Zu Issa Amro & dem Sumud
Issa Amro, dessen Gäste wir sind, ist eine international hoch geachtete Person:
- Er wurde letztes Jahr mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet (dem Right Livelihood Award).
- Letzte Woche befand er sich in der „2025 TIME100 Next“-Liste des Time Magazins.
- Am 10. Dezember letzten Jahres, dem Tag der Menschenrechte, wurde er mit dem deutsch-französischen Preis für Menschenrechte ausgezeichnet.
- Die Norwegischen Zeitungen handeln ihn als einen der 3 wahrscheinlichsten Kandidaten für den diesjährigen Friedensnobelpreis.
Attacken im heutigen Ausmaß hat es aus diesem Grund seit dem Oktober 2023 nicht mehr gegeben. Am 7. Oktober 2023 ( heute genau vor 2 Jahren – dem Tag des Hamasüberfalls) haben Soldaten und Siedler Issa und Mohammad aus dem Sumud entführt und sie stundenlang gefoltert. Umm Temer haben sie an dem Tag in ihrem Folterknast glaubwürdig angedroht, sie vor den Augen ihrer Tochter zu vergewaltigen.
Überfall Soldaten
Der Vormittag verläuft friedlich. Issa ist in der Stadt. Mohammad und wir sind die Stallwache des Sumud.
Kurz nach 12:00 Uhr kommen zwei Palästinenser den Hügel hoch. Die Soldaten in der Siedlung hinter uns rufen sie an und befehlen ihnen anscheinend, stehen zu bleiben. Die Männer setzten sich ziemlich genau vor dem Tor des Hintereingangs des Sumud hin und zwei Soldaten kommen zu ihnen runter. Mohammad schließt den „Käfig“ auf der die Zuwegung auf dieser Seite des Sumud bildet und geht zum äußeren Tor.

Plötzlich springt ein Soldat von oben in den Käfig. Mohammad zieht sich auf die Terasse zurück, die Soldaten folgen ihm. Und wir ziehen uns, wie es unsere Anweisung ist, ins Haus zurück, schließen ab und dokumentieren.
Hier der Live-Ticker, den wir in der Signal-Gruppe unseres „Notfallteam-im-Hintergrund-in-Deutschland“ gesendet haben:
- „Soldaten auf der Terrasse.
- Schlagen Mohammad.
- Wir sind im Haus Tür ist verschlossen.
- Sie wollen Mohammads Telefon.
- Issa ist nicht da. Es sind 2 Soldaten.
- Sie haben Mohammad mitgenommen.
- Issa schreibt, er kommt gleich!
- Die Soldaten sind weg. Wir bleiben im Haus. Fensterläden und Türen aus Metall sind abgeschlossen.
- Es gab gerade einen Anruf mit sofort wieder Auflegen von Mohammads Telephon. Sie haben es also gefunden und testen, wen er zuletzt angerufen hat.
- Ich bin nicht dran gegangen. Sie haben so schnell aufgelegt, dass ich gar nicht dran gehen konnte.
- WICHTIG: Lasst euch von dem, was wir hier schreiben, nicht verrückt machen. Wir sind deutsche Staatsbürger. Im Gegensatz zu Mohammad haben wir Rechte und konsularischen Beistand. Wir sitzen sicher hinter einer verschlossenen Stahltür. Es sind keine Soldaten mehr da. Hier ist alles von YAS Kameraüberwacht.
- Issa ist da.
- Wir gehen wieder in den Normalmodus und melden uns morgen wieder. Also wenn nichts passiert!
Hier die beiden Videos der Überwachungskameras, die Issa Amro auf seinem Instagram-Kanal hochgeladen hat:
Die Soldaten sind ziemlich geschickt und schlagen Mohammad nur mit kurzen Schlägen hinten in der Ecke, wo es die Kamera kaum sieht. Auf Militärbasis sind sie dann offensichtlich nicht mehr so zimperlich. Abends bekommen wir dieses Bild von ihm:

Überfall Siedler
Der Nachmittag ist dann erst mal ruhig. Issa telefoniert mit Anwälten, Presse, Unterstützer*innen und was weiß ich wem. Wir versuchen uns nützlich zu machen und ihm den Rücken frei zu halten.

