Normalverschiebung

Di., 28.10.

die wahrnehmung, was normal ist und was nicht, was also was filmenswert ist, ist für die menschen hier extrem unterschiedlich zu dem, was in deuschland normal ist.

  • normal ist es hier, dass sich vier soldaten auf einen nachbarn stürzen, den sie auf patrouille treffen und ihn zu boden werfen.
  • normal ist es, dass der neue nachbar verhaftet und zum verhör mitgenommen wird, weil er jeden abend zur selben zeit am wachposten vorbei geht. klar, wer regelmäßig zur arbeit geht hat auch regelmäßig feierabend und muß dann am wachposten vorbei, der zwischen den checkpoints und seinem haus liegt.
    geregelte arbeit! das geht ja gar nicht….
  • normal ist es, dass man angeschnauzt und weggeschickt wird, wenn man den seitlichen teil der EIGENEN terrasse unterhalb der siedlung betritt.
  • normal ist es, dass die italienerin noch zwei tage versucht durch den checkpoint 56 zu kommen, weil sie noch sachen im sumud-zentrum hat, und beide male abgewiesen wird. mit der lüge, das gesamte gebiet auf dieser seite des checkpoints, sei eine closed military zone. sie ist dann mit ablauf ihres visums und unverrichteter dinge über jordanien ausgereist.
  • auch für uns ist es inzwischen normal, dass wir bei drohnengeräuschen im haus verschwinden. (michel witzelt: ‚was machst du für einen sport?‘ – ‚ich renne ins haus, wenn drohnen kommen.‘)
  • dass soldaten und siedler mit waffen herumlaufen, denen man aus dem weg geht.
  • dass wir uns auf den seltenen gängen nach H1 aus dem haus und wieder hinein stehlen und vorher klären, ob es sicher ist.
  • normal, dass die siedlerjugendlichen so gut wie jeden tag die oliven aus der palästinensischen nachbarschaft stehlen. soldaten meist mit dabei sind und (fast) nie eingreifen.
  • die jungs vom YAS beobachten das nur, rufen die ‚civil administration‘ an, die aber doch nie kommt. würden sie hinausgehen, bekämen sie ärger.
    auch das ist normal.

für die menschen hier ist das alles nicht mehr filmens- und berichtenswert und wir bekommen hinweise, wann filmen unnötig ist und wann wichtig. wichtig ist es dann, wenn siedler oder soldaten auf die terrasse eindringen, und wenn die YAS-aktivisten involviert sind und ihnen anschließend tätlichkeiten unterstellt werden könnten.

Olivenklau – wieder mal

so geschah es am sonntag den, 26.10. und auch am montag. dieses mal am baum direkt an unserer tür. wir können über die kameras sehen, wie die jugendlichen eine sehr lange stange zusammenstecken, eine plane unter den baum legen und die oliven von den zweigen schlagen.

Das sind jetzt der 3. und 4. Olivendiebstahl der beiden Siedler-Teenager. Die ersten beiden waren letzten Freitag und vorletzten Freitag. Immer um 15:00 oder 16:00 Uhr. Hier ein Video vom 3. Olivendiebstahl, bei dem ein Siedler vorbeikommt, der mit seinem Hund spazieren geht, und kurz mit den beiden Dieben redet. (Kein Palästinenser kann sich trauen hier einfach so spazieren zu gehen.)

beim letzten olivendiebstahl sehen wir auch, und das wundert uns wirklich, dass zwei soldaten versuchen, es den jungs zu verbieten. aber die soldaten haben keine handhabe, denn für siedler-angelegenheiten ist die polizei zuständig. issa wird angerufen und ist tatsächlich wie angekündigt nach 5 minuten da. wir sehen, dass die jugendlichen ihn sofort angehen wollen und beobachten (es geschehen noch zeichen und wunder), dass die soldaten das aktiv verhindern und issa unbeschadet das haus betreten kann. die diebe verschwinden dann auch.

Der Diebe lassen sich von den Soldaten nicht von ihrem Tun abhalten.
Ein dritte Siedler-Teenager, der dazugekommen ist, um zu helfen, geht sofort aggresiv auf Issa los, als dieser nach Hause kommt. Aber die Soldaten halten ihn tatsächlich zurück. Leider eine große Ausnahme, nicht die Regel, gegen ihre Einsatzrichtilinien. – Siedler, die Palästinenser angreifen dürfen NICHT von Soldaten gestoppt werden.

Sumud: Olivenbäume überleben!

zu unserer großen freude schlagen die beiden uralten olivenbäume aus diesem video, die am 7. September 2023 von siedlern angezündet wurden (genau einen Monat VOR dem Hamas-Überfall), wieder aus.

Immer noch keine Antwort

Die deutsche Botschaft hat weder auf ihre offizielle Beschwerde in unserer Sache, noch auf die beiden Erinnerungsschreiben mehr als automatisierte Eingangsbestätigungen vom Israelischen Außenministerium bekommen.

Sofern ich den hohen deutschen Diplomaten, mit dem ich darüber gesprochen habe, richtig verstanden habe, ist das eigentlich ist das ein diplomatischer Affront, aber für Israel im Umgang mit Deutschland derzeit normal. Israel scheint in Anbetracht der Deutschen Staatraison keinen Anlass zu sehen, sich an diplomatische Regeln und Gepflogenheiten zu halten.

Selbst das grundlegende Rechte auf konsularischen Beistand für deutsche Staatsbürger in israelischer Haft setzen sie außer Kraft, ohne dass Deutschland ernsthaft reagiert. Letzte Woche saß eine deutsche Aktivistin, die Palästinensern bei der Olivenernte geholfen hatte, drei Tage in Abschiebehaft, ohne dass ihr Kontakt zur deutschen Botschaft gewährt oder die Botschaft auch nur informiert wurde.

Trotzdem ein Ausflug

erst mal geht es in den hammam.

Die Rituale und Abläufe im Hammam sind hier in Hebron anders, als alles, was wir kennen. Während man auf dem heißen Stein liegt, wird man mit halben Zitronen und Soda abgerieben. Die Massage ist ohne Seifenschaum. Aber der größte Unterschied ist, dass es ein kleines Tauchbecken gibt:

Wenn man dieses 300 Jahre alte Tauchbecken einem Archäologen zeigt, wird er es mit sicherheit als jüdische Mikwe identifizieren. Als jüdisches Ritualbad. – Jetzt ist Hebron bekannt dafür, dass hier sehr viele sehr alte Traditionen gepflegt werden, weil die Familien hier ja sehr alt, konservativ und traditionsbewußt sind. Wir fragen uns, ob diese mikweartigen Tauchbecken in den Hammams hier ein Überbleibsel aus der Zeit vor zweitausend Jahren sind, als eben diese Familien jüdisch waren. (Wir schrieben ja, dass sie nachweislich seit der Bronzezeit vor 4.400 Jahren kontinuierlich hier leben.)

aber es ist auch schmerzhaft, denn wir werden mit einem schröpfkopf massiert. dazu nimmt der inhaber einen einfachen keramikbecher, in dem ein benzingetränkter wattebausch angezündet wird, presst ihn auf die haut und zieht ihn über den körper. es tut höllisch weh, aber hinterher ist es schön. wir wußten nicht, das teebecher auch foltergeräte sein können.

leider kommt er mir über die massage hinaus auf eine weise nahe, die ich nicht mehr gut finde. ich muß seine zudringlichkeiten sehr deutlich abwehren und wir beschließen, issa zu bitten, das bei ihm anzusprechen. er hat zu ihm die kulturelle augenhöhe und kann das als muttersprachler sicher weniger verletzend als ich.
es ist aber auch verwirrend. ich renne, sauna-gewöhnt, nackig und bestimmt einladend herum und will dann doch nicht. nächstes mal wickele ich mir das laken um, dass man anfangs bekommt und auf dem man auf dem heißen stein und der massagebank liegt.

auf dem weg zurück entdecken wir tatsächlich den buchladen von abeer:

der einzige buchladen in der altstadt und der erste überhaupt. abeer sagt, es hätte wohl mal einen schreibwarenladen gegeben, aber keinen buchladen. sie hat ein sammelsurium aus gebrauchten und neuen büchern, hauptsächlich auf arabisch, und wir erstehen buch von gerry adams auf englisch. gerry adams ist der ehemalige präsident der irischen sinn fein, soll bei der ira gewesen sein und war maßgeblich am karfreitagsabkommen in irland beteiligt.
abeer bietet auch unterschiedliche zeichenkurse und vorleserunden für kinder und frauen an und kriegt jedes mal zuviel, wenn die siedler ihre samstags-spaziergänge durch die altstadt machen und die soldaten dann ihren laden schließen.
michel organisiert tee, wir klönen eine weile und werden sie bestimmt wieder besuchen.

danach treibt uns der hunger an einen der imbiss-stände (neudeutsch: street-food).
nirgendwo schmeckt schlichtes kebab mit gegrillten zwiebeln und tomaten im pitta so gut, wie von einem stand bei dessen anblick jeder deutsche amtsarzt zustände kriegen würde.

michel plündert noch einen bankautomaten und wir stromern weiter ins q-candy, einem cafè amerikanischer art, das wir noch von 2017 kennen. es gibt kaffee und kuchen. unfassbar, es hat sich nichts verändert. aber uns fällt auf, das es auf dem weg dorthin sehr viel mehr schicke läden gibt als damals.

in der dämmerung gehen wir dann zurück zum abfahrtsplatz der service-autos am checckpoint 56 und dort treffen wir ashwaq.
eine junge rechtsanwältin, die auch in unsere richtung will, recht gut englisch spricht und ganz begeistert von unserer bekanntschaft ist. sie lädt uns zu sich nach hause ein.
ihre ganze familie strömt zusammen, die nachbarn dazu und immer kommt noch jemand hereingeschneit und will sehen, wen ashwaq da mitgebracht hat.
der zirkus (also wir) ist in der stadt.

