Ein Monat vor Abfahrt

wir sind geimpft, und haben jeweils zwei pässe, die wanderstiefel sind zum überarbeiten bei den jeweiligen herstellern, etliche anschaffungen sind schon gemacht (kamera, rechner, tolino), bulli steht in der werkstatt bei der schrauberin unseres vertrauens wird repariert und dürfte nächste woche fertig sein.
wer unser haus nebst katze während der reise betreut, ist geklärt.
die syrische familie, mit der wir befreundet sind, haben wir mit anderen freunden von uns bekannt gemacht, die sie bei bedarf um rat und unterstützung fragen kann. (deutsche bürokratie ist ja doch eine lernaufgabe).

um unsere auslandskrankenversicherungen müssen wir uns noch kümmern. die grüne versicherungskarte (die auslandskrankenversicherung fürs auto) ist schon da.

ich bin froh, daß ich vor der abfahrt schon drei wochen urlaub habe, während michel mit zeugniskonferenzen und noch einer klassenreise beschäftigt ist.
so kann ich unser haus für unsere hausbetreuerin und katzensitterin S…
vorbereiten.
sie soll einen halberlei hergerichteten garten haben und braucht ein paar leere schränke und regale. das bedeutet packen, räumen und putzen. ein zimmer im haus soll unser lagerraum sein.

ich finde es gar nicht so einfach.
was für klamotten nehmen wir mit? was brauchen wir wirklich? was ist überflüssig? was besorgen wir bei bedarf auf der reise ?  vier wochen urlaub auf korsika oder in irland sind einigermaßen einschätzbar. nicht so ein ganzes jahr mit unterschiedlichen jahreszeiten und kulturen und deren eventuellen kleidungsvorschriften.

Morgen beginnt das Sabbathjahr

mittlerweile ist bulli wieder zu hause, michel hat einen metallschrank für zusätzlichen stauraum und eine markise gekauft und ich habe ihn gründlichst von innen schrubbt.
aber wir werden unser arbeitssoll nicht erreichen. die reise fängt ein paar tage später an. macht nichts, wir haben ja zeit.
erst mal steht das abschiedsfest auf unserem lieblingscampingplatz, dem elbe-camp an, denn der termin steht fest.
dort  können wir uns von allen verabschieden, die uns lieb und wichtig sind und haben eine kleine atempause, bevor wir den rest organisieren.

Ein Start auf Raten

Das Sabbathjahr beginnt mit einem Abschiedsfest am Elbecamp mit vielen Freundinnen und Freunden.

was für ein liebes und leckeres abschiedsgeschenk!!!

es war ein wunderschöner tag. danke euch allen, die mit dabei waren!

Anschließend bleiben wir zwei Tage auf unserem Lieblingselbezeltplatz, schlafen aus und gammeln.

der pavillon bleibt zu haus!

Dann kommt das eigentliche Packen für die Reise. Was auch mit einigen An- und Umbauten am Bulli verbunden ist. Wir wohnen und schlafen zwar schon im Bulli (auch um auszuprobieren, ob alles funktioniert), aber wir sind immer noch in Wedel.

michels schrankkonstruktion funktioniert, die markise sieht auch richtig schick aus, eine mobile dusche hat michel auch gebaut. beim baumarkt unseres vertrauens sind wir dieser tage dauergäste.
ich packe bulli und stelle fest: kisten werden überbewertet. besonders kleine. sie nehmen einfach zu viel raum weg. also kommt so viel wie möglich in tütchen und alles findet irgendwie seinen -vorläufigen- platz.

und dann ist alles fertig und es kann losgehen.
ja, ich muß ein bischen weinen. ein moment sentimentalität muß erlaubt sein
. ein letztes mal die katze streicheln, die auf ihrem lieblingskissen schläft und mich ganz entspannt anschaut. sie wird bei özlem gut aufgehoben sein.

Kater Jack ist entspannt.

es heißt ja immer ‚überall lauern gefahren‘.
für mich warten an allen ecken überraschungen und abenteuer.  und die will ich erleben.

tschüs haus

 

 

Haithabu

Unsere Grand Tour beginnt! Am Freitag 28. Juli 2017 um 19.20 Uhr fahren wir los… und kommen erstmal nur bis zu unserem Lieblingspub (dem Irish Rover in Hamburg) wo wir 2 bis 3 Pint Guinness trinken (oder auch eines mehr…). bina hat am nächsten Tag einen Kater. Und so kommen wir erst am Sonntag nach Haithabu.

wenn dieser blog schon so heißt, müssen wir dort auch hin. das wollten wir ohnehin immer schon mal.
es lohnt sich allemal, auch wenn die ausstellung wegen umbau grad geschlossen ist und an der aktuellen ausgrabung grad keiner buddelt.
das kleine freilichtmuseum mit seinen handwerkern, denen ich stundenlang zuhören kann und den vielen schwalben unter den strohdächern ist interessant gemacht. der audioguide ist eine gute ergänzung.

wir waren nicht die einzigen gäste, auch wenns so aussieht.

