Umweg über Kosovo

trampen klappt gut. ein polizist nimmt uns bis zum busbahnhof im nächsten größeren ort mit.

und dort fahren auch gleich die kleinbusse nach tirana, von denen uns einer an der kreuzung zurück nach shkodër absetzen wird.

nach tirana ist es wirklich nicht sonderlich weit. aber alle kennen doch den spruch: der fährt peine-paris-pattensen, oder?

nun, dieser bus fährt tatsächlich stund um stund erst in den kosovo nach pristina und dann zurück nach albanien, weiter richtung tirana. wie gut, das wir unsere pässe dabei haben.

nach stunden sind erreichen wir die kreuzung nach shkodër. auf der weiterfahrt im nächsten bus fragt meine sitznachbarin wo wir hin wollen. als ich theth sage und sie es den anderen im bus erzählt, geht sofort eine laute, fröhliche schreierei los. ich frage, was los ist und sie sagt: wir diskutieren über die beste möglichkeit, nach theth zu kommen. ich: ‚es gibt keine!‘ sie übersetzt und alle lachen sich kringelig.

diese kleinbusse sind in der regel mehr oder weniger schrottreife transporter. natürlich von mercedes!

nebenbei haben michel und ich den ersten durchfall. kohletabletten helfen und ab sofort werden wir unser trink- und kochwasser in flaschen oder kanistern kaufen.

in der stadt übernachten wir in einem einfachen hostel und sichern uns über den host auch gleich den transport nach theth.

die nacht ist unruhig. das zimmer geht direkt auf die fußgängerzone hinaus und die albaner werden erst abends richtig munter und machen die nacht fast durch. stimmengewirr, laute musik, teilweise techno oder traditionelles, autogehupe. als ich schon denke, jetzt kommen keine neuen geräusche mehr dazu, fängt ein hund genervt an zu bellen und höhrt nicht wieder auf. den sortieren meine ohren auch weg, ich döse und dann fängt der muezzin zu singen an. das nun wieder live und wunderschön.

Abendstimmung in Skoder.

Bulli aus Theth abholen

die busfahrt nach theth klappt reibungslos.

und wer zwischendurch was einkaufen muß, oder der tante schnell hallo sagen will, muß bescheid sagen, dann hält der fahrer kurz an und alle anderen warten. er beliefert unterwegs auch selbst noch das eine oder andere restaurant mit was-auch-immer, bringt irgendwelchen straßenarbeitern ihr pausenessen vorbei.

und nimmt die schotterstrecke mit einer gnadenlosigkeit, das mir das auto mal wieder richtig leid tut.

den rother-wanderführer verschenken wir an zwei deutsche mitfahrende, die auch wandern wollen.

endlich hat uns bulli wieder und wir machen uns gleich auf den weg nach oben und fahren nach tirana.

ich bin ein wenig traurig, daß wir die tour nicht zuende laufen konnten. verdammtes knie!

andererseits hätten wir sonst nicht dies busabenteuer erlebt.

unterwegs nehmen wir wieder tramper aus polen mit, die nach makedonien wollen.

Wir erwähnen hier nicht einmal annähernd alle Tramper, die wir mitnehmen!

tirana ist ein moloch! die stadt stinkt nach verbranntem müll, der verkehr ist ein einziger kollaps.

sage mir nie wieder jemand, hamburg hätte ein verkehrsproblem!!!!!! lachhaft.

wir finden kaum aus der stadt raus. als es dann aber doch klappt, landen wir von allein in dem kleinen dorf, in dem wir uns eine alte burg anschauen wollten.

die nacht auf dem verlassenen dorfplatz nach einem kaffee in der bar ist wieder unruhig, weil es der treffpunkt der jugendlichen ist, die mit ihren autos, natürlich mercedesse, durch die gegend kacheln.

wir werden aber in ruhe gelassen und schauen uns am nächsten tag tirana an.

Tirana

es ist eine quirlige stadt, irgendwie mit bereits orientalischem flair, aber sie wirkt verstaubt, ein bischen marode, so lieblos.