Das ist der kleinere Teil der Familie. Die meisten waren kamerascheu. Es waren allein neun Geschwister von Ashwaq, zum Teil deren Gatten und Kinder, sowie Ashwaqs Eltern, Großeltern, Onkels, ich glaube Tanten und… Ich habe den Überblick verloren.

es gibt für uns essen und cola und anschließend kaffee, staunende blicke und leider auch viel schweigen, weil nur ashwaq übersetzen kann, aber die ganze zeit hin und her flitzt und uns serviert.
grade die frauen sind zu schüchtern, ihre fragen zu stellen und so nehme ich meinen kaffee und bitte die frauen nach nebenan.
offensichtlich ist das genau das richtige. sie trauen sich zwar immer noch nicht zu fragen und mir wird nur gesagt, wie hübsch ich bin, aber alle legen schwatzend und kichernd ihre kopftücher ab und zeigen mir ihre haare. was kommen da für wallemähnen unter den hidjabs hervor! dick und teilweise oberschenkellang!

nach einer stunde müssen wir wieder gehen. das sumud-zentrum wartet auf uns und die tagwache will nach hause.
michel war so klug und hat das gleich am anfang deutlich gemacht, so dass es nicht, wie wir es bei unseren syrischen freunden in deutschland schon erlebt haben, zu irritationen kommt, weil wir so plötzlich aufspringen.
schnell ist jemand gefunden, der uns zu der stelle fährt, wo wir auch aus dem service aussteigen würden um schnell zum haus zu kommen.
die nacht ist ruhig. nur vom wachposten hören wir stimmen. die soldaten haben mal wieder besuch, was auch ärger bedeuten könnte. und wir riechen massive haschisch-wolken, die zu uns herunter wabern.

Das ist gut! Wer bekifft ist, wirft keine Steine.

Cat Content

Adam und Lilith die beiden Katzen des Sumud sind bei uns inzwischen komplett handzahm und haben letzten Morgen (nach der Nachtschicht) das erste Mal beide mit bei uns im Bett geschlafen.

Und sonst …

… als zöge sich eine schlinge zu

während michel sich mit schreiben über das aktuelle tagesgeschehen den streß und die anspannung von der seele schreibt und auch unsere kontakte mit infos versorgt, bin ich die „gonzo fraktion“ und berichte vom ganzen drumherum.

auch ich brauche ein ventil: katzen streicheln, küche machen und dekorativ mit offenen augen und ohren herumsitzen – das reicht nicht wirklich: es fühlt sich an, als zöge sich eine schlinge immer weiter zu.

diese kurzfristigen „closed militäry zones“, die spontan und jederzeit ohne begründung ausgerufen werden. immerhin haben wir dieses mal ein dokument und eine karte zu sehen bekommen.

die ablehnung, oliven ernten zu dürfen (allein schon, daß ein olivenhainbesitzer um ernteerlaubnis bitten muß) ist perfide und auch, dass die ablehnung nicht begründet wird der bauer soll sich mit einem „ist so“ zufrieden geben und weiß ganz genau: ab nächstem jahr gehört das land nicht mehr ihm und er weiß möglicherweise nicht, woher er geld zum leben für sich und seine familie nehmen soll.

das konsquente entfernen von mitstreiter/innen aus H2, europäischen wie palästinensischen, wobei die jungs von YAS hier sogar gemeldet sind und deswegen hier sein dürfen.

die zunahme der gewalt durch die siedler und deren dreistigkeit inklusive der wachsenden rigorosität der soldaten: den seitlichen teil unserer terrasse (der von der siedlung einsehbar ist), kann derzeit niemand mehr betreten ohne dass der wachsoldat einen laut und unfreundlich wegjagt – und möglicherweise eine razzia herbei ordert. währenddessen fallen die oliven mittlerweile von den bäumen und dienen den katzen als spielzeug.

das geht mir [bina] wirklich an die nieren und michel geht es auch so.

wenn ich morgens aufwache und nach einem meist erstaunlich netten traum realisiere, wo ich bin, habe ich sofort einen großen stein im magen, der tagsüber nicht verschwindet. es ist kein wunder, daß menschen im gebiet H2 herzinfarkte bekommen und magenbeschwerden haben.

nervennahrung

das sind die leckersten erdnussflips, die ich kenne. dagegen sind die heimischen wie trockene briketts: riesengroß, auf der zunge zergehend und mit sicherheit voll mit allem, was BASF und die nahrungsmittelchemie zu bieten hat. leider sind die packungen beklemmend klein und auch nur zu einem drittel gefüllt.

Schafschur

michel war mit seinen langen haaren bisher immer mehr als gut auszumachen. sei es für die soldaten, siedler oder die drohnen. ich bin mit meinen roten haaren und immer rock tragend auch gut zu erkennen, weshalb ich in zukunft einerseits öfter hosen tragen werde, und andererseits auf der terrasse eine dunkele kefiyye dabei haben werde, die ich mir über den kopf werfen kann.

ich werde mir bei nächster gelegenheit in H1 ein schwarzes tuch kaufen, das ist unverdächtiger. hoffentlich gibt es bald eine solche gelenheit. heute ging es für michel ans haareschneiden und jetzt sieht er aus wie: „michel war ein lausejunge aus nem dorf in schweden.“ aber so ein gutaussehender!

ganz schön viel arbeit!
es macht spaß …
… sieht aber ungewohnt aus.

so kurze haare hatte michel seit mitte der 1990er nicht mehr, und er sagt beim darüber streichen, es fühle sich dennoch ganz vertraut an.

der rasierer braucht erst mal pause, morgen ist der feinschnitt dran.

how to film

wir haben gestern von mohannad eine schnelleinweisung zum filmen von geschehnissen bekommen. das war mehr als hilfreich.

wie sollen wir die kamera halten (möglichst bewegungsarm mit beiden händen gegen wegnahme, dicht vor dem körper und im querformat), worauf achten wir, wenn wir aus den türluken heraus filmen (das gesicht nicht direkt vor die luke halten, es könnte von siedlern mit tränengas gesprüht werden), wie sollen wir beim filmen stehen (möglichst in einer ecke, mit blick auf die 2. person, die filmt, sodaß man schuß und gegenschuß hat) und was gehört nach möglichkeit in das filmchen, damit es verwertbar ist und als beweismittel taugt (beide seiten der auseinandersetzung).

mohannad macht es kurz, knackig und gut umsetzbar. ich muß ihn noch fragen, in welchem modus man am besten nachts filmt.

Habemus papam?

es sieht gefährlicher aus, als es ist. hier wird wohl müll verbrannt. das ist hier durchaus üblich. wir vermuten autoreifen, aber das wissen selbst die jungs von YAS nicht so genau.

issas katzen

eigentlich ein bild des friedens

issa freut sich sichtlich über die zutraulichkeit von lilith und erzählt, daß er vor dem 7. okt. 2023 drei kleine kätzchen bei sich aufgenommen hatte. die katzenmutter kümmerte sich nicht um sie, also hat er sie gefüttert und versorgt.

dann kam das massaker der hamas am 7. okt. 2023 und am 20. okt. wurde er aus seinem haus hinausgeworfen. er sagte noch zu den soldaten, sie mögen sich bitte kümmern und die katzen füttern, ließ extra die tür offen. die soldaten versicherten ihm, sie würden sich kümmern, er solle sich keine sorgen machen.

als er 16 tage später wieder in sein haus zurückdurfte, war die tür geschlossen und die kätzchen verhungert.

wir lernen: traue nie den worten von soldaten.

{mit Bestürzung behutsam redigiert von vS}

Stromausfälle und Ausflug

Sonntag-Dienstag (19.-21.10.)

so langsam schleicht sich hier eine art routine ein.

es ist klar, wer wann in etwa kommt und unser haus mit beschützt. mohammad bringt immer irgendwas vom laden mit. meist pita, weil mittlerweile klar ist, dass wir dies wunderbare brot quasi wegatmen. aber auch kleine quarkpuddings, die wie ein pflaster für unsere eigentlich dauerhaft angespannten nerven sind.
und wenn wir auch manchmal das gefühl haben, wir machten mehr mühe als dass wir nützlich wären, sind das die kleinigkeiten, die uns zeigen, dass wir gern gesehen und unsere anwesenheit hier für die palästinenser wertvoll ist.

wir machen oft keine richtigen nachtwachen, trotzdem klingelt der wecker um 01.00h und wir sind bis 03.00h halbwegs wach, falls wir nächtlichen besuch bekommen. wir schlafen halb angezogen, sicherheitshalber. aber es bleibt ruhig.

tagsüber sitzen wir viel auf unserer bank an der hauswand (nur bei drohnenalarm gehen wir schnell rein), ich wasche ein paar sachen durch oder scheuere die küchenschränke aus, die es dringend nötig haben.

Was für eine Nacht!

der wassertank auf dem dach war leer und es läuft nun den halben tag lang bis in die nacht hinein eine pumpe auf der terrasse unter unserem fenster. zudem neigt sich das gas dem ende zu und wir müssen damit ein bisschen sparen. die küche bleibt kalt. wir sind gespannt, wie ersatz herangeschafft wird (wie sich später herausstellt: ganz einfach, die 2. flasche auf der treppe ist noch voll!). irgendwann macht mohammad die pumpe aus und wir hören vom dach wasser tröpfeln und rinnen (er hat wohl zu viel reingepumpt).

um 01.00h klingelt wie gewohnt unser wecker und dann fängt gegen 02.00h das licht an zu flackern. die kabelverbindungen britzeln und beginnen zu rauchen, genau so wie eine steckdose und die neonröhre in unserem zimmer. dann gibt es ein paar funken und alles ist dunkel.
na klar, kurzschluß wegen des rinnenden wassers, denken wir erst, aber letztlich sind es spannungsschwankungen, wie wir sie in deutschland nicht kennen. zwei ladekabel schmoren durch und eine der neonröhren im zimmer. gott sei dank haben wir keine geräte zum aufladen am kabel.

aber im sekundentakt piept der stromzähler neben uns im flur und meldet fehler.
der schlaf bleibt dünn.

Sabotage der Hauptstomleitung?

