Weihnachten in Bethlehem

Sa.-So 23.-24. Dez. 2017

Geburtskirche

Eingang der Geburtskirche.

Dazu, warum der ursprünglich größere Eingang der Geburtskirche so stark verkleinert wurde, kenne wir drei Geschichten. Erstens, um die Besucher der Kirche zu einer demütigen Haltung zu zwingen. Zweitens, um Überfälle und Raub zu erschweren. Drittens, damit die Kreuzritter nicht mehr zu Pferde in die Kirche reiten.

Griechisch orthodoxer Altarraum. (Ihnen gehört das Hauptkirchenschiff.)
Unterhalb des heutigen Kirchenbodens befindet sich ein Mosaik aus der Zeit der heiligen Helena.
Ausgang der Geburtsgrotte mit der Geburtsnische. Wir haben uns nicht angestellt, die Schlange vorm Grotteneingang war einfach zu lang.

Die Katholiken legen Wert darauf, zu betonen, dass sie zwar überirdisch nur eine Kirche neben der eigentlichen Geburtskirche haben, ihnen unterirdisch aber der größere Teil der Geburtsgrotte gehört. Zu ihrem Leidwesen liegt die Geburtsnische aber im orthodoxen Grottenteil.

Kreuzritterkritzelei im katholischen Grottenteil. Ja, dieses Gekritzel steht hinter Plexiglas, weil es über 800 Jahre alt ist.
Das „heilige Spannerloch“ katholische Mönche haben dieses Loch in die Absperrwand zwischen katholischem und orthodoxen Grottenteil gebohrt, durch die man die Geburtsnische sehen kann. – Die Schlange hier war deutlich kürzer.
Nebengrotten des katholischen Grottenteils.

Nette Gespräche mit Einheimischen

In der Touristeninformation treffen wir auf eine ältere Dame aus Berlin und eine palästinensische rheinische Frohnatur, die länger in Köln gelebt hat. Das Gespräch ist sehr sehr nett.

Am Abend des 23. Dezember bittet uns ein Angestellter des Hotels, auf dessen Parkplatz wir unwissentlich stehen, zum Direktor. Wir rechnen mit Ärger, werden aber stattdessen aufs überfreundlichste begrüßt und zum Kaffee eingeladen. Die Schwester des Direktors wohnt in Hamburg. Zwei Punkte des Gesprächs liegen uns allerdings anschließend wie Steine im Magen:

Unser Gastgeber kennt die Umgebung Hamburgs besser als die seiner Heimatstadt Betlehem. In Hamburg könne man sich einfach aufs Fahrrad setzen und losradeln schwärmt er. Kein Soldat wolle einen Passierschein sehen oder frage nach dem Grund des Ausflugs.

Seine Kinder, die zum Teil volljährig sind, haben noch nie das Meer gesehen. Er selber hat einen Passierschein für den Checkpoint nach Jerusalem, der gerade einmal 500m von seinem Haus entfernt liegt, weil er ein registrierter Geschäftsführer ist. Aber seine Frau und seine Kinder haben keinen Passierschein. Also bleiben sie im Westjordanland gefangen. – Laßt es euch auf dem Herzen zergehen: Noch nie das Meer gesehen! – Dabei liegt Betlehem nur halb so weit vom Mittelmeer entfernt, wie Hamburg von der Nordsee.

Gemeinsame Erklärung der christlichen Oberhäupter

Die Oberhäpter der verschiedenen christlichen Konfessionen unterzeichneten am 23. Dezember öffentlich eine Erklärung für Palästina und gegen Trump. – Man muß Trump lassen, dass er die sonst chronisch zerstrittenen Christen des Heiligen Landes geeint hat. Auch eine Leistung.

Kurzform der Erklärung auf einer Tafel vorm Betlehmer Weihnachtsbaum.
Tanzende Aktivisten mit Weihnachtsmannmützen.
Erzbischof Theodosius, der orthodoxe Patriarch von Jerusalem.
Bruder Tack – ach ne das war Sherwood Forrest.
Bina schreibt auf die offene Wand.

Im Shouk

Bestimmen in der Geburtskirche und auf dem Vorplatz Pilger aus aller Welt das Bild, ist sind wir wenige Dutzend Schritte weiter, im Shouk schon wieder die einzigen Ausländer und werden wie üblich neugierig angestarrt.

Überall in Palästina gibt es rothaarige Araber. Im Volksmund heißen sie „Kreuzritter“, weil sie der Legende nach von zum Islam konvertierten Kreuzrittern abstammen.
Wie bei Aale-Dieter auf dem Hamburger Fischmarkt…
Bina hat vorher gefragt, ob sie photographieren darf. Vermutlich hat sie die Erlaubnis erhalten, weil das Angebot für hiesige Verhältnisse regelrecht züchtig ist.

Empfang des lateinischen Patriarchen

Das letzte Türchen im Adventskalender öffnet sich.

