Erneutes Fazit zu Zypern

Fr. 16. Mrz 2018

Wir haben ein bißchen den Eindruck, dass die von der internationalen Gemeinschaft und insbesondere von der EU finanzierten und betriebenen Friedens- und Versöhnungsprojekte auf Zypern im Wesentlichen einen Konflikt bearbeiten, der von der Zeit und den veränderten Umständen überholt wurde. Während diese Projekte eine Aussöhnung zwischen griechischen und türkischen Zyprioten suchen, sind in Nordzypern drei ganz andere Kräfte am wirken.

Erstens sind die türkischen Zyprioten inzwischen eine Minderheit. Die Mehrheit bilden hier gezielt angesiedelte Anatolientürken. Der nordzypriotischen Lehrergewerkschaft zufolge haben nur 25% der Grundschulkinder zyprotische, die übrigen 75% anatolische Eltern. (Ebenfalls der Gewerkschaft zufolge, wurde übrigens zur Angleichung an die Türkei die Evolutionslehre aus den Lehrplänen gestrichen und “Scharia und Dschihad” als Fach eingeführt.)

Ein türkischer Zypriot erklärte mir den Unterschied zwischen Zyprioten und Anatolientürken mit zwei Witzen, einem über Religion und einem über Familie. Er sagte: “Wenn ich diese Witze einem Zyprioten, egal ob griechisch oder türkisch, erzähle, lacht er. Ein Anatolier zieht sofort das Messer.”

Zweitens hat die türkische Mafia Nordzypern als ideales Geschäftsumfeld endeckt. Türkisch kontrolliert, aber eben nicht Türkei. Im Gegensatz zur Türkei (und allen anderen umliegenden mulimischen Ländern) ist Glücksspiel hier legal, Prostitution öffentlich möglich und Alkohol steuerfrei. Sie haben hier massiv investiert und investieren weiter. Es entsteht ein riesiges Las Vegas mitten im Nahen Osten. Bequem von Istanbul oder Kairo aus zu erreichen.

Drittens hält die türkische Armee Nordzypern besetzt. Womit die Türkei, also Erdogan und die AKP in allem das letzte Wort haben. Und deren Agenda ist “neo osmanisch” (den Begriff habe ich aus der New York Times). Sie streben also an, die Türkei zu alter Größe zu führen und das Osmanische Reich zumindest zum Teil wiedererstehen zu lassen.

Keine dieser drei in Nordzypern wirkenden Kräfte hat ein Interesse an einer innerzypriotischen Aussöhnung oder einer Wiedervereinigung der Insel. Und sie werden sie zu verhindern wissen.

Wir wünschen den AktivistInnen von “Unite Cyprus Now” viel Kraft und Erfolg. Auch wenn wir befürchten, dass sie ihr Ziel in absehbarer Zeit nicht erreichen werden. Aber ihre Arbeit trägt dazu bei Schlimmeres zu verhindern und in den Weg für eine Lösung in fernerer Zukunft offen zu halten. Und auch dafür lohnt es sich zu engagieren.

Apropos “engagieren”: Auf jeden, der sich auf Zypern aktiv für Frieden und Aussöhnung engagiert, scheinen mir Drei zu kommen, die ihre Batchelor-, Master- oder Doktorarbeit darüber schreiben. Wir haben mehr wissenschaftliche Paper gesehen als Flugblätter. Und im H4C waren meist mehr deutsche PraktikantInnen als zypriotische AktivistInnen. Zumindest den Lebensläufen angehender PolitikwissenschaftlerInnen scheint der Zypernkonflikt zu nutzen.