So, 19.10:
tagsüber haben wir dann wieder elektrizität, aber mit dem laden von unseren geräten sind wir mehr als vorsichtig und lassen sie derweil nicht unbeaufsichtigt.

eine attacke oder sabotage durch die siedler oder so? eher nein, sonst hätten wir in der nacht noch ‚besuch‘ bekommen. außerdem ist hier in der geisterstadt und in H2 alles irgendwie improvisiert. hinein dürfen nur palästinensische menschen, die hier gemeldet sind: nur mit glück wohnt hier auch ein handwerker. deshalb sind die leute von YAS auch so wichtig und willkommen, denn sie helfen den menschen im alltag und bei reparaturen.
es würde uns wundern, wenn die stromleitungen irgendeiner norm entsprächen.

Fast jeder der Aktivisten von YAS hat ein anderes Handwerk gelernt. Als mobiler Reparatur- und Bautrupp wären die bei uns in Deutschland der Hammer!

in der nächsten nacht haben wir wieder keinen strom. diesmal sind aber keine schäden zu beklagen und hammad stellt auch den stromzähler stumm.

nicht nur unser haus ist dunkel. die palästinensischen häuser in der umgebung sind alle dunkel. nur der israelische wachposten auf dem haus nebenan hat wie üblich seine stadionbeleuchtung an und die siedler oberhalb von uns haben auch licht.

hammad vermutet, dass diesmal die palästinensische hauptstromleitung mutwillig gekappt wurde – von den üblichen verdächtigen …

Für diese Hypothese spricht auch, dass Siedler und Soldaten mitten in der Nacht bereitstehen, um Reparaturversuche der Palästinenser zu unterbinden.

Ausflug in die Stadt am Montag (20.10.)

trotz allem müssen wir heute in die stadt zum einkaufen. wir brauchen einiges. vor allem einen bankomaten.

über einen checkpoint hinaus zu kommen ist kein problem, eine kontrolle findet nicht statt. den weg dorthin bestreiten wir zügig. nur nicht unnötig aufmerksamkeit erregen.
dann der lärm der stadt, die vielen menschen, die farben, die gerüche, das chaos einer nahöstlichen stadt … wie gut das tut!
und auch die wärme. in der stadt ist es immer noch sehr warm, während bei uns oben ständig ein kühlerer wind weht.

michel kauft sich neue schuhe in einem größeren laden. zwei verkäufer überschlagen sich fast, beschäftigen einen dritten hinten im lager, ich werde auf einen hocker genötigt, es gibt erst mal kaffee. das am häufigsten verwendete wort ist : shwayy shwayy (langsam langsam, immer mit der ruhe).
michel findet was er braucht und zahlt umgerechnet unter 20 € für zwei paar schuhe.

eine drogerie macht mit uns ehrliche geschäfte und mich mit hautmilch glücklich, ein straßenhändler freut sich, dass er uns drei bund frischer pfefferminze verkaufen kann.
von einem hühnerfleisch-händler werden wir übers ohr gehauen, denn er nimmt uns für zwei größere packungen geschnittenes fleisch, was für die katzen sein soll, fast 20 € ab.
das lehrt uns VORHER nach dem preis zu fragen und dann auch weiter zu gehen, wenn wir nicht einverstanden sind.

vielleicht hätten wir doch eine gasse weiter auf dem hühnermarkt kaufen sollen …

in dem elektroladen ersteht michel eine weitere stirnlampe, die eher ein scheinwerfer ist. sie kostet 10 €.
dafür ist in dem kleinen lebensmittelladen, in den wir hineinschneien, der spendierte kaffee ausgesprochen lecker.

nun noch äpfel und limo und chips an verschiedenen ständen erstehen und die hiesigen, superleckeren erdnussflips. einen weiteren kaffee schenkt uns der souvenierhändler im shouk, wo wir unsere kuffiyyes kauften und jetzt auf einer bank davor sitzen.
wir sollten unsere favorisierten geschäfte nach der qualität ihres angebotenen kaffees aussuchen!

wir beschließen, durch den checkpoint an der machpela zu gehen. der wird von vielen touristen genutzt und auf touri machen können wir ja.
erst mal werden wir zusammen mit einem gehörlosen palästinenser eine halbe stunde davor stehen gelassen, bis die wachposten merken, dass nicht nur er da ist, sondern auch touristen.

Der Checkpoint an der Machpela (dem angeblichen Grab Abrahams und seiner Familie). Vor uns wartet ein Gehörloser auf Durchlass. Versucht auf sich aufmerksam zu machen. Aber die Soldat*innen machen sich einen Spaß daraus, ihn zu ignorieren.

sie lassen sich lediglich unsere pässe zeigen und wollen nur wissen, wohin wir wollen.
„zum bus richtung jerusalem.“ neiiiin, wir seien weder juden noch moslems, sondern christen. „zur moschee????? ach, was sollen wir da??????

Was mich aufregt: Erst machen die Soldat*innen sich eine halbe Stunde lang einen Spaß daraus, einen gehörlosen Palästinenser zu ignorieren. Und anschließend wollen sie von uns hören, wie toll wir Israel finden. Sie haben doch gemerkt, dass wir mitbekommen hatten, wie sie vorher den gehörlosen Mann behandelt haben. So lange, bis sie realisierten, dass hinter ihm „Touristen“ stehen. (Die schlimmsten Mobber, die ich in meinen Schulklassen hatte, hatten mehr Gerechtigkeitsempfinden und Empathie.)

Gleich hinter der Machpela sehen wir diese geschlossenen Läden und es zerreißt uns das Herz.

es ist traurig, die geschlossenen läden von achbed, seinen kollegen nebenan und der töpferei zu sehen. sie waren 2017 immer ein sumud-bollwerk und ein bunt-lebendiger fleck auf dem weg über die shuhada street. wenigstens ist die töpferei „nur“ in den shouk in H1 umgezogen. So sah es hier damals aus:

Sein Haus, das diese zwei Läden und drei dahinter liegende Apartements beherbergt, liegt am strategisch wichtigsten Punkt Hebrons.

Im Januar 2018 hatten wir unter dem Titel: Der 100-Millionen-Dollar-Mann über Ahbed und seinen Laden geschrieben: „Er hat sich weder durch Gewalt und Schikane vertreiben, noch kaufen lassen.“ – Leider haben sie ihn und seine Familie offensichtlich im Laufe der Jahre und der zunehmenden Brutalisierung und Enthemmung der Siedler und Soldaten doch klein gekriegt.

wir gehen durch die neue apardheitstraße, von der wir ja schon erzählten, beschäftigen die soldaten am nächsten checkpoint mit fröhlichen fragen nach der abrahamsquelle und wie die auf hebräisch heißt. (‚mayyan avrahim‘. wasser heißt auf arabisch mayy.)
es funktioniert und wir werden nicht weiter aufgehalten. die einzige schwierigkeit für uns ist, kein arabisch zu radebrechen, sondern die drei worte hebräisch rauszulassen, die wir können.

Die Shuhada Street ist für Palästinenser komplett gesperrt – auch für diejenigen, die hier wohnen: sie müssen ihre Häuser von hinten über die Dächer der Nachbarn betreten. Siedler haben sie in die, hebräisch, „König-David-Straße“ umbenannt (was leider sogar google.maps mitmacht). Dann sehen wir dieses Schild:

was für eine infame, wahrheitsverdrehende schönfärberei! im englischen gibt es dafür das wort ‚spinning‘

wir gehen durch die tote shuhadastreet und ich versuche, mich mit großen begeisterten blicken umzuschauen. nicht, dass es etwas schönes zu sehen gäbe (die verschweißten, einsamen läden, in denen so viel leben herrschen könnte, sind kein schöner anblick), aber so bleibe ich im touristenmodus.

Wir schrieben ja, dass es für die Palästinenser in der Geisterstadt unmöglich ist, im Notfall einen Krankenwagen kommen zu lassen. Hinten im Bild sieht man zwei von drei Krankenwägen, die wir auf der Shuhada Street gesehen haben. Sie stehen dort rund um die Uhr bereit, nehmen aber nur Juden mit.

an der abrahams quelle machen wir sicherheitshalber ein foto und falls wir von soldaten angesprochen werden: wir sind auf dem weg zu den ausgrabungsstellen in tel rumeida.

Man beachte die Fantadose (Bildmitte links), die ein Siedler oder Soldat in die heilige Quelle geworfen hat. Die Palästinenser meiden diesen für sie gefährlichen Ort.

aber wir werden in ruhe gelassen und machen noch dieses foto:

der baum ist übrigens gut und gern 2000 jahre alt

das sumud ist schon in sicht, umm temer (mutter von temer) öffnet schnell die tür und wir sind wieder in sicherheit.
hammad lacht sehr über unsere schilderung der heimkehr und schüttelt verwundert den kopf.

mittlerweile ist auch europäische verstärkung gekommen. gracia aus italien hat es hierher geschafft, nachdem sie bei der einreise vier stunden lang in eilat interviewt worden war und dann auch noch am checkpoint festgehalten wurde.

hammad kann mit einer gruppe elektriker die angeschnittenen stromkabel zumindest zum teil reparieren. allerdings wird er erst von einem soldaten und einem siedler daran gehindert. es konnte auch nicht alles repariert werden, sondern nur ein kabel. jetzt gibt es zwar wieder strom, aber noch nicht genug.

eine jüdische besuchergruppe macht mal wieder eine besichtigungstour. wir würden zu gern mal einer beiwohnen, damit wir erfahren, was so erzählt wird. sie benehmen sich irgendwie wie kauf-interessenten auf einem baugrundstück, denen das gelände fast schon gehört.

wir halten wieder aktiv nachtwache. mohammad wurde nicht hineingelassen, hammad muß irgendwann auch mal nach hause. er hat schließlich frau und kinder.
so sind wir also nur zu dritt.
aber die nacht bleibt ruhig und wir sind froh, dass wir dies immer wieder schreiben dürfen.

In den Checkpoints, durch die man in die Geisterstadt kommt, sind Schikanierungen die Regel, nicht die Ausnahme. Die Italienerin musste zweimal durch, und wurde zweimal je eine dreiviertel Stunde festgehalten und befragt. Und jetzt stalken die Soldaten sie auf Linkedin … und so weiter. Hamad haben sie heute früh auch eine halbe Stunde festgehalten und befragt. Es ist eine Nachricht, wenn jemand mal keine Schikane erlebt.