Rungholt

eigentlich sollte die zweite Station unserer Reise  eine wattwanderung nach rungholt sein. von nordstrand aus.
wo wir doch schon durch schleswig-holstein gondeln und ich die ballade von detlef von liliencron auswendig kann.
aber es finden die nächsten tage keine touren statt.
jooo…, sagt einer der wattführer auf telefon
ische nachfrage, vielleicht am wochenende….
na, dann eben nicht und daher fahren wir weiter.

Dabei haben wir Wochenende – und Hochsaison!

 

Oldenburg – Bulli Kaputt

Wir haben ja von Anfang an fest damit gerechnet, dass Bulli uns auf unserer Fahrt kaputt gehen würde. In unserer Vorstellungen war es immer in exotischen arabischen Beduinendörfern.

Doch die Realität sieht anders aus: Oldenburg! (OK wir sind mit unserem Dänemarkabstecher schon über 1200 km gefahren… aber trotzdem…)

Immerhin sind wir auf der Hosüne (bei Huntlosen, bei Oldenburg) einem tollen Ökoprojekt mit gemeinschaftlichen Ansätzen. Es gibt deutlich schlechtere Orte zum Liegenbleiben. Der zum Projekt gehörende KFZ-Betrieb macht uns unseren „Gefährten“ jetzt soweit klar, dass wir zu unserer Stammwerkstatt nach Lemgo (wäre bei Bielefeld – wenn selbiges existieren würde) fahren können.

SUPER VIELEN DANK AN DEN SCHRAUBER UND DIE MENSCHEN AUF DER HOSÜNE! Für die unkomplizierte Hilfe in wirklich allen Dingen!

Wir gehen jetzt erst einmal in die Sauna und morgen auf das Platzfest der Wagenburg, die Michel vor 20 Jahren mal mit durchgesetzt hat. (Dabei hab ich einen persönlichen Rekord aufgestellt: 4 Festnahmen in 24 Stunden!)

Und sonst…

  • Wir haben Michels Eltern besucht. War schön und seltsam die Füße wieder unter ihren Tisch zu stellen. Im elterlichen Zuhause ist man sein Leben lang Kind.
    aber bina genießt es, nicht für die mahlzeiten hauptverantwortlich zu sein.
  • Wir fragen uns, ob unser Schleswig-Holstein noch alle beisammen hat. Der Wahlspruch „Der echte Norden“ wirkt nicht sehr überzeugend, wenn man aus Dänemark kommt und an der Grenze mit „Willkommen im echten Norden“ empfangen wird. – „Geographie 6! Setzen!“
  • Uns ist zum ersten Mal massiv aufgefallen, wie leer gefegt und naturbefreit Dänemark ist. Riesige Monokulturen. Kaum Wälder oder Blumen. Auch nicht in den Gärten der Häuser. Keine Schmetterlinge. Sonstige interessante Insekten weitgehend Fehlanzeige. Wenig Vögel und Vogelarten. – Da ist selbst Deutschland deutlich kleingliedriger, artenreicher und interessanter.

Fest Bauwagenplatz

wie lieb.
da wir von der hosüne nicht weg können, kommt die ehemalige arbeitskollegin von michel nebst gefährte samt eigentlich bei ihnen vorgesehenem essen eben zu uns.
was für ein schöner abend mit euch beiden!
weiterer mitnahmeeffekt: party auf dem bauwagenplatz in oldenburg, eine schöne veranstaltung.
ich darf mal wieder meinem hobby frönen: arbeit in einer küche unter schwierigen bedingungen.
eine volxküche braucht immer hilfe beim schnippeln.

Ich kenne kaum jemanden mehr auf dem Platzfest. Aber ich treffe F…, eine meiner liebsten Exfreundinnen, wieder, und wir Drei verbringen Nachmittag und Abend mit langen und guten Gesprächen.
Cool ist das Flexrennen. Verschiedene Teams treten mit selbstgebauten bemannten oder unbenannten Fahrzeugen auf einer Strecke von ca. 40 Metern gegeneinander an. Soweit halt ein langes Verlängerungskabel reicht. Es werden unter anderem Zeit, Kreativität und Bestechung der Jury bewertet. Das ganze ist wirklich unterhaltsam und nachahmenswert.

