Der 100-Millionen-Dollar-Mann

Mo. 08. Jan 18

Ahbed ist ein reicher Mann und hat doch kaum Geld.

Denn er hat ein 100 Millionen Dollar Angebot des australischen Milliardärs Joseph Gutnick für sein Haus und seinen Laden abgelehnt. – Vermutlich wirkt er deshalb so gelassen in sich ruhend. Er hat sich weder durch Gewalt und Schikane vertreiben, noch kaufen lassen. Er hat seine Entscheidung getroffen und ist zufrieden mit ihr.

Sein Haus, das diese zwei Läden und drei dahinter liegende Apartements beherbergt, liegt am strategisch wichtigsten Punkt Hebrons.

Das Haus liegt gleich gegenüber der Abrahmsmoschee, die das Patriarchengrab beherbergt. Mit seinen beiden Nachbarn links und rechts ist er das sichtbarste Zeichen palästinensischen Lebens in der Geisterstadt. Jeder Siedler und jeder Tourist kommt an ihm vorbei. Und Ahbed lädt jeden Touristen auf einen Kaffee ein, ohne zu versuchen, ihm etwas aufzuschwatzen oder zu verkaufen. Bei ihm machen alle Walking-Touren Zwischenstation und so macht er die Veranda seines Ladens zu einer Oase in der sterilen Wüste der Geisterstadt.

Auch jeder Palästinenser sieht diese Oase beim Betreten des Checkpoints, der den Zugang zur Moschee kontrolliert. – Er darf zwar nicht hingehen, aber er sieht, dass es dort in der Geisterstadt noch palästinensisches Leben gibt, dass jemand aushält.

Den Siedlern ist Ahbed mit seinem Laden somit ein permanenter Dorn im Auge. Und da sie ihn weder mit Gewalt noch mit Schikane (wie z.B. jahrelanger allnächtlicher Musikbeschallung) los werden, hat der australische Milliardär Joseph Gutnick ihm ein Angebot gemacht, dass er eigentlich nicht ablehnen konnte: 100 Millonen Dollar, sowie US-Pässe für ihn und seine ganze Familie. Aber Ahbed hat abgelehnt.

Das Gutnick Center auf der anderen Straßenseite.

Gutnick hat sein Vermögen mit Gold- und Diamantminen in Australien gemacht. Er hat Millionen Dollar für Netanyahus Wahlkampf gespendet und war der finanzkräftigste Unterstützter der Siedler in Hebron. Ihm gehörte auch das im obigen Bild zu sehende Gutnick-Center, direkt gegenüber von Ahmeds Laden. Ja, „gehörte“ – in der Vergangenheitsform: Denn Gutnick mußte 2016 Konkurs anmelden. Manchmal gibt es doch Gerechtigkeit in der Welt.

Wenn ihr nach Hebron kommt, nehmt Ahbeds Einladung an und trinkt einen Kaffee auf seiner Ladenveranda. – Es ist gemütlich zwischen seiner Ware und man findet immer jemandem zum Plaudern.

Beobachtungsschniepsel:

Mit über 50 km/h, Trittbrettfahrern und Kind auf dem Arm!

Abends begegnet uns mitten in Hebron plötzlich ein laut hupender Autokorso mit Fahnen der PFLP – „Peoples Front for Liberlation of Palestein“ oder auf Deutsch der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“. Für uns klingt das ein wenig wie die „Volksfront von Judäa“ (VVJ) oder die „Kampagne für ein Freies Galiläa“ aus Monty Pythons „Leben des Brian“. Aber ganz im Ernst: Mit einem solchen hupenden Autokorso wird hier ein politischer Gefangener aus dem Gefängnis abgeholt.

In Deutschland wären bei dieser Aktion vermutlich sowohl Führerscheine als auch Sorgerechte weg: Trittbrettfahren mit Kind auf dem Arm bei Geschwindigkeitsüberschreitung. – Andere Länder, andere Sitten.