{Text behutsam redigiert von vS}

Alltag?

Di & Mi, 14. & 15. Okt.

wir schlagen immer noch reichlich zeit tot.
sitzen viel wie ein altes ehepaar auf unserer bank unter dem olivenbaum, lächeln die anderen aktivisten an, die an uns vorbei gehen in ihrem tun.
die katzen gesellen sich zu uns, wenn sie möchten und wir freuen uns, wenn sie gestreichelt werden wollen. wir lesen, surfen im internet, ich versuche zu stricken. zum arabisch lernen fehlt uns die konzentration. ab und zu kommt jemand vorbei und schenkt uns tee oder kaffee ein.

wir haben immer ein ohr auf die tür rechts von uns, auf den soldatenposten links hinter dem haus und auf eventuelles drohnengesirre über uns.
gestern nacht war der himmel voll davon. manche sausten herum und manche standen am himmel wie der stern von bethlehem.

die finden wir wirklich unangenehm. nicht körperlich, aber emotional. dies gefühl, beobachtet zu werden von einer maschine, während irgendwo in einer militärbasis ein soldat hockt und die bilder anschaut. er kann nah heran und zurück zoomen, von rechts oder links schauen und man hat kein gesicht zu der person. aber er weiß, was wir frühstücken.

ein vorteil: wir wissen, dass sie nicht schießen werden, im gegensatz zu anderen drohnen in gaza.

Blinkende Drohnen bei Nacht. Nur die größeren, die höher fliegen, haben Positionslichter. Die kleineren, die dichter an uns dran sind, haben sie nicht.

simrath torah, ein weiterer jüdischer feiertag, ist in der nacht in vollem gange, wir hören von unten vom vorplatz der machpela musik und die siedler tanzen die ganze zeit mit der torah, wie es an diesem festtag brauch ist.

dienstag morgens hieß es, dass die wiederholte gefahr auf nächtlichen stress mit siedlern, ziemlich hoch sei. deshalb sind wir eher angespannt, als muhammad und mohannad nach hause gehen und wir allein sind. issa ist noch auf einem nachträglichen festakt zum tag der deutschen einheit im deutschen konsulat in ramallah. wann er kommt, ist ungewiss.

als er endlich auftaucht und hält issa keine nachtschichten für nötig. die siedler sind wohl doch zu sehr mit ihrem feiern beschäftigt. er stellt uns sogar in aussicht, dass wir uns morgen ruhig in die stadt hinunter trauen könnten. so gehen wir fröhlich zu bett.

in einem unserer kurzen ausflüge auf den vorderen teil der terrasse machen wir diese fotos:

das sind israelische miliärposten in H1, die dort gar nicht sein dürften. in H1 hat das israelische militär eigentlich nichts zu suchen. das ist der machtbereich der palästinensichen autonomie-behörde. aber die armee interessiert das nicht.
diese posten hätten eigentlich mit dem 1997
unterschriebenen hebron-abkommen abgebaut werden müssen, aber die armee hat sich nicht daran gehalten, denn sie stehen strategisch äußerst günstig auf bergen innerhalb hebrons.

hebron liegt in einem sehr engen tal. unten in H1 ist gerade mal platz für zwei schmale straßenzüge, bevor es rechts und links wieder die hänge hinauf geht.
von dort oben können die posten die ganze stadt überblicken und natürlich auch kontrollieren.

am mittwoch morgen fängt der tag – eigentlich wie immer – mit gemütlichem frühstück an. issa trinkt einen tee mit uns, die katzen kommen zum schmusen und wir freuen uns an dem immer noch recht warmen wetter.

mittags kommt eine gruppe britischer diplomat*innen zum sumud-zentrum hinauf. sie haben eine walking-tour mit ‚breaking the silence‘ gemacht und lassen sich hier oben von izzat erzählen, wie sich das leben in hebron für palästienser anfühlt und was das YAS und das sumud-zentrum sind.
‚breaking the silence‘ ist eine organisation ehemaliger soldaten, die den mut aufbringen zu veröffentlichen und zu erzählen, was sie während ihrer zeit in der israelischen armee gemacht haben. das bedeutet für sie viel, denn sie werden von vielen seiten angegriffen. die regierung versucht ihre arbeit zu behindern, für die armee sind sie verräter und wir wissen von einigen, deren gesamte familie sich von ihnen losgesagt haben, weil sie ihr tun öffentlich machen.

Links (mit Kippa) der ehemalige Soldat, der die Gruppe herumführt. Geradeaus sitzt Izzat, der erzählt. Die britischen Diplomat*innen hören gebannt zu, stellen anschließend neugierige Fragen, und werden hoffentlich dafür sorgen, dass das Vereinigte Königreich eine bessere Nahostpolitik macht.

für uns ist dieser besuch eine willkommene abwechselung.

aber kaum, dass die gäste wieder verschwunden sind, müssen wir im haus verschwinden, weil soldaten an die tür schlagen.
aufstehen, sachen vom tisch mitnehmen und schnell und leise im haus verschwinden, ist mittlerweile eine bewegung. dann noch leise die küchentür und unser zimmer von innen abschließen, das licht ausmachen und am fenster lauschen, was geredet wird.
dieses mal wird nach ‚internationalen‘ und nach frauen gefragt und es heißt, es stünden an die 50 soldaten um das haus herum. sie lassen sich abwimmeln. issa wird informiert und meint, die sind auf irgendeiner übungstour, zeigen präsenz und belästigen palästinensische nachbarn.
50 soldaten, 50 std. arbeitszeit … was für ein geldverbrennen!


Und dazu noch die Drohnen, die dieses Aufgebot begleiten und ums Haus schwirren.

die spinnen, die israelis!!!!!

a pro pos „palästinenser belästigen“: unten an der machpela gibt es wieder eine apartheitsstraße. das heißt, den breiten teil der straße dürfen nur siedler, sonstige israelis und internationale betreten, während der schmale, unwegsame teil hinter einem langen absperrgitter für die palästinenser bleibt.

Issa hat es heute auf seinem Instagram-Account veröffentlicht.

beobachtungsschnippsel:

  • kaffee und tee wird abwechselnd immer in denselben langstieligen töpfen auf dem gasfeuer gekocht. und der tee schmeckt trotzdem immer nach tee und dem kaffee merkt man auch nicht an, dass vorher tee in der kanne war.
    wenn ich daran denke, welches theater zuhause immer gemacht wird, tee- und kaffeekannen ja getrennt zu halten, denn wie scheußlich es schmeckte, wenn sich mal jemand vertut. liegt´s am unterschiedlichen material?
  • mich würde auch interessieren, nach welchem system der muezzin welche lieder erklingen läßt. sie klingen so unterschiedlich. gibt es auch dort eine art liturgie?
  • und oben, im ersten stock des sumud-zentrums, singt mit seiner schönen stimme mohammad seine gebete, während der muezzin noch ruft.

Ein einigermaßen entspannter Tag

Mittwoch/Donnerstag, 8.+9.Okt.

michel führt gleich morgens ein sehr nettes, informatives und konstruktives gespräch mit der deutschen vertretung in ramallah.
der stellvertretende konsul ist außerordentlich auf zack, hat michels mail gelesen und die dringlichkeit verstanden, schickt uns umgehend eine protestnote, sprich beschwerde, die an den deutschen botschafter in tel aviv, geht, der diese an das israelische außenministerium weiterleitet. der konsul regt sehr fürsorglich an, die hebron doch vielleicht zu verlassen, da es hier nicht unbedingt sicher sei. als wir das ablehnen, bittet er uns, doch bitte vorsichtig zu sein und er wünsche uns alles gute.

der tag ansonsten ist im gegensatz zu gestern ruhig. die siedler sind mit dem laubhüttenfest (sokkot) beschäftigt. überall wird gefeiert. sokkot ist das jüdische erntedankfest und geht eine woche lang. aber richtig feiertag ist für liberale juden nur der erste tag. die konservativen juden haben zwei feiertage, der rest sind sogenannte halbfeiertage (wohl etwa so wie unser 24. dez.)

soldaten sitzen am hang zum olivenhain und genießen die aussicht.

und siedler sind auf dem weg von und zur machpela

und wir haben tatsächlich gelegenheit, das noch gut warme wetter draußen zu genießen.

über die laute musik sind wir recht froh..
denn fast ununterbrochen hört man die lautsprecher der verkaufswagen, die oberhalb des sumud durch die straßen fahren und aus denen in dauerschleife schief tönende quäkende melodien mal lauter mal leiser als erkennungszeichen ertönen.
happy birthday‘, oder ‚morgen kommt der weihnachtsmann‘ (kein witz, die meldodie hat hier wohl eine andere bedeutung. als ich mohammad erzähle, das das bei uns ein weihnachtslied ist, will er es mir nicht glauben) und noch was anderes.
happy birthday‘ verkauft gasflaschen, der andere wasserkanister.