Bina vor der Enver-Hodscha-Gedenkpyramide in Tirana.

der einzige ort, der ein bischen liebevoller ist, ist das grab (tekke) der heiligen hatrixhe vom bentaschiorden.

es hat die wirren der zeiten überlebt, liegt versteckt in einem kleinen wohnviertel und wird von den einheimischen gehütet und rege besucht. fremde sind willkommen, wenn sie sich an die regeln halten.

ein riesen eurospar macht mich fertig. so viel angebot, alles importiert. da kauf ich doch lieber in dem kleinen laden in der gasse nebenan und bei der alten frau an der straße.

und auch in tirana finden wir einen irischen pub. ein plastik-pub, wos auch froschschenkel als pub-grab gibt, aber auch ordentliches guinness und fish’n’chips.

Was wird man in einem einem echten Irish Pub niemals finden: eine englische Fahne! Diese hängt im sogenannten „Irish Pub“ in Tirana.

wir lernen k… aus finnland kennen, der in schweden lebt, grad in der ukraine arbeitet und in albanien urlaub macht. welch spannenes gespräch über albanische zustände, den syrienkrieg den sinn des lebens und über gott und die welt.

es war ein wunderschöner nachmittag mit ihm. liebe grüße von hier aus.

auch die 2. nacht verbringen wir wieder unterhalb unserer burg. Am morgen hatten wir sie uns schon angeschaut. sie ist winzig und zu einem hübschen restaurant hergerichtet, in dem der kaffee gut schmeckt und der blick übers land wunderschön ist.

So schön und so billig (aus deutscher Sicht) Albanien ist, einiges an dem Land macht mich wahnsinnig:

1) Lieb- und achtloser Umgang mit der Umwelt

Alles was man gerade nicht mehr braucht wird einfach weggeschmissen. Egal, wo man gerade geht oder steht. Überall liegt Müll rum. Wenn der Müll nicht weggeschmissen wird, wird er einfach verbrannt. Immer wieder beißt der Geruch von verbranntem Plastik in die Nase. Blumen vor den Häusern? Fehlanzeige! Stattdessen eher mal ein Autowrack oder eine Baustelle.

2) Wirtschaft

Albanien scheint nichts zu produzieren. Von dem Geld, das im Ausland verdient wird, werden offensichtlich bevorzugt dicke Autos (vor allem Mercedes) gekauft und überdimensionierte Einfamilienhäuser gebaut. Die oft unfertig bleiben oder leerstehen. Ansonsten sehe ich haufenweise Tankstellen, Autowaschanlagen und kleinste Geschäfte. Was mir fehlt sind normale Tante-Emma-Läden mit einem Sortiment für den täglichen Bedarf. Oder ein Schuhgeschäft mit etwas Auswahl. Auch produzierendes Gewerbe jeder Art fehlt. Das Geld wird in Autos und Häuser gesteckt, anstatt in produzierende Maschinen. Die Landwirtschaft liegt am Boden, obwohl man hier so ziemlich alles anbauen könnte.

Ein lähmender Stillstand hat das Land erfaßt. Die einzige Industrie, die wirklich boomt ist die Bauindustrie. Straßen für die ganzen Autos und diese überdimensionierten Einfamilienhäuser.

Mir bleibt unklar, wie hier eine Wirtschaft entstehen soll, die das Land und seine Bewohner trägt.

Typisch Albanische Ansicht: Vorne eine Autowaschanlage, hinten irgendetwas zwischen Rohbau und Bauruine.

3) Verkehr

Dass Verkehrsregeln in südlichen Ländern bei Weitem nicht so streng genommen werden, wie in Deutschland kenne ich ja schon. Aber diese Wild-West-Mentalität ist der Hammer. Jeder scheint nur auf seinen kurzfristigen Vorteil bedacht zu sein. Jeder und alles wird geschnitten. Das gilt insbesonder für SUVs (aber nicht nur für diese). Der Effekt ist, dass der Verkehr sehr langsam fließt und ständig stockt. Weil immer irgendwer abrupt abbremsen muß. Die Bremsen und Motor laufen heiß. Und mein Benzinverbrauch ist mindestens doppelt so hoch wie in Deutschland.

Diesmal keine Kühe, Pferde oder Esel, sondern Schafe und Ziegen.

(Ich entschuldige mich für das eben geschriebene bei N… aus „meiner“ alten 9b! Albanien und seine Menschen haben auch wunderbare Seiten. Oft waren wir von ihrer Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft einfach überwältigt.)

Schlafplatz an der Burg bei Tirana.

Ab ans Meer

jetzt wollen wir endlich mal wieder ans meer.

