehr so exotisch und orientalisch vor. das liegt vermutlich daran, dass wir seit über einem halben jahr im orient sind, und vieles nicht mehr als exotisch, sondern als normal empfinden.

wir haben in antiochia alles erledigt. sind geschrubbt und satt vom künefe und können beruhigt zum musa dagh und dem letzten armenischen dorf der türkei weiterfahren.