über uns kreisen öfters drohnen. issa und die anderen können unterscheiden, welche von den siedlern sind und welche von den soldaten. sicherheitshalber verziehen wir uns unter das dichte blätterdach der olivenbäume. das militärische sperrgebiet, zu dem das sumud-zentrum vielleicht erklärt wurde und in dem wir uns dann eigentlich nach wie vor nicht aufhalten dürfen wird erst donnerstag abend wieder aufgehoben. so hat es zumindest ein soldat issa mitgeteilt.

auch so ein zwiespalt: vor den soldaten müssen wir besser ausser sicht bleiben, die siedler sollen aber wissen, dass issa hier nicht allein ist.

eigentlich sollen wir heute mit issa eine altstadt-tour machen, er hat eine verabredung mit zwei italienischen parlamentarier*innen. leider wird daraus nichts, denn mohammad wird im checkpoint oberhalb von sumud zentrum festgehalten und kann keine stallwache übernehmen. das ist der checkpiont, an dem wir am samstag hätten kontrolliert werden sollen, wo aber der soldat lieber auf seinem handy gedaddelt hat.
sie haben ihm angekreidet, dass er die tür nicht richtig zu gemacht hat, obwohl es einen seilzug für die soldaten gibt, mit denen sie die tür schließen können ohne aufzustehen. ja, solche schickanen sind an checkpoints üblich. das ist das täglich brot von palästinensern. zum glück für mohammad kam umm temer auch durch den checkpoint und gab sich als seine mutter aus, die krank sei und nicht den halben tag auf ihren sohn warten könne. darauf hin ließ man ihn schon nach etwas über 2 ½ stunden raus.

das schloß der vordertür haben die siedler-jugendlichen wirklich gründlich kaputt gekriegt. das neue schloss ist zwar schnell eingebaut, aber den schweren riegel kriegt man trotz einölen und zurechtbiegen nach wie vor nur noch mit einer alten feldhacke aufgeschlagen.

wir müssen auch mit essen versorgt werden und es fällt mir nicht leicht, um einkäufe zu bitten, alle haben schließlich genug zu tun. auch wenn wir nicht viel brauchen. humus, pita, äpfel…vielleicht tomaten. aber wir können hier ja grade nicht weg und der kühlschrank ist leer.

issa bringt volle tüten mit. und michel hat endlich wieder genug von seinen geliebten äpfeln. abends stelle ich mich in die küche und versuche, etwas möglichst palästinensisches auf den tisch zu bringen. uns schmeckt es, aber ob die aussage von issa, dass es sehr lecker sei richtig ist, weiß ich nicht.

und noch ein überlegung:
entweder sind die siedler heute nacht mit feiern beschäftigt und haben keine zeit, das sumud-zentrum zu belästigen oder sie sind extra auf krawall gebürstet und lassen uns wieder nicht in ruhe.
deshalb gehen wir früh und wieder in klamotten schlafen, während issa wache hält und wir übernehmen ab mitternacht draußen die wache.

die nacht bleibt ruhig.
nur der kleine schwarze kater adam, der sonst wegflitzt, wenn man sich auf zwei meter nährt (es sei denn, man steht in der küche, dann schmust er einem um die beine), kuschelt sich auf die decke an unsere füße und schnurrt so laut, dass ich angst habe, die soldaten werden auf uns aufmerksam. und gaaaanz ganz vorsichtig dürfen wir ihn auch streicheln. erst mit einem finger, dann mit vieren und schließlich mit der ganzen hand. und dann mag er gar nicht genug davon bekommen.

ab und zu hört man den soldaten am checkpoint nebenan husten, er hat einen der siedlerjungs zeitweise als gesellschaft. warum das knäblein nachts um 4.00h nicht ins bett gejagt wird, wissen wir auch nicht.
hier und da bellen mal die hunde, der muezzin beginnt sein schönes nächtliches lied. wir hören issa leise durch das offene, aber vergitterte fenster schnarchen.
und wie angenehm ist es, sich ins bett verkriechen zu können, als er wach wird und die morgenwache übernimmt, bevor er aus dem haus geht.

warten auf godot

sonntag & montag, 5. & 6. okt.

wir schlafen ziemlich gut und bekommen morgens ein tolles frühstück auf den tisch gestellt. frisches brot, ful (warme bohnen als eine art suppe), verschiedene arten humus, gemüse, falafel.

und dann heißt es warten.

wir verzweifeln ein bisschen an der arabischen mentalität. erst sagt uns h., der besitzer der wohnung, issa kommt vormittags, dann sollte er nachmittags auftauchen und dann abends, inshallah. es wäre uns lieber gewesen, wenn wir gesagt bekommen hätten, daß sie es nicht wissen. damit kann man arbeiten.

dazu kommt, daß michel eigentlich mit der botschaft hätte telefonieren wollen, aber nur noch 6 ils (israelische schekel) guthaben hatte, weil das aufladen der neuen simkarte mit hilfe eines anderen aktivisten wegen des soldateneinsatzes nicht mehr geklappt hat.

ich habe netterweise nicht nur meine tabletten gebracht bekommen, sondern auch mein strickzeug. so kann ich ein bischen meine hände rühren. und wir schwatzen per signal mit unserer tochter und samara. das ist schön.

als es dunkel ist gehen h. und michel dann los, und michel hat danach guthaben für mobile daten auf dem handy. und er hat auch zahnbürsten und -pasta nebst etwas nervennahrung besorgt.

zurück im sumud

dann taucht m. auf und sagt sie wollen uns ins sumud zentrum zurück bringen. ob das sinnvoll sei? ja, sei es. das ist überraschend, denn wir dachten eigentlich, nach dem gestrigen tag seien wir für hebron ‚verbrannt‘, weil jeder checkpoint unsere nasen kennt.
aber gut. unsere wenigen sachen sind schnell gepackt.

über den weg zurück, schweigen wir uns aus offensichtlichen gründen mal aus…, aber wir gehen auf offiziellen wegen zurück, vorbei an soldaten, die mit ihren smartphones beschäftigt sind.

issa ist da und gibt uns hinweise, wie wir das nächste mal auf soldaten reagieren sollen, was sie dürfen und was nicht.

nicht die hände heben oder die soldaten gar anfassen, wir sollen deutsch reden, nach der polizei verlangen und nach einem ‚warrent‘.

wir stehen als nichtpalästinenser unter zivilrecht, womit die polizei für uns zuständig ist. palästinenser stehen unter militärrecht und müssen sich mit soldaten herumschlagen.

beide institutionen dürfen auch nicht unser handy einsehen, das darf nur das gericht.

wir sollen darauf drängen, botschaft und rechtsanwalt anrufen zu dürfen. issa gibt uns die nummer der rechtsanwältin von yas und alles ist jetzt per direktwahl eingespeichert.

einer italienischen journalistin ist gestern das gleiche wie uns passiert. sie ist bereits seit längerem in palästina, wollte das sumud zentrum besuchen und ist bisher unbehelligt geblieben. gestern haben sie sie jedoch trotz akkreditierung am checkpoint abgewiesen, mit der begründung „closed military area“.

willkür contra rechte

und was unsere zukünftige arbeit hier betrifft:

heute heißt es noch mal abwarten. das militär hat issa gesagt, sie hätten sein haus, das sumud-zentrum, für einen monat zum gesperrten miliärischen gebiet erklärt. das widerspricht dem, was die soldaten uns gesagt haben: daß die gesamte geisterstadt hinter den checkpoints militärisches sperrgebiet sei. alle warten jetzt darauf, daß issas anwältin der offizielle bescheid zugestellt wird. dann werden sie widerspruch dagegen einlegen.

die olivenernte steht vor der tür und selbst wenn wir nicht hier in der geisterstadt bleiben können, gibt es außerhalb dieser zone genug bauern, die ebenso dringend unsere hilfe brauchen.
olivenernte ist immer eine zeit, in der die siedler besonders erpicht sind, den menschen das leben schwer zu machen.
es ist ja so: bestellt ein bauer drei jahre lang seine felder nicht, gehen sie automatisch an den iraelischen staat und damit an die siedler. der besitzer muß sehen, wo er bleibt und wie er zukünftig seine familie ernährt. der verkauf der ernte ist oft die einzige einnahmequelle der bauern.
und es wird schon sehr gründlich dafür gesorgt, daß die felder nicht bestellt werden können. sei es durch straßensperren oder neu gebaute straßen nur für israelis, die verhindern, daß die menschen ihre felder nicht bestellen können. oder sie werden während der ernte direkt angegangen und an der arbeit gehindert.
internationale helfer stellen einen gewissen schutz dar. ein verprügelter palästinenser erregt kein aufsehen, ein verletzter eurpäer schon.
und die ernte geht auch ein bisschen schneller, wenn 4-6 hände mehr zupacken, auch wenn es ungeübte hände sind.

jedenfalls ist es schön, wieder ‚zuhause‘ zu sein.

Der juristische Crashkurs, den wir gestern bekommen haben, wird uns in Zukunft sehr nützlich sein. Die Soldaten haben vielfach rechtswidrig gehandelt. Sie sind es halt gewohnt, dass sie es mit Palästinensern zu tun haben, mit denen sie machen können, was sie wollen. Aber wir stehen als Nicht-Palästinenser unter Zivilrecht (genau wie die Siedler).

Das heißt, wir haben Rechte (die die Palästinenser nicht haben): Nur die Polizei darf uns festnehmen. Sie müssen einen Grund dafür haben. Wir haben das Recht, einen Anwalt und unsere Botschaft zu kontaktieren. Nur das Gericht darf Einsicht in unser Handy nehmen. Wir haben das Recht, Haftbefehle, Verbotsverfügungen und ähnliches gezeigt zu bekommen. Wir haben das Recht auf einen Dolmetscher. …

Wir (und die Siedler) haben alle diese Rechte; Palästinenser hingegen können jederzeit ohne Angabe von Gründen, ohne Anwalt, ohne irgendwas, für sechs Monate in „Administrativhaft“ genommen werden. Diese Rechtsungleichheit ist Teil der hier herrschenden Apartheid: Diese „Administrativhaft“ hat Israel von Südafrika übernommen. Und oft werden Administrativhäftlinge nach sechs Monaten freigelassen und beim Verlassen des Gefängnisses sofort wieder festgenommen. Wieder und wieder. Ohne Anklage, ohne Verfahren, ohne Richter und ohne Anwalt. Jedes Jahr tausendfach!

Die vier vermummten Soldaten, die uns mitgenommen hatten, haben also mehrfach rechtswidrig gehandelt. Und wir haben heute früh bei der Deutschen Vertretung in Ramallah angerufen und im Anschluss daran eine offizielle E-Mail mit Beschwerde und Sachverhaltsschilderung an sie geschickt. Sie werden jetzt wohl offiziell Beschwerde einlegen. Immerhin liefert Deutschland ja einen Teil der Waffen und Ausrüstung hier. Und die Siedlungen leben zu einem Gutteil vom Verkauf ihrer Waren nach Europa: rund um Hebron ist das vor allem auf gestohlenem Land angebauter Wein.

Cat Content 😉

Weil wir aus guten Gründen weder vom sicheren Haus, noch vom Weg zurück ins Sumud Zentrum Bilder gemacht haben, hier zum Trost etwas Cat-Content!

