Der Zypernkonflikt

Mittwoch, 1. November

Die Wochen auf Zypern hat uns der Zypernkonflikt fast immer begleitet, mal im Vordergrund, mal im Hintergrund. Wir haben ihn an der Grünen Linie und im Gespräch mit Menschen erlebt. Und wir haben darüber gelesen und hier im Blog geschrieben.

Da wir Zypern heute in Richtung Türkei verlassen, wollen wir dazu „vorläufig abschließend“ Folgendes festhalten:

1) Es ist erstaunlich, was die Briten alles unternommen haben, um ihre Kolonie Zypern und später ihre souveränen Militärbasen auf der Insel zu behalten. Sie haben die türkischen und griechischen Zyprioten systematisch gegeneinander aufgebracht und die Türkei bewußt involviert, um ein Problem zu schaffen. Was ihnen gelungen ist. Dabei haben sie auch die zwischen 1930 und 1955 relativ guten Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei mutwillig, erfolgreich und nachhaltig beschädigt. Ihrer Verantwortung als Garantiemacht sind die Briten (insbesondere bei der Türkischen Invasion 1974) konsequent nicht nachgekommen.

Dass Großbritannien seine Basen immer noch hat und ausgerechnet Britische Soldaten im Ledra Palace sitzen und die Grüne Linie in Nikosia bewachen, ist im Lichte der Geschichte des Konfliktes gesehen, mehr als zynisch.

2) Die größten Grausamkeiten in der Kategorie „direkte Gewalt“ hat das Türkische Militär begangen: Die ethnischen Säuberung und den damit verbundenen Massenmord im Zuge der zweiten Phase der Invasion von 1974. – Wir verwenden die Gewaltdefinition des Friedensforschers Johann Galtung, der drei Arten von Gewalt unterscheidet: „direkte Gewalt“, „strukturelle Gewalt“ und „kulturelle Gewalt“

Dies heißt aber nicht, dass das Türkische Militär der einzige Schuldige oder der Hauptschuldige wäre. Alle drei Arten von Gewalt (direkte, strukturelle und kulturelle) wurden und werden von verschiedenen Akteuren beider Seiten (plus den Briten!!!) ausgiebig ausgeübt.

3) Was heute vor allem Not tut ist, dass sich die Menschen beiderseits der Barrikade kennenlernen, dass die Barrikaden in den Köpfen abgebaut werden. Denn sowohl im Norden als auch im Süden kennen die Zyprioten nur jeweils ihre sehr einseitige Version der Geschichte. Sie können sich einfach nicht vorstellen, dass die andere Seite auch gelitten hat. Sie stellen sich die jeweils anderen regelrecht als Monster vor. Die Feindbilder und Geschichtserzählungen sind so dermaßen platt, dass es schon wieder etwas Gutes hat: Bei einem Kontakt – also einem wirklichen Kontakt(!) – mit den Menschen auf der anderen Seite brechen sie sehr schnell in sich zusammen. Aber diesen Kontakt verhindern die Barrikaden in den Köpfen, den Schulbüchern, den Familien und so weiter.

Die verschiedenen deutschen Institutionen auf der Insel wie das Goethe-Institut, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Deutsche Botschaft, leisten hier übrigens hervorragende Arbeit. Schon dass das Haus des Goethe-Instituts in der Pufferzone am Ledra Palace liegt und sie neben Kursen für Deutsch auch solche für Türkisch und Griechisch als Fremdsprache anbieten, sagt einiges. – Sie hängen ihr Engagement nicht an die große Glocke, aber überall, wo es darum geht, Brücken zwischen beiden Teilen Zyperns zu bauen, sind „die Deutschen“ mit dabei. Kein anderes Land ist hier auch nur annähernd so präsent. – Es fühlt sich seltsam für uns an, so stolz auf unser Land zu sein.

4) Allen, die etwas tiefer in das Thema eindringen wollen, empfehlen wir die Zypernausgabe des Magazins „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (ApuZ) der „Bundeszentrale für politische Bildung“ (bpb) erschienen im März 2009.

Es sind 40 Seiten, aber für einen umfassenden und ausgewogenen Überblick geht es nicht kürzer. Die Artikel sind gut zu lesen, und vor allem der Artikel „Griechischer, türkischer oder ‚zypriotischer‘ Kaffee?“ ist regelrecht amüsant und kurzweilig geschrieben.