sonntag & montag, 5. & 6. okt.
wir schlafen ziemlich gut und bekommen morgens ein tolles frühstück auf den tisch gestellt. frisches brot, ful (warme bohnen als eine art suppe), verschiedene arten humus, gemüse, falafel.
und dann heißt es warten.
wir verzweifeln ein bisschen an der arabischen mentalität. erst sagt uns h., der besitzer der wohnung, issa kommt vormittags, dann sollte er nachmittags auftauchen und dann abends, inshallah. es wäre uns lieber gewesen, wenn wir gesagt bekommen hätten, daß sie es nicht wissen. damit kann man arbeiten.
dazu kommt, daß michel eigentlich mit der botschaft hätte telefonieren wollen, aber nur noch 6 ils (israelische schekel) guthaben hatte, weil das aufladen der neuen simkarte mit hilfe eines anderen aktivisten wegen des soldateneinsatzes nicht mehr geklappt hat.
ich habe netterweise nicht nur meine tabletten gebracht bekommen, sondern auch mein strickzeug. so kann ich ein bischen meine hände rühren. und wir schwatzen per signal mit unserer tochter und samara. das ist schön.
als es dunkel ist gehen h. und michel dann los, und michel hat danach guthaben für mobile daten auf dem handy. und er hat auch zahnbürsten und -pasta nebst etwas nervennahrung besorgt.
zurück im sumud
dann taucht m. auf und sagt sie wollen uns ins sumud zentrum zurück bringen. ob das sinnvoll sei? ja, sei es. das ist überraschend, denn wir dachten eigentlich, nach dem gestrigen tag seien wir für hebron ‚verbrannt‘, weil jeder checkpoint unsere nasen kennt.
aber gut. unsere wenigen sachen sind schnell gepackt.
über den weg zurück, schweigen wir uns aus offensichtlichen gründen mal aus…, aber wir gehen auf offiziellen wegen zurück, vorbei an soldaten, die mit ihren smartphones beschäftigt sind.
issa ist da und gibt uns hinweise, wie wir das nächste mal auf soldaten reagieren sollen, was sie dürfen und was nicht.
nicht die hände heben oder die soldaten gar anfassen, wir sollen deutsch reden, nach der polizei verlangen und nach einem ‚warrent‘.
wir stehen als nichtpalästinenser unter zivilrecht, womit die polizei für uns zuständig ist. palästinenser stehen unter militärrecht und müssen sich mit soldaten herumschlagen.
beide institutionen dürfen auch nicht unser handy einsehen, das darf nur das gericht.
wir sollen darauf drängen, botschaft und rechtsanwalt anrufen zu dürfen. issa gibt uns die nummer der rechtsanwältin von yas und alles ist jetzt per direktwahl eingespeichert.
einer italienischen journalistin ist gestern das gleiche wie uns passiert. sie ist bereits seit längerem in palästina, wollte das sumud zentrum besuchen und ist bisher unbehelligt geblieben. gestern haben sie sie jedoch trotz akkreditierung am checkpoint abgewiesen, mit der begründung „closed military area“.
willkür contra rechte
und was unsere zukünftige arbeit hier betrifft:
heute heißt es noch mal abwarten. das militär hat issa gesagt, sie hätten sein haus, das sumud-zentrum, für einen monat zum gesperrten miliärischen gebiet erklärt. das widerspricht dem, was die soldaten uns gesagt haben: daß die gesamte geisterstadt hinter den checkpoints militärisches sperrgebiet sei. alle warten jetzt darauf, daß issas anwältin der offizielle bescheid zugestellt wird. dann werden sie widerspruch dagegen einlegen.
die olivenernte steht vor der tür und selbst wenn wir nicht hier in der geisterstadt bleiben können, gibt es außerhalb dieser zone genug bauern, die ebenso dringend unsere hilfe brauchen.
olivenernte ist immer eine zeit, in der die siedler besonders erpicht sind, den menschen das leben schwer zu machen.
es ist ja so: bestellt ein bauer drei jahre lang seine felder nicht, gehen sie automatisch an den iraelischen staat und damit an die siedler. der besitzer muß sehen, wo er bleibt und wie er zukünftig seine familie ernährt. der verkauf der ernte ist oft die einzige einnahmequelle der bauern.
und es wird schon sehr gründlich dafür gesorgt, daß die felder nicht bestellt werden können. sei es durch straßensperren oder neu gebaute straßen nur für israelis, die verhindern, daß die menschen ihre felder nicht bestellen können. oder sie werden während der ernte direkt angegangen und an der arbeit gehindert.
internationale helfer stellen einen gewissen schutz dar. ein verprügelter palästinenser erregt kein aufsehen, ein verletzter eurpäer schon.
und die ernte geht auch ein bisschen schneller, wenn 4-6 hände mehr zupacken, auch wenn es ungeübte hände sind.
jedenfalls ist es schön, wieder ‚zuhause‘ zu sein.
Der juristische Crashkurs, den wir gestern bekommen haben, wird uns in Zukunft sehr nützlich sein. Die Soldaten haben vielfach rechtswidrig gehandelt. Sie sind es halt gewohnt, dass sie es mit Palästinensern zu tun haben, mit denen sie machen können, was sie wollen. Aber wir stehen als Nicht-Palästinenser unter Zivilrecht (genau wie die Siedler).
Das heißt, wir haben Rechte (die die Palästinenser nicht haben): Nur die Polizei darf uns festnehmen. Sie müssen einen Grund dafür haben. Wir haben das Recht, einen Anwalt und unsere Botschaft zu kontaktieren. Nur das Gericht darf Einsicht in unser Handy nehmen. Wir haben das Recht, Haftbefehle, Verbotsverfügungen und ähnliches gezeigt zu bekommen. Wir haben das Recht auf einen Dolmetscher. …
Wir (und die Siedler) haben alle diese Rechte; Palästinenser hingegen können jederzeit ohne Angabe von Gründen, ohne Anwalt, ohne irgendwas, für sechs Monate in „Administrativhaft“ genommen werden. Diese Rechtsungleichheit ist Teil der hier herrschenden Apartheid: Diese „Administrativhaft“ hat Israel von Südafrika übernommen. Und oft werden Administrativhäftlinge nach sechs Monaten freigelassen und beim Verlassen des Gefängnisses sofort wieder festgenommen. Wieder und wieder. Ohne Anklage, ohne Verfahren, ohne Richter und ohne Anwalt. Jedes Jahr tausendfach!
Die vier vermummten Soldaten, die uns mitgenommen hatten, haben also mehrfach rechtswidrig gehandelt. Und wir haben heute früh bei der Deutschen Vertretung in Ramallah angerufen und im Anschluss daran eine offizielle E-Mail mit Beschwerde und Sachverhaltsschilderung an sie geschickt. Sie werden jetzt wohl offiziell Beschwerde einlegen. Immerhin liefert Deutschland ja einen Teil der Waffen und Ausrüstung hier. Und die Siedlungen leben zu einem Gutteil vom Verkauf ihrer Waren nach Europa: rund um Hebron ist das vor allem auf gestohlenem Land angebauter Wein.
Cat Content 😉
Weil wir aus guten Gründen weder vom sicheren Haus, noch vom Weg zurück ins Sumud Zentrum Bilder gemacht haben, hier zum Trost etwas Cat-Content!
Adam, der Hauskater des Sumud, hat soeben binas Strickzeug entdeckt!
(zeitliche Reihenfolge der Bilder: von unten nach oben und von rechts nach links.)