Lemgo – Bulli wird repariert

wir vertreiben uns die zeit (montag und dienstag) in lemgo.ein kleines, etwas verschlafenes, aber durchaus hübsches städtchen.

die große frage des tages: welche geschichte steckt hinter der gestohlen tonne, dem kanzlerstreit und dem zu diesem thema gestalteten brunnen am ende der fußgängerzone?

wir halten uns lesend im cafe auf, am nächsten tag in der bibliothek und haben eine gute zeit.

schlafen tun wir im bulli in der werkstatt. auch hier gibts ungemütlichere orte.

Bina kocht Abendessen im Bulli in der Werkstatt

Amsterdam

Mittwoch:

ich bin zum ersten mal im sommer in amsterdam. das rijksmuseum ist riesig, der audioführer sehr gut. spezielle touren zu bestimmten themen führen durchs ganze museum.

ich kann mich am milchmädchen und an der nachtwache nicht sattsehen. andere bilder sind genau so spannend, aber mal ehrlich: keiner malte perspektiven und licht so wie mein geliebter rembrandt.

die nachtwache wird, je öfter ich schaue, ein dramatischer 3-d-film.

leider reicht meine kraft tatsächlich nicht mehr für die anatomiebilder im rembrandt-museum, wie michel schon prophezeite.

er macht derweil eine audio-guide-runde durch die kolonialzeit und die nächste große frage entsteht:

so viele kulturen und völker wurden durch die kolonialmächte zerstört und vernichtet.

warum ist das in japan nicht geglückt, wo portugiesen und holländer gelandet sind. was haben die japaner anders gemacht, als die anderen?

Das Niederländische „Goldene Jahrhundert“, dem wir die schöne Amsterdamer Altstadt, sowie die Bilder von Rembrandt, Vermeer und Frans Hals verdanken, war vor allem ein Zeitalter des räuberischsten Kolonialismus und des komplett entfesselten Kapitalismus. Was sich übrigens mit Calvinistischer Frömmigkeit und Gottesfurcht bestens vertrug. Vor allem die Aktiengesellschaft VOC die „Vereinigte Ostindische Companie“ hatte sich von Indonesien bis Ceylon ein beachtliches privates Reich geschaffen, in dem sie barbarisch herrschte. Die Westindische Companie machte in Amerika das gleiche (von Neu Amsterdam – heute New York über die Karibik bis Brasilien).

Die Niederlande betrieben in ihrer Hochzeit die Hälfte des Internationalen Sklavenhandels. Und waren dank Indonesien (das 1949 nach einem blutigen Guerillakrieg die Unabhängigkeit erhielt) das größte muslimische Land der Welt. Kriege, Massaker und Grausamkeiten sind ohne Zahl. Zum Beispiel, wurde die Bevölkerung der Insel Banda Nera, 15.000 Menschen, größtenteils ausgerottet, und der Rest in die Sklaverei verkauft, weil sie nicht alle Muskatnüsse der Insel an die VOC verkauft hatten, sondern einen kleinen Teil an andere Kolonialisten. Auch war beispielsweise ein „Frachtverlust“ von 20% auf Sklavenschiffen von Afrika nach Amerika völlig normal und eingerechnet. Statt die Bedingungen auf den Schiffen zu verbessern, wurden einfach mehr Sklaven genommen, um den Schwund auszugleichen.

Bei alledem fühlten sich die Niederländischen „Kaufleute“ rechtschaffen und gottgefällig. Immerhin brachten sie den kolonisierten Völkern ja Christentum, Zivilisation und Technik.

Mir wird mal wieder klar, wie gefährlich kapitalistische Konzerne sind, wenn wenn es ihnen gelingt, sich staatlicher Kontrolle zu entziehen (oder den Staat zu kontrollieren), und sie es schaffen, sich eine Legende der Weltverbesserung zuzulegen. Kapital kennt keine Moral, nur Profit. Es einzuhegen muß Aufgabe von Staat und Zivilgesellschaft sein.

Ich muß an die „selbstlosen Weltverbesserer“ von Google, Facebook und Amazon bis zu Monsanto und diversen Stromkonzernen denken.

Rembrandt& Co sind ein Hochgenuß. Ein Brunnen im Sommer aber auch!

ich muß öfter nach amsterdam. stundenlang könnte ich durch die gassen laufen.

das guinness im molly malone ist gut. und der pub ein echter pub.

unser nächstes sabbathjahr wird unter dem motto laufen: ‚in 80 pubs um die welt‘

weiterfahrt nach den haag, wo wir michels bruder, seine gefährtin und ihr baby für einen abend besuchen.

vielen dank für den schönen abend bei euch. der christopherus von euch klebt an der mittelkonsole und paßt auf uns auf!

Ja, es war ein guter Abend mit einem guten Gespräch. Nur leider viel zu kurz, weil die beiden am nächsten Morgen früh raus und wieder arbeiten mussten.