Plötzlich fliegen Steine. Bina und ich ziehen uns auf Issas Ansage hin erst mal ins Haus zurück.
Dort setzen wir wieder einen Liveticker an unsere Signal-Gruppe ab:
- Siedler bewerfen das Haus mit Steinen.
- Entwarnung, das ist hier normal. Es sind nur Siedler, keine Soldaten.
Doch dann sind auf einmal auf allen drei Seiten des Sumud Siedler und scheinen zu versuchen einzudringen. Wir drei teilen uns auf. Jeder filmt zu einer Seite. Das hält sie zumindest von Steinewerfen und allzu überzeugenden Eindringversuchen ab.
auch ich stehe zunächst mit an der vordertür, bevor issa sagt, ich soll den hinteren teil der terrasse beobachten, weil er selber aufs dach muß. ich versuche, die jugendlichen so gut es geht durch das gitter zu photographieren. einer kommt grinsend auf mich zu und spuckt mich an.
das mag in vielen kulturen eine abgrundtiefe beleidigung sein. mich juckt das nicht. spucke kann man abwischen. ein stein, der trifft macht üblere verletzungen.
Hier mein Film, durch die Sichtklappen der Vordertür der Terasse gefilmt:
Hier noch ein paar Bilder in Großaufnahme, in der leisen Hoffnung, dass sie eines Tages dazu führen, dass diese Kerle nicht mehr in die EU einreisen dürfen. – Denn die Besetzung und Besiedlung des Westjordanlandes mit eigener Bevölkerung, sind nach internationalem Recht ein Kriegsverbrechen. Genau wie die Besetzung und Besiedlung der Krim mit eigener Bevölkerung durch Russland. – Aber aufgrund des Einflusses Deutschlands innerhalb der EU, wird darauf nur bei der Krim mit Sanktionen gegen die Siedler reagiert, nicht im Westjordanland.




Die Soldaten fordern die jugendlichen Siedler dann höflich auf zu gehen. Was diese auch teilweise tun. Nur unterhalb des Hauses sind noch Siedlerkids und pöbeln. Und nach einer Salve Abschiedssteinwürfe trollen auch sie sich.
Dann kommt mit Umm Temer auch die erste Unterstützerin zur Verstärkung.
Sie und Issa sitzen vorne auf der Terasse und reden mit Soldaten. Dem Ton nach zu urteilen, geben die Soldaten YAS die Schuld.

Frieden auf der Oberfläche:
Der Abend ist dann auf der Oberfläche irritierend friedlich. Nach und nach kommen mehr Unterstützer. Und wir machen noch diese romantischen Aufnahmen:



Nur ein einzelner Siedler stört zwischendrin den Frieden noch durch Pöbelei und Beschimpfungen…
es ist erstaunlich, wie ruhig man wird, wenns drauf ankommt.
sicher, sowohl michel als auch ich waren aufgeregt, wenn wir nicht wußten, was passiert. als mohammad mitgenommen wurde, als soldaten kamen und wir die worte von drinnen versucht haben zu verstehen. aufgeregt auch, weil es bei denen auch für uns gefährlich werden kann.
trotzdem funktioniert der instinkt: vor dem rückzug ins haus alles von der terrasse mitnehmen, was auf uns deuten könnte. möglichst kein geräusch machen, keine überflüssige bewegung machen, das beschleunigt den rückzug. dann schnell die tür zu, 2x abschließen, licht aus und leise sein.
bei siedlern ist die auftragslage klar: filmen, photographieren, friedlich bleiben. und immer mit einem ohr bei issa, bzw. den anderen sein um keine anordnung zu überhören. michel und ich funktionieren in diesen situationen reibungslos miteinander. und meine hand umfaßt die kamera, wie sie es auch vor 7 jahren schon tat, als hätte sie in der zwischenzeit nichts anderes getan. ich werde mir nur angewöhnen müssen, sie bei jedem gang auf die terrasse oder später dann nach draußen in einer tasche an der frau zu haben. da hab ich heute noch defizite gehabt.


Eine Antwort auf „Überfälle von Soldaten und Siedlern“
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