Adam, der Hauskater des Sumud, hat soeben binas Strickzeug entdeckt!
(zeitliche Reihenfolge der Bilder: von unten nach oben und von rechts nach links.)

Yom Kippur

Donnerstag, 2.okt.

die ganze stadt ist still. kein laden ist geöffnet, kein bus oder privatauto fährt. in einer stadt, in der der verkehrsinfarkt allgegenwärtig ist und es vor menschen nur so wimmelt, hört man die vögel singen. der größte spaß, besonders für die kinder, ist auf der straße rad fahren zu können und die erwachsenen haben sich stühle auf den asphalt gestellt und verbringen den tag im schatten.

häufiger als sonst kacheln krankenwägen an ihnen vorbei. an yom kippur wird vorzugweise weiß getragen und weder gegessen noch getrunken, 25 stunden lang (von abenddämmerung zu abenddämmerung). bei der hitze halten wir das für fatal und so manche/r wird kollabiert sein.

Die Straßen sind heute Spazierwege: Sitzecken für Nachbarschaften und Radrennstrecken für Kinder.
auch wir machen einen kleinen spaziergang zur autobahn, auf der sonst auto an auto mehr steht als fährt
Auf dem Ayalon-Highway ist sonst immer Rush-Hour. Er ist Israels wichtigste Nord-Süd-Verbindung, Verkehrsknotenpunkt und Tel-Avivs wichtigste innerstädtische „Schnell“straße in einem.

und im park spielen indische männer cricket.

bemerkenswert fanden wir gestern noch die hausführung.
wir in deutschland zeigen unseren gästen bei einer haus- oder wohnungsführung als erstes die toilette bzw. bad und ihr zimmer.

hier ist es wichtig, den gästen zuerst den sicheren raum in der wohnung zu zeigen und zu erklären, wie er geschlossen wird. dort hinein sollen wir gehen, wenn es raketenalarm gibt. der raum liegt im inneren des hauses. eine massive tür soll schützen und die wände, decke und boden sind verstärkt. ansonsten ist dieser raum zur abstellkammer mit einem regal voller lebensmittel umfunktioniert. ok, es gibt ein paar sitzgelegenheiten.

ich erstaune mich, wie selbstverständlich für mich ist, zu hören, dass es vielleicht 1x wöchentlich alarm gibt. ist halt so, nicht? … aber ich hoffe doch, daß ich das nicht erleben muß.

An Yom Kippur ist es so ruhig und „friedlich“, dass wir abends auf dem Balkon sogar ganz leise Explosionen aus Gaza hören können. Ein unspektakuläres Geräusch, das bei normalem Großstadtlärm keine Chance hätte. – Nur weil Dan es mir erklärt, erkenne ich den leisen Knall in der Ferne als das, was er ist.

Nicosia

fr.-sa. 19.-20.sept.:

das drama ist beendet. michel hat eine bulli-legalisierung bis ende februar.
nicht, daß es am 2. tag keine komplikationen mehr gegeben hätte.

der mensch an der waage hat die reisepass- und fahrgestellnummern und das kennzeichen auf dem formular verwechselt und auch noch falsch aufgeschrieben. eigentlich hätte bulli noch mal zum wiegen gemusst, aber der steht mit mir am ledra-palace und nur weil michel behauptet, ich läge darin ‚with lady-problems‘, gibt die sachbearbeiterin klein bei und wir haben alle papiere.
die road-tax kostet übrigens genau so viel, wie die strafe gekostet hätte, hätten wir bulli nicht legalisiert…

Aber wer weiss, wieviel Bürokratie das dann gewesen wäre…

als wir serdar von unserem erfolg erzählen, fragen wir nebenbei auch nach einer autowerkstatt, die bullis wehwehchens behebt und ihn vielleicht für drei monate beherbergt, hat er nur eine antwort: zum hörer greifen und uns 2 min. später eine adresse einer befreundeten werkstatt in der nähe nennen, wo wir gleich hinfahren und bulli vorstellen können.vielen dank an serdar, dessen hilfsbereitschaft ist unschlagbar. der mann ist nicht mit gold zu bezahlen.

und seine begeisterung, als wir sagten, daß wir neue reifen bräuchten und am liebsten die echten hankooks hätten. da fingen seine augen an zu leuchten. einerseits der reifen wegen, die wirklich verdammt gut sind, andererseits, weil wir wußten, was hankookreifen sind. das machen wir aber in einer anderen werkstatt, wenn wir wieder da sind.

der mensch in der werkstatt macht sich gleich eine liste.
‚das sind kleinigkeiten, die sind schnell gemacht‘, sagt er. er wird bulli bei sich zu hause in seinem dorf unterbringen.

und der keilriemen ist uns auf der tour wohl deshalb so oft gerissen, weil die lichtmaschine und der motor nicht in einer geraden flucht liegen, sondern leicht versetzt sind und daher den keilriemen öfter als normal fressen.
ersatzriemen und auch ersatzluftfilter werden auch gleich auf vorrat bestellt.

eine traurige nachricht:
unser kleiner hamam, in dem wir vor 7 jahren stammgäste waren, ist geschlossen. der besitzer ist gestorben und es wurde kein nachfolger gefunden.
ramazan, der masseur, möge eine neue gute anstellung gefunden haben.
seine gastfreundschaft und offenheit von damals mir gegenüber, mich in einem männerhamam als frau an den gästen vorbei zu schleusen und zu versorgen, soll ihm die weiteren wege in seinem leben erleichtern.
ich werde sein fröhlich-bestimmtes schimpfen nicht vergessen, mit dem er mich bedachte, als ich mir selbst dir haare wusch, obwohl das zu seinem job gehört. sein gespieltes entsetzen, als wir nach monaten aus palästina wieder kamen und er die hände rang, da er jetzt wieder von vorne anfangen mußte, um mich sauber zu kriegen. auch nicht seinen freudig-überraschten aufschrei und seine spontane umarmung, als wir wieder auftauchten.

nun, ich finde das ein bisschen schade, aber ich habe meine erinnerung an die schönen stunden noch im herzen und meine zeit dort gehabt.
es ist wie es ist, ich möge mich damit zufrieden geben.

michel versucht andere hamami ausfindig zu machen. es gibt das büjük im norden und auch eines im süden, aber beides sind derartige touristenfallen, das akzeptieren wir nicht.

es ist immer erstaunlich, was für ein ‚menschenmagnet‘ bulli sein kann. was aber auch daran liegt, daß autos, in denen man wohnen kann und womos überhaupt, hier auf zypern nach wie vor unüblich sind. besonders, wenn sie von so weit her kommen.
an der werkstatt steckt auch gleich ein anderer kunde die nase in bulli hinein und stellt viele fragen.
so war es auch für uns überraschend, dschengis auf dem platz vorzufinden mit altem womo und deutschem kennzeichen. klar, das wir oft zusammensaßen, morgens kaffee tranken und abends das eine oder andere bier.
er bummelt über die insel und arbeitet für siemens hier und da und wartet trafos und solche sachen.

gestern nachmittag dann ein fröhlich gerufenes ‚moin‘ von zwei touristen aus hamburg, die über die grenze kamen und abends ein mehmet, der sich auf ein glas wasser kurz zu uns gesellte, als wir schreibend, lesend und strickend vor dem bulli saßen.
er arbeitet an der uni im süden und pendelt mit auto und faltrad vom norden über ledra-palace zur arbeit.

er war ganz begeistert von bulli und unseren bromptis und wird sich vielleicht dieser tage mit seiner freundin zum essen bei uns einfinden, weil er selber von einem kleinen womo träumt, mit dem er durch die gegend gondeln kann und an unseren erfahrungen interessiert ist.

die erfolgreiche bulli-legalisierung feiern wir abends im hoi polloi. die kleine queere kneipen-bar an einer der vielen ecken auf der türkischen seite in der altstadt gibt es immer noch. die entspannte stimmung ist auch noch da, sogar das eine oder andere gesicht von damals ist auszumachen.
neben uns eine bunte truppe aus deutschland, studenten des bauingenieurswesens aus aachen. ein deutscher, eine griechin, ein türke und ein zypriote, der seine studienkollegen eingeladen hat.
michel plaudert derweil mit einem türkischen touristenpaar.
und ich bestelle mir endlich zur feier des tages meinen zivania. ein zypriotischer tresterschnaps.
wie grappa, nur deutlich weiniger und mit sehr viel mehr alkohol. er wird eiskalt in kleinen schlucken getrunken. superlecker!

Früher Abend vorm Hoi Polloi – Wobei die Straße vor der Kneipe eigentlich die Kneipe ist…
Das Hoi Polloi ist eine queere, bicommunale (also griechisch-türkisch-zypriotische), antimilitaristische Kneipe. Die in Erdogans Machtbereich wohl nur hier so existieren kann. Zyperntürken sind libaraler als Anatolientürken. Und die Nähe zum Touristengrenzübergang schützt. Wände und Schaufenster sind voll mit politischen Auklebern. Am größten ist die Flagge eines „Traumstaates“, den es nicht gibt.
Es finden sich auch diverse deutschsprachige Aufkleber….

die nächsten gesprächspartner wieder einen tisch weiter sind eine überraschung. lilly aus irland aus der nähe von strokestown und ihr mann ümit, türkischer zypriote.
lilly weiß sich nicht zu lassen, daß uns strokestown ein begriff ist, die gespräche mit den beiden ist lebhaft und ich habe das gefühl, jetzt fehlt nur noch ein guinness auf dem tisch. aber ein weiteres glas zivania ist auch nicht verkehrt.

die rückkehr zum bulli ist laut. neben unserem parkplatz gibt es jetzt ein restaurant mit livemusik, die über den ganzen platz dröhnt. ich habe das gefühl, ich schlafe gleich neben der bühne. zum glück habe ich ziemlich viel schnaps im bauch und kann trotzdem schlafen. ich hoffe, das geht jetzt nicht jeden abend so.

der nächste tag wird faul.
lesen, schlafen, nichts tun.
nur ich radele einmal zum checkpoint ledra-street, um ziba zu sagen, daß wir abends auftauchen werden. sie arbeitet an der ledra-street in der touri-info und wir hatten uns vor ein paar tagen zum essen verabredet.
die ist unfassbar froh mich zu sehen, denn ihre anrufversuche schlugen alle fehl. sie muß absagen.