Dinge, die ich auf der albanischen Autobahn gesehen habe: Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, Geisterfahrer, Kühe, Einkaufsstände direkt an der Leitplanke und davor parkende Autos auf der Fahrbahn, sowie etwa 100 km/h zu schnell fahrende SUVs.

offizielle parkplätze, die aber wegen der durchgehenden leitplanke nicht genutzt werden können.

immer weiter südwärts gehts bis in die jala-bucht nördlich von himara, wo die saison eindeutig zuende geht.

die sonnenschirme und stege werden grad abgebaut, die restaurants sind noch offen, aber gäste werden irgendwie nicht mehr recht erwartet. der campingplatz hat geschlossen. wir stehen problemlos am kieselstrand, baden, schnorcheln.

der nächste tag bewölkt sich immer mehr. es wächst sich zu einem sturm aus mit gewitter und richtig heftigen wellen.

bei der gelegenheit haut eine windböe uns unsere schicke markise endgültig kaputt.

Sonne am Strand von Jala (noch mit Markise).
Regen am Strand von Jala (jetzt ohne Markise).

schade eigentlich.aber was solls.

wir verbringen die nächsten stunden lesend.

Das Gestänge der Markise ist hin. OK! Aber mit ein wenig Improvisation konstruiere ich aus dem Rest ein cooles Sonnensegel. Ich brauch nur einen Baumarkt.

Antike Ausgrabungen in Burint

heute wollen wir nach burint . wenig ist ja durch kommunismus und krieg erhalten geblieben, aber hier hat es antike griechische und römische ausgrabungen von weltrang und dazu noch byzantinische und venizianische ruinen als dreingabe, die wir uns in ruhe anschauen.

Eine der vielen Schildkröten in Burint. Diese am Asklepiostempel.
Bina im antiken Griechischen Theater.
Mosaik des Byzantinischen Baptisteriums.
Griechisches Stadttor. Das auch in irgendeinem antiken Epos vorkommt. (Fräulein N… wüßte jetzt weiter.)

in tirana hab ich mir eine knieschiene zugelegt, mit der kann ich weitgehendst porblemfrei gehen. auch bergab.

der kürzeste weg weiter geht über den fluß mit einer alten seilzugfähre. aber der fährmann will 7.-€ für 100m flußbreite haben!

das ist eindeutig zu viel, daher nehmen wir die lange strecke richtung griechenland.

mich würde mal interessieren, wie viel die einheimischen bezahlten, die nach uns an die fähre kamen und mit ihr über den fluß wollten…

Ioannina, eine griechische Unistadt

endlich wieder eu-europa. ich gebe zu, ich bin ein bischen erleichtert.

hier sind mir die regeln bekannt. ich kann ich straßenverhältnissen einigermaßen vertrauen.

klingt seltsam, ist aber so…

Wenn man aus Albanien kommt, wirkt Griechenland geradezu preußisch ordentlich und straff organisiert. Es fällt auf wie gut hier Landwirtschaft funktioniert und wie viele produzierende Betriebe es hier gibt.

unser erster weg führt nach ioannina. ein überraschend buntes , lebendiges universitätsstädchen. in unendlich grüner landschaft gelegen und mit dem tzoumerkagebirge als naheliegenden abenteuerspielplatz.

es macht spaß, durch diese stadt zu bummeln. und wenn man aus dem schmuddeligen, maroden albanien kommt, erscheint einem griechenland unendlich sauber, geordnet, strukturiert.

ich bin aber auch erschrocken über die eleganz vieler geschäfte, den schick und die gentrifizierenden auswüchse.

wir sitzen länger mit s… in einer bar bei cafe und sprechen über griechenland und politik.

s… ist student der informatik, trotzkist und träumt von der wiederbelebung der 4. internationalen in einem abeiter- und bauernstaat.

hmhm. als zukünftiger informatiker läßt sich leicht von einem arbeiter- und bauernstaat träumen.

am nächsten tag wollen wir rafting auf dem Arachtos machen, sofern die station noch offen hat. auch hier ist nachsaison.