Dieses Tor in der Mauer zwischen Jerusalem und Betlehem öffnet sich nur einmal im Jahr, um den lateinischen Patriarchen (also den katholischen Bischof) von Jerusalem und den ihn begleitenden Autokonvoi durchzulassen.

Das Auto des Patriarchen mit Diplomatenfähnchen.
Auch der Weihnachtsmann fährt im Konvoi mit.
Passendes Graffito neben dem Tor.
In die Altstadt Betlehems ziehen Patriarch und Gefolge zu Fuß ein.
Der Patriarch segnet ein Kind.
Er wird von den christlichen Pfadfindern aller Konfessionen mit lauten Dudelsäcken empfangen.
Und die einheimischen Christen folgen ihm…
… bis zur Geburtskirche,…
… wo die Weihnachtskrippe steht, die letztes Jahr vorm Petersdom im Vatikan stand.
Das ganze ist eher Karneval als „Stille Nacht – Heilige Nacht“.
Die Pfadfinder ziehen genauso lautstark wieder ab wie sie aufgezogen sind.
Müdigkeit schlägt Lärm.
Der syrisch orthodoxe Patriarch und der Leiter seiner Pfadfinder scheinen beide weltlichen Genüssen nicht abgeneigt zu sein, zumindest den kulinarischen Genüssen.

Wer jetzt glaubt, dass die Pfadfinder damit ihren großen Auftritt gehabt haben, der irrt. Ihren richtig großen Auftritt haben sie beim orthodoxen Weihnachtsfest am 6. Januar. Da empfangen sie um 9 Uhr den syrisch orthodoxen Patriarchen, um 9.30 den koptischen Patriarchen, um 13 Uhr den griechisch orthodoxen Patriarchen und um 15.00 Uhr den äthiopisch orthodoxen Patriarchen. Ein paar Tage später, am 18. Januar, ist dann das armenische Weihnachtsfest, zu dem der armenische Patriarch mit einer Prozession Dudelsack spielender Pfadfinder empfangen wird.

Nur die Fahrt durch das Tor am Grab der Rahel ist und bleibt ein Vorrecht des katholischen Patriarchen. Wer ja auch zu schön, wenn die Israelis da jeden durchließen!

es macht mich fertig, dies offene tor zu sehen. ich bin heilfroh, daß es michel genau so geht und wir mit dem zug des patriarchen zur geburtskirche mitgehen, bevor sich das tor wieder schließt. das schließen des tores hätte ich emotional nicht ausgehalten.

aber dann in der altstadt die vielen menschen, die fröhlich hinter den dudelsäcken hergehen, miteinander plaudern und aus ganz palästina gekommen sind. das ist wunderbar.

British High Tea im Walled Off

Bei Dunkelwerden begehen wir unser ganz persönliches Weihnachten mit einem British High Tea im Walled Off Hotel.

Frohes Fest! Und Friede auf Erden!

Beobachtungsschnipsel:

  • das ausgelobte bier hat unsere freundin nina gewonnen. sie indentifizierte unseren wüstenwopertinger als klippschliefer. das verwunderte uns ein wenig, vermuteten wir ihn doch als endemische art auf dem kilimandscharo. herzlichen glückwunsch, nina.
  • fanta hat hier eindeutig mehr farb- und geschmacksstoffe. dafür ist der arabische Schriftzug schöner.
  • es gibt erstaunlich viele rothaarige jungen in hebron. regelrecht irisch-rotirisch-rot.
  • einige bäume bekommen tatsächlich gelbe blätter, obwohl es hier nie so kalt wird, dass es nötig wäre. frage: brauche sie es noch für etwas anderes?
  • ein besonderer lieferservice in hebron: morgens, kurz vor ladenöffnung stehen vor vielen, noch geschlossenen eingängen termoskannen, sorgfältig in tüten verpackt. so hat der ladenbesitzer gleich heißen tee oder kaffee, wenn er seinen tag beginnt. abends sieht man dann jungen mit einkaufswagen die läden abklappern, um die kannen wieder ein zu sammeln.
  • am köstlichsten ist das essen an den ständen, die es in jeder altstadt oder shouk gibt. wagen mit irgendwas gekochten in pfannen oder töpfen, kleine läden mit einem rauchenden grill davor. drei köfte im pita-brot, ein bisschen gegrillte tomaten und zwiebeln dazu. Oder schnell ein bisschen gekochtes irgendwas aus dem topf geholt, mit frischen kräutern durchgehackt, ebenfalls in pita geschoben und uns für kleines geld in die hand gedrückt. es schmeckt nach innereien. jeder deutsche amtsarzt würde hintenüber fallen, sähe er, daß der mensch am stand sich schnell die hände an der schürze abwischt, um das geld entgegen zu nehmen, um dann wieder das köfte-fleisch um die spieße zu kneten, die auf einem alten stück pappe liegen.
  • wir sehen den ganzen müll überall in den straßen und ecken nicht mehr und regen uns auch nicht mehr über die freizügige interpretation von verkehrsregeln auf. anscheinend passen wir uns mehr und mehr unserer umwelt an.