Alltag?

Di & Mi, 14. & 15. Okt.

wir schlagen immer noch reichlich zeit tot.
sitzen viel wie ein altes ehepaar auf unserer bank unter dem olivenbaum, lächeln die anderen aktivisten an, die an uns vorbei gehen in ihrem tun.
die katzen gesellen sich zu uns, wenn sie möchten und wir freuen uns, wenn sie gestreichelt werden wollen. wir lesen, surfen im internet, ich versuche zu stricken. zum arabisch lernen fehlt uns die konzentration. ab und zu kommt jemand vorbei und schenkt uns tee oder kaffee ein.

wir haben immer ein ohr auf die tür rechts von uns, auf den soldatenposten links hinter dem haus und auf eventuelles drohnengesirre über uns.
gestern nacht war der himmel voll davon. manche sausten herum und manche standen am himmel wie der stern von bethlehem.

die finden wir wirklich unangenehm. nicht körperlich, aber emotional. dies gefühl, beobachtet zu werden von einer maschine, während irgendwo in einer militärbasis ein soldat hockt und die bilder anschaut. er kann nah heran und zurück zoomen, von rechts oder links schauen und man hat kein gesicht zu der person. aber er weiß, was wir frühstücken.

ein vorteil: wir wissen, dass sie nicht schießen werden, im gegensatz zu anderen drohnen in gaza.

Blinkende Drohnen bei Nacht. Nur die größeren, die höher fliegen, haben Positionslichter. Die kleineren, die dichter an uns dran sind, haben sie nicht.

simrath torah, ein weiterer jüdischer feiertag, ist in der nacht in vollem gange, wir hören von unten vom vorplatz der machpela musik und die siedler tanzen die ganze zeit mit der torah, wie es an diesem festtag brauch ist.

dienstag morgens hieß es, dass die wiederholte gefahr auf nächtlichen stress mit siedlern, ziemlich hoch sei. deshalb sind wir eher angespannt, als muhammad und mohannad nach hause gehen und wir allein sind. issa ist noch auf einem nachträglichen festakt zum tag der deutschen einheit im deutschen konsulat in ramallah. wann er kommt, ist ungewiss.

als er endlich auftaucht und hält issa keine nachtschichten für nötig. die siedler sind wohl doch zu sehr mit ihrem feiern beschäftigt. er stellt uns sogar in aussicht, dass wir uns morgen ruhig in die stadt hinunter trauen könnten. so gehen wir fröhlich zu bett.

in einem unserer kurzen ausflüge auf den vorderen teil der terrasse machen wir diese fotos:

das sind israelische miliärposten in H1, die dort gar nicht sein dürften. in H1 hat das israelische militär eigentlich nichts zu suchen. das ist der machtbereich der palästinensichen autonomie-behörde. aber die armee interessiert das nicht.
diese posten hätten eigentlich mit dem 1997
unterschriebenen hebron-abkommen abgebaut werden müssen, aber die armee hat sich nicht daran gehalten, denn sie stehen strategisch äußerst günstig auf bergen innerhalb hebrons.

hebron liegt in einem sehr engen tal. unten in H1 ist gerade mal platz für zwei schmale straßenzüge, bevor es rechts und links wieder die hänge hinauf geht.
von dort oben können die posten die ganze stadt überblicken und natürlich auch kontrollieren.

am mittwoch morgen fängt der tag – eigentlich wie immer – mit gemütlichem frühstück an. issa trinkt einen tee mit uns, die katzen kommen zum schmusen und wir freuen uns an dem immer noch recht warmen wetter.

mittags kommt eine gruppe britischer diplomat*innen zum sumud-zentrum hinauf. sie haben eine walking-tour mit ‚breaking the silence‘ gemacht und lassen sich hier oben von izzat erzählen, wie sich das leben in hebron für palästienser anfühlt und was das YAS und das sumud-zentrum sind.
‚breaking the silence‘ ist eine organisation ehemaliger soldaten, die den mut aufbringen zu veröffentlichen und zu erzählen, was sie während ihrer zeit in der israelischen armee gemacht haben. das bedeutet für sie viel, denn sie werden von vielen seiten angegriffen. die regierung versucht ihre arbeit zu behindern, für die armee sind sie verräter und wir wissen von einigen, deren gesamte familie sich von ihnen losgesagt haben, weil sie ihr tun öffentlich machen.

Links (mit Kippa) der ehemalige Soldat, der die Gruppe herumführt. Geradeaus sitzt Izzat, der erzählt. Die britischen Diplomat*innen hören gebannt zu, stellen anschließend neugierige Fragen, und werden hoffentlich dafür sorgen, dass das Vereinigte Königreich eine bessere Nahostpolitik macht.

für uns ist dieser besuch eine willkommene abwechselung.

aber kaum, dass die gäste wieder verschwunden sind, müssen wir im haus verschwinden, weil soldaten an die tür schlagen.
aufstehen, sachen vom tisch mitnehmen und schnell und leise im haus verschwinden, ist mittlerweile eine bewegung. dann noch leise die küchentür und unser zimmer von innen abschließen, das licht ausmachen und am fenster lauschen, was geredet wird.
dieses mal wird nach ‚internationalen‘ und nach frauen gefragt und es heißt, es stünden an die 50 soldaten um das haus herum. sie lassen sich abwimmeln. issa wird informiert und meint, die sind auf irgendeiner übungstour, zeigen präsenz und belästigen palästinensische nachbarn.
50 soldaten, 50 std. arbeitszeit … was für ein geldverbrennen!


Und dazu noch die Drohnen, die dieses Aufgebot begleiten und ums Haus schwirren.

die spinnen, die israelis!!!!!

a pro pos „palästinenser belästigen“: unten an der machpela gibt es wieder eine apartheitsstraße. das heißt, den breiten teil der straße dürfen nur siedler, sonstige israelis und internationale betreten, während der schmale, unwegsame teil hinter einem langen absperrgitter für die palästinenser bleibt.

Issa hat es heute auf seinem Instagram-Account veröffentlicht.

beobachtungsschnippsel:

  • kaffee und tee wird abwechselnd immer in denselben langstieligen töpfen auf dem gasfeuer gekocht. und der tee schmeckt trotzdem immer nach tee und dem kaffee merkt man auch nicht an, dass vorher tee in der kanne war.
    wenn ich daran denke, welches theater zuhause immer gemacht wird, tee- und kaffeekannen ja getrennt zu halten, denn wie scheußlich es schmeckte, wenn sich mal jemand vertut. liegt´s am unterschiedlichen material?
  • mich würde auch interessieren, nach welchem system der muezzin welche lieder erklingen läßt. sie klingen so unterschiedlich. gibt es auch dort eine art liturgie?
  • und oben, im ersten stock des sumud-zentrums, singt mit seiner schönen stimme mohammad seine gebete, während der muezzin noch ruft.