Rafting auf dem Arachtos

an der station rufen wir nikos an, den eigentümer, der auch sofort kommt und alles klar macht.

es ist ein wunderschöner platz am fluß in der nähe eines ehrlichen canyons. mit selbstgebauten holzhütten, tischen im verwilderten garten unter walnussbäumen, herumstreundenden katzen und hühnern, die auch sofort angelaufen kommen.

wir können mit bulli für ein paar tage hier stehen, sollen uns wie zu hause fühlen und eine strichliste machen, wenn wir uns getränke aus der bar nehmen.

die raftingtour geht gleich los, mit noch einem weiteren ehepaar, die sich kurzfristig auch noch ankündigen.

es macht großen spaß, auch wenn der fluß jetzt nicht mehr viel wasser führt und die tour eher gemächlich ist.

aber nikos hat die eine oder andere überraschung für uns bereit, wie den wasserfall in einem seitenfluß und er kann viel über die entstehung des canyons erzählen.

Ja, der Fluß fließt wegen des niedrigen Wasserstandes eher gemächlich dahin. Mit einigen Stromschnellen. Dafür haben wir genug Zeit die wirklich unglaubliche Landschaft zu bewundern. Das wäre bei Wildwasser wirklich untergegangen.

auf der fahrt schnacken wir auch über sein leben, die griechenlandkrise und derlei dinge.

nikos sagt, daß er dringend mitarbeiter gebrauchen könnte, überhaupt, hier auf dem land gibt es arbeit genug. in den oliven, beim obstanbau, durchaus auch in der touristik, obwohl das seit der krise sehr wenig geworden ist.

aber niemand will von der stadt aufs land ziehen. alle wollen in athen oder tessaloniki arbeiten. oder finden rafting als hobby spannend, aber als job…

ich versteh es nicht. ioannina ist eine stunde entfernt. mit geschäften, nightlife, studentenszene und halligalli. da kann man doch gut am fluß wohnen und, so wie n… morgen auch zum vergnügen, nach ioannina fahren.

Rumgammeln in großartiger Natur

Wir verbringen zwei Tage als einzige Gäste auf dem gemütlichen kleinen Campingplatz. Dösen, lesen, schreiben unseren Blog.

und bepuscheln die katzenmutter mit ihren drei jungen, die ständig um uns herum sind.

n… sagt, sie kriegen wenig zu fressen, weil sie sich was jagen sollen. aber wenn wir unser essen auspacken, fagen alle dermaßen an zu schreien, daß es mir das herz bricht. daher koche ich heute mehr nudeln als sonst, die kriegen sie dann mit dem guten olivenöl aus montenegro. nicht grad katzengerecht, aber ich hab nichts anderes.

Abendstimmung auf unserem Privatcampingplatz.

Der Zauber des Sabbathjahres

Ab wann fühlt man, dass man ein Sabbathjahr macht? Bei mir sind es bisher drei Zeitpunkte:

1) Als ich am letzten Schultag nach Hause fuhr, wußte, dass ich nun ein Jahr frei habe, und mich wie in Watte gepackt fühlte.

2) Als wir in der sechsten Woche, anstatt nach Hause zu fahren (weil nach sechs Wochen ja die Sommerferien rum sind) über die Grenze nach Österreich fuhren.

3) Jetzt, wo ich die Zeit spüre, die bina und ich haben, und was sie mit uns macht. Wir sind nicht in Hektik, nicht im Alltag gefangen. Wir haben Zeit für uns. Jeder für sich und wir für einander. Morgens brauchen wir keinen Wecker. Unser Umgang mit uns und der Welt wird entspannter. Und vieles fällt uns ganz leicht.

Als wir Nikos nach dem Rafting fragen, sagen wir gleich, dass es nicht heute zu sein braucht. Morgen geht auch. Oder übermorgen.

Wir nehmen beide ab ohne Diät zu halten. Einfach weil die Snacks (die kurzen Freßanfälle im Alltag) wegfallen. Wir haben keinen Streß, der Frustfressen verursacht. Bina hat ohne viel aufhebens das Rauchen aufgegeben. Und ich brauche morgens keinen Kaffee mehr. Ja, ein Griechischer Kaffee mit Einheimischen ist ein Genuß. Aber er ist keine allmorgentliche Notwendigkeit mehr.

Die Gedanken über das eigene Leben werden anders. Anfangs ging es oft noch um Konkretes aus dem letzten Schuljahr. Jetzt geht es oft um größere Fragen. Mit mehr Abstand und Gelassenheit betrachtet.

Nachtrag: Der Bosporus

Montag 25.09.17

der bosporus! wir verlassen den europäischen kontinent und sind in asien. das finde ich wirklich bedeutend. ich fühle mich plötzlich sehr weit weg von zu hause und bedauere es – sorry – keineswegs.