aber dienstag sind wir erneut verabredet. sie will trotzdem auf die schnelle wissen, wie es gelaufen ist und freut sich wie bolle.
sie hat sich auch schon überlegt, daß bulli nicht vielleicht bei ihren eltern hier in nicosia stehen könnte.
und sie kennt natürlich serdar. sie sind zur selben schule gegangen und ihr bruder ist mit serdar heute noch befreundet und wenn wir montag mit ihm essen gehen, sollen wir ihn unbedingt grüßen.

ein graffito in nicosia

Sommer-Sonne-Kaktus und ein Efes für den Bauch…

(Frei nach Helge Schneider)

fr.-so. 12.-14. 9.25

hilfe, ist das heiß! bulli steht in tasucu an der straße am hafen, dort weht nur ein lüftchen, wenn ein laster von der oder zur fähre fährt.
mit dem fahrrad in den ort zum fährbüro bringt der fahrtwind auch etwas abkühlung. wir bekommen tickets für die fähre samstag nacht und sollen morgen wieder kommen.

damit haben wir zwei tage strandurlaub. es gibt internet und kaltes efes an der strandbar des zeus-hotels. wir können uns dort verlustieren und bekommen die strandliegen und den schirm dazu geschenkt. dafür kaufen wir noch mehr efes vor allem aber gibt es MITTELMEER!
es ist warm wie eine badewanne. ist das normal? oder ist das schon klimaerwärmung? ich mache mir ernsthaft sorgen. das kann doch nicht gesund sein.
aber ich bin dankbar, das mein wunsch, zwei tage pause am meer zu machen, in erfüllung geht.

für die zweite nacht verholen wir bulli auf ein baustellenlager und haben es am nächsten tag nur 200 meter zum strand.
wir schlafen unter palmen und bestaunen abends die große anzahl an fledermäusen, die über uns hinwegschießen.

beobachten auch eine ameisenstraße und fragen uns, warum sie nachts nicht arbeiten, wenn sie sich nicht mit den augen orientieren, sondern mittles geruch und tastsinn. tageslicht brauchen sie demnach ja nicht….

der zweite tag am strand ist genau so entspannend. lesen, dösen, zwischendrin der versuch einer abkühlung im meer.

aber ich bin unruhig. ich kann mein handy nicht finden und befürchte, ich ließ es beim fährbüro, oder gestern am strand oder vielleicht auch bei der post , bei der wir noch waren, verloren. nun, es war kein lebensnotweniges smartphone, aber ein paar wichtige telephonnummern waren darin doch gespeichert.

dafür gibt es für mich eine dusche. nach einer woche genieße ich fließendes kühles wasser von oben mit seife in den haaren. am strand kann man sich für umgerechnet einen knappen euro schrubben so lange man will.

abends fahren wir mit bulli wieder zum fährbüro, dort kriegen wir unsere tickets und dann ab zum hafen. mein handy wurde nicht gefunden…

ich erkenne den hafen nicht wieder. vor sieben jahren sind wir von hier aus ebenfalls nach zypern geschippert. nur an die ewige wartezeit erinnere ich mich. gegen 21.00h sind wir vor ort, nach diversen pass-, ticket-, und autopapier-kontrollen, ewigem schlange stehen nach mehrmaligem hin- und herlaufens, bis die richtigen schalter in der richtigen reihenfolge besucht worden sind, stehen wir noch mal deutlich über zwei stunden vor der fähre und warten aufs boarding.

in der not fange ich deine socken zu stricken an, voti.
oh, da ist ja auch mein handy. und wieso lag es bei der strickwolle???????

endlich gehts los.

Blick aus dem Bull im Fahrstuhl von Deck zu Deck auf der Fähre.

Bulli steht auf dem Oberdeck unter freiem Himmel, so dass wir über Nacht in unserem Auto schlafen und morgens auch Frühstückskaffee kochen können.

ich gäbe was drum, wenn ich wüßte nach welchem system die fährleute hier mal ein paar laster, dann wieder pkw von hinten in der schlange, dann wieder ein paar aus unserer ‚nachbarschaft‘, noch drei laster und dann wieder lange nichts an bord lassen.

an bord weiß ich wieder wo ich bin. die fähre kenne ich von 2017. aber diesmal hat uns keiner einen tee nach draußen gebracht (was ich schade finde) und das sofa direkt vor dem fernseher frei gehalten (was zu verschmerzen ist, denn dort konnte ich schon damals ob des kraches nicht schlafen). statt dessen gibt es jetzt sitze wie im flugzeug.

wir schlafen im bulli kurz aber gut.

morgens setze ich mich mit meinem strickzeug aufs außendeck und genieße einen kurzen, schönen sonnenaufgang über dem meer. ich bin zu faul wieder zum bulli zu gehen und die kamera zu holen. dafür setzt sich eine türkin zu mir und wir fachsimpeln übers stricken. keine spricht die sprache der anderen und doch funktioniert es.

die bilder hat michel etwas später gemacht:

Anfahrt und Ankunft Girne/Kyrenia (Nordzypern).
Auch hier wurde einiges neu gebaut. Der Bauboom ist aber zum Glück nicht so krass ausgefallen, wie an der türkischen Festlandküste zwischen Mersin und Tasucu. Dass diese Immobilienblase noch nicht geplatzt ist, kann eigentlich nur an der galoppierenden Inflation und/oder staatlicher Marktverzerrung liegen.

und beim runterfahren von der fähre knallt der keilriemen ein weiteres mal durch.
yeahh, diesmal bin ich nicht die fahrerin!!!
das problem muß allerdings warten, denn wir müssen noch mal durch das ganze grenzprocedere.

passkontrolle, autoversicherung für zypern kaufen, wofür es zwei formulare braucht. zum extraschalter mit extraschlange, wo kontrolliert wird, ob wir alle papiere haben. dann bulli holen und zum zoll, der in ihn kurz reinschaut, die heckkiste aufgemacht haben will, aber als michel sagt, darin seien schlafsäcke, war das für ihn ok.

Ich glaube ja, dass der Zöllner vor allem zeigen wollte dass er uns kontrollieren und überall reingucken kann. Als er dann begriff, dass ich zum öffnen der Kiste erst umständlich die Fahrräder und Campingmöbel abmontieren muss, war ihm dass dann doch zu anstrengend. Es ging ihm ja nicht wirklich um Kontrolle, sondern um die Demonstration von Macht.

kann mal wer ein buch über grenzkontrollen und deren idiotie schreiben, bitte!!!! das schlägt jeden commedian auf der bühne.

gleich gehts weiter nach nicosia. unterwegs noch schnell den keilriemen gewechselt, diesmal deutlich(!) unter 30 min.

und jetzt stehen wir mit dem kleinen wieder am ledra palace auf der türkischen seite, fast unter dem selben baum wie 2017. es hat sich NICHTS geändert.

die toiletten sind noch da, das h4c (house for cooperation), das hoi polloi, die queere kneipe, unser hamam, wo ich hoffe auch als frau wieder von ramazan geschrubbt zu werden, sogar s. an der touri-info beim übergang ledra-street in der stadt ist noch da, sie erinnert sich dunkel an uns.

auf unserem parkplatz steht ein 2. womo mit deutschem kennzeichen. darin wohnt d., türke aus deutschland, er arbeitet grade auf zypern. wir kommen mit ihm und seinem freund b., der türkischer soldat auf zypern ist, sofort ins klönen und ich denke, das wird eine nette nachbarschaft.

wir essen auswärts in einem imbiss, der 2017 zu unseren favoriten gehörte. aber er ist teuer geworden, sein kebab reicht grade eben zum satt werden und beim bezahlen wird versucht, michel gehörig übers ohr zu hauen, trotz vorher besprochenem preis. aber das gelingt nur bedingt (michel kann schließlich rechnen!) und wir werden dort zum letzten mal gewesen sein.

die nacht beschließen wir mit d. und bier und gesprächen über dies jenes und noch etwas.

Wir stehen direkt außerhalb der venzianischen Altstadtmauer, und direkt an der grünen Linie, der UN-Zone, die seit 1964 (also seit 61 Jahren) Nord- und Sydzypern trennt. Die Bäume sind übrigens zum größten Teil Eukalyptus. Was praktisch ist. Man zerreibt einige Eukalyptusblätter auf der Haut und die Mücken und Fliegen bleiben weg. Und im Bulli steht ein Becher mit zerriebenen Eukalyptusblättern zur „Territorialverteidigung“ 😉

Roadmovie mit Pannen

Roadmovie mit Pannen

Di-Fr 9.-12. Sept. 25

Unsere Tage sind wie ein Roadmovie von Wim Wenders. Wir legen jeden Tag etwa über 600km zurück. Die meiste Zeit schweigend, hin und wieder mit Gesprächen.
Der Bulli wirkt wie ein rollendes Sofa, so dass sich Entschleunigung und Entspannung einstellen.

Auf dem Weg nach Süden ändern sich langsam Landschaft und Klima. Wenn man über die Alpen nach Italien fährt, überschreitet man ja eine relativ klar erlebbare Grenze. Bis zum Brenner oder Gotthardtunnel ist man gefühlt in Nordeuropa. Mit dem Überschreiten des Alpenhauptkammes erreicht man dann den Mittelmeerraum und damit Südeuropa.
Da wir die Alpen östlich umfahren, geschieht der Übergang allmählich über mehrere Tage hinweg.

Und nicht nur das Klima ändert sich! Je weiter wir kommen, desto mehr werden Ruinen ein normaler Teil der Landschaft, wobei der Übergang von der Bau- zur Verfallsruine oft fließend ist. Müll wird zunehmend einfach in die Gegend geschmissen. Auch die Straßen werden im großen und ganzen schlechter. Und Verkehrsregeln verlieren zunehmend an Gültigkeit.

Der Übertritt der serbisch-bulgarischen Grenze gestaltet sich unkompliziert, obwohl wir eine EU-Außengrenze in Richtung EU passieren (Serbien gehört ja nicht dazu!), und es durchaus Gründe zu genauerer Kontrolle geben könnte.

Gleichzeitig betreten wir eine neue Zeitzone. Wir sind ja die letzten Tage sowohl nach Süden als auch nach Osten gefahren. In Bulgarien ist es eine Stunde später. Wir führen wieder unsere „Bullizeit“ ein, welche der deutschen Sommerzeit entspricht.

Ein paar Stunden später, um halb drei Uhr nachmittags (Bullizeit!) verlassen wir Bulgarien. Auf der türkischen Seite der Grenze gibt es dann das ganze Programm. Grimmiger Blick, Reisepässe, Fahrzeugpapiere, grüne Versicherungskarte, alles einscannen… Nur damit genau das Selbe 20m weiter am nächsten (ebenfalls türkischen) Zöllnerhäuschen nochmal passiert. Dann wirft eineinzelner Zöllner einen kritischen Blick von außen in den Bulli und gebietet uns, dass wir uns mit unserem Bus an der Schlange fürs Gamma-Röntgen anstellen sollen. Genau wie alle anderen WoMos und einige PKW, die nach mir unerfindlichen Kriterien ausgewählt wurden.

Bulli in der Warteschlange fürs Röntgen.

Es dauert ewig, weil nur eine einzelne Frau da ist, die das Röntgengerät bedient, die Autos einweist und die Bilder auswertet.

Als wir etwas über 2 Stunden in der Schlange stehen, verkündet sie, dass sie jetzt Feierabend habe und die Ablösung in 10 Minuten da sein werde. Da die Ablösung (wie erwartet) nicht pünktlich erscheint, fängt bina an zu kochen.

Nach einer halben Stunde erscheint die Ablösung dann doch und winkt erst mal ungefähr die Hälfte der PKW aus der Schlange. Sie müssen jetzt doch nicht durchleuchtet werden.

Irgendwann sind wir dann endlich dran! Natürlich müssen dazu noch einmal Pässe und Fahrzeugpapiere eingescannt werden. Nach dem Röntgen müssen wir uns bei einem weiteren Schalter melden, wo genau die selben Papiere zum vierten Mal eingescannt werden, und wo man uns einen Platz in einer Halle zur Durchsuchung des Bullis zuweist. – Der Durchsuchungsbeamte läßt sich dann erst mal wieder alle Papiere aushändigen. Weist mich in harschem Tonfall an, mich auf eine Wartebank vor seinem Büro zu setzen. (Dort scannt er vermutlich alle Dokumente ein..) Und dann sagt er mir ohne auch nur einen Blick in den Bulli geworfen zu haben, wir dürften weiterfahren.

Als wir den türkischen Zoll endlich verlassen wird es bereits dunkel. Es ist 7 Uhr Bullizeit und wir haben 4,5 Stunden am Zoll herumgewartet.

Wir halten das Ganze für eine reine Machtdemonstration. Was soll man von Europa in die Türkei schmuggeln wollen? Flüchtlinge? Waffen? Drogen? – Das passiert doch alles eher in der Gegenrichtung.

Wir schlafen dann auf einem Parkplatz kurz hinter der Grenze.

Am Mittwoch geht es an Istanbul vorbei und bis kurz hinter die halbe Strecke Istanbul-Ankara.

Das aber mit zwei Pannen! Erst reißt uns kurz vor Istanbul der nächste Keilriemen. Er hat nur etwa 2.000km gehalten. Dafür schaffen wir den Wechsel in deutlich unter einer halben Stunde. (Wir haben jetzt noch 2 Reserveriemen im Staufach.)

Dann platzt uns auf halber Strecke von Istanbul nach Ankara in der bisher längsten steilen Bergaufstrecke unserer Reise ein Kühlwasserschlauch. Wir fahren auf die Standspur, der Motor dampft wie eine Dampflok. Und man sieht praktischerweise nach Öffnen der Motorklappe sofort die Stelle, an der das Wasser ausschießt. Der Abschleppdienst ist fast sofort da, denn selbst wir haben auf diesem Anstieg mindestens ein halbes Dutzend Autos mit Kühlwasserschaden überholt. Aber wir müssen nicht abgeschleppt werden. Wir flicken das Leck mit Druckschlauchflickband, das wir sicherheitshalber noch mit normalem Isolierband überkleben. Dann Wasser auffüllen und weiter. Am ersten Parkplatz nach der Steigung, Werkzeug aufräumen und Schaden genauer begutachten. Dann fahren wir noch zwei Parkplätze weiter und beenden dort die heutige Etappe.

An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an unsere Weltbeste Automechanikerin C. aus L., von der ich fast alles, was ich über Autos reparieren weiß, gelernt habe. – Grüße an dich und N.

Bina vorm Bulli mit romantischem Blick auf die Autobahn.

Besuch von der ortsansässigen Streunerkatze. Die natürlich etwas zu Essen bekommt.

Bevor wir am Donnerstag weiter fahren, kippe ich noch schwarzen Pfeffer in das Kühlwasser, ein alter Trick. Der Pfeffer verstopft kleine Kühlwasserleckagen. Und der restliche Kühlwasserverlust ist auch wirklich so gering, dass wir erst fast 800km weiter, vier Dutzend Kilometer vor Adana Kühlwasser nachfüllen müssen.

Als wir am Donnerstag in Wedel gestartet sind, stand Bullis Kilometerzähler auf auf 396.211km.
Beim Auffüllen des Kühlwassers kurz vor Adana steht er auf knapp über 400.000 km (in Worten vierhunderttausend Kilometer).

ich bin froh, daß michel diesen pannen mit humor und der leisen freude, mal wieder mcgyvver (kennt diese fernsehserie überhaupt noch jemand??) spielen zu dürfen, begegnet.

beide male saß ich grad hinterm steuer und ich kann mir gut vorstellen, daß er bis zypern lieber selber fährt. ich würde mich auf dem fahrersitz auch unwohl fühlen. einmal, weil ich schiß vor der nächsten panne habe, und weil michel als beifahrer nicht glücklich ist.

Seit unserem letzten Sabbathjahr hat die türkische Lira eine Inflation von gut 1.250% hingelegt. Also jedes Jahr über 43% Inflation. So dass eine türkische Lira jetzt noch 8% ihres damaligen hat. (Also relativ zum Euro, der in den letzten 7 Jahren ja auch ein wenig an Wert verloren hat.)

Michel, mit 160€ in türkischen Lira. (In beiden Händen zusammen!)

mir geht es beim (bei-)fahren nach solchen pannen nicht so gut. ich sitze völlig verkrampft neben michel, jedem mototergeräusch lauschend, das armaturenbrett im blick, mit der nase jeden möglichen verdächtigen geruch aufnehmend und michels gesicht beobachtend. daher versuche ich mich mit landschaftsbetrachtungen abzulenken. das gelingt gut und es gibt schönes zu sehen.

anatolien ist hellbeige. anders kann man es nicht sagen. entweder gibt es steppenartiges grasland oder abgemähte kornfelder. manchmal ist die landschaft hügelig, manchmal flach. weit schauen kann man aber immer.

Das Problem ist, dass wir in Deutschland wissen: Wenn es nach Gummi riecht, reisst gleich unser Keilriemen, und bei komischen Geräuschen ist was mit dem Motor nicht in Ordnung. Hier haben wir alle Nase lang Gummigeruch in der Nase. Entweder verbrrannter Müll oder ein anderes Auto. Und die Geräusche, die türkische Autos machen, lassen das Soundstudio von Pink Floyd vor Neid erblassen.

die autobahn ist oft mit einem zaun von den feldern abgegrenzt und ganz häufig sitzen auf den pfeilern bussarde. auf ein paar kilometern sah ich bestimmt 30 stück. teilweise alle 150 meter einen. dick und rund, ein wenig heller in der färbung als unsere und gelassen hockten sie da und beobachteten das feld.

ein paar hocken auch auf baumspitzen, das sind wohl die traditionalisten unter den bussarden. leider war ich zu dumm und habe kein foto gemacht.

manchmal tauchen schafherden auf:

und das straßenbegleitgrün wird mühselig bewässert und man kann streckenweise der erosion bei der arbeit zusehen:

und plötzlich fühlte ich mich irgendwie seltsam beobachtet.

ein salzsee taucht in der ferne auf.

und mit einem mal wird die landschaft wieder grüner und die hügel muten irisch an.

Naja: Irland ist deutlich, deutlich, deutlich grüner. Aber die Form und Menschenleere der Landschaft, das kommt absolut hin!

in der ferne taucht die bergkette auf mit teilweise bergen von über 3000 m höhe. Und an der autobahnn wird es auch steil:

ein letzter langer anstieg, an dem wir sicherheitshalber zweimal halten, um den motor zu schonen, und dann sind wir in adana. ich hätte nie gedacht, das ich diese gegend der welt noch mal wiedersehe.

an der küstenstraße richtung silifke wurde in den letzten jahren gebaut hastewaskannste. ein hochhaushotel neben dem nächsten, ’gatet communitys’ noch und nöcher. HILFE!!!!!

ich erinnere mich an den kleinen kuscheligen campingplatz von aishe auf der letzten reise, den ich nicht wieder fand. aber michel und ich sind uns auch uneins, wo der genau war. ich bin der meinung irgendwo bei silifke. michel denkt, der war irgendwo auf dem weg nach mersin. wir sollten unseren eigenen blog von der ersten reise noch mal selber lesen.

Bina beim Freitagsfrühstück am Hafen von Tasucu. Links von der Straße leerstehende verfallende Häuser, die bei unserem letzen Besuch hier noch nicht da oder im Bau waren, rechts eine neu gebaute Gatet-Community, bei der die Mehrzahl der Wohnungen leer steht.

liebe t. und lieber j.: kennt ihr diese tasse noch? sie ist aus dem bulli nicht mehr weg zu denken!

nun sind wir in tasucu sitzen in einem hotelgarten direkt am meer bei türkischem bier, signalen mit s. und e. und gönnen uns zwei tage am meer, bevor es morgen abend nach zypern geht.

wir haben es tatsächlich geschafft!