Mittwoch/Donnerstag, 8.+9.Okt.
michel führt gleich morgens ein sehr nettes, informatives und konstruktives gespräch mit der deutschen vertretung in ramallah.
der stellvertretende konsul ist außerordentlich auf zack, hat michels mail gelesen und die dringlichkeit verstanden, schickt uns umgehend eine protestnote, sprich beschwerde, die an den deutschen botschafter in tel aviv, geht, der diese an das israelische außenministerium weiterleitet. der konsul regt sehr fürsorglich an, die hebron doch vielleicht zu verlassen, da es hier nicht unbedingt sicher sei. als wir das ablehnen, bittet er uns, doch bitte vorsichtig zu sein und er wünsche uns alles gute.
der tag ansonsten ist im gegensatz zu gestern ruhig. die siedler sind mit dem laubhüttenfest (sokkot) beschäftigt. überall wird gefeiert. sokkot ist das jüdische erntedankfest und geht eine woche lang. aber richtig feiertag ist für liberale juden nur der erste tag. die konservativen juden haben zwei feiertage, der rest sind sogenannte halbfeiertage (wohl etwa so wie unser 24. dez.)
soldaten sitzen am hang zum olivenhain und genießen die aussicht.

und siedler sind auf dem weg von und zur machpela

und wir haben tatsächlich gelegenheit, das noch gut warme wetter draußen zu genießen.
über die laute musik sind wir recht froh..
denn fast ununterbrochen hört man die lautsprecher der verkaufswagen, die oberhalb des sumud durch die straßen fahren und aus denen in dauerschleife schief tönende quäkende melodien mal lauter mal leiser als erkennungszeichen ertönen.‚happy birthday‘, oder ‚morgen kommt der weihnachtsmann‘ (kein witz, die meldodie hat hier wohl eine andere bedeutung. als ich mohammad erzähle, das das bei uns ein weihnachtslied ist, will er es mir nicht glauben) und noch was anderes.
happy birthday‘ verkauft gasflaschen, der andere wasserkanister.
über uns kreisen öfters drohnen. issa und die anderen können unterscheiden, welche von den siedlern sind und welche von den soldaten. sicherheitshalber verziehen wir uns unter das dichte blätterdach der olivenbäume. das militärische sperrgebiet, zu dem das sumud-zentrum vielleicht erklärt wurde und in dem wir uns dann eigentlich nach wie vor nicht aufhalten dürfen wird erst donnerstag abend wieder aufgehoben. so hat es zumindest ein soldat issa mitgeteilt.
auch so ein zwiespalt: vor den soldaten müssen wir besser ausser sicht bleiben, die siedler sollen aber wissen, dass issa hier nicht allein ist.

eigentlich sollen wir heute mit issa eine altstadt-tour machen, er hat eine verabredung mit zwei italienischen parlamentarier*innen. leider wird daraus nichts, denn mohammad wird im checkpoint oberhalb von sumud zentrum festgehalten und kann keine stallwache übernehmen. das ist der checkpiont, an dem wir am samstag hätten kontrolliert werden sollen, wo aber der soldat lieber auf seinem handy gedaddelt hat.
sie haben ihm angekreidet, dass er die tür nicht richtig zu gemacht hat, obwohl es einen seilzug für die soldaten gibt, mit denen sie die tür schließen können ohne aufzustehen. ja, solche schickanen sind an checkpoints üblich. das ist das täglich brot von palästinensern. zum glück für mohammad kam umm temer auch durch den checkpoint und gab sich als seine mutter aus, die krank sei und nicht den halben tag auf ihren sohn warten könne. darauf hin ließ man ihn schon nach etwas über 2 ½ stunden raus.

das schloß der vordertür haben die siedler-jugendlichen wirklich gründlich kaputt gekriegt. das neue schloss ist zwar schnell eingebaut, aber den schweren riegel kriegt man trotz einölen und zurechtbiegen nach wie vor nur noch mit einer alten feldhacke aufgeschlagen.

wir müssen auch mit essen versorgt werden und es fällt mir nicht leicht, um einkäufe zu bitten, alle haben schließlich genug zu tun. auch wenn wir nicht viel brauchen. humus, pita, äpfel…vielleicht tomaten. aber wir können hier ja grade nicht weg und der kühlschrank ist leer.
issa bringt volle tüten mit. und michel hat endlich wieder genug von seinen geliebten äpfeln. abends stelle ich mich in die küche und versuche, etwas möglichst palästinensisches auf den tisch zu bringen. uns schmeckt es, aber ob die aussage von issa, dass es sehr lecker sei richtig ist, weiß ich nicht.

und noch ein überlegung:
entweder sind die siedler heute nacht mit feiern beschäftigt und haben keine zeit, das sumud-zentrum zu belästigen oder sie sind extra auf krawall gebürstet und lassen uns wieder nicht in ruhe.
deshalb gehen wir früh und wieder in klamotten schlafen, während issa wache hält und wir übernehmen ab mitternacht draußen die wache.
die nacht bleibt ruhig.
nur der kleine schwarze kater adam, der sonst wegflitzt, wenn man sich auf zwei meter nährt (es sei denn, man steht in der küche, dann schmust er einem um die beine), kuschelt sich auf die decke an unsere füße und schnurrt so laut, dass ich angst habe, die soldaten werden auf uns aufmerksam. und gaaaanz ganz vorsichtig dürfen wir ihn auch streicheln. erst mit einem finger, dann mit vieren und schließlich mit der ganzen hand. und dann mag er gar nicht genug davon bekommen.
ab und zu hört man den soldaten am checkpoint nebenan husten, er hat einen der siedlerjungs zeitweise als gesellschaft. warum das knäblein nachts um 4.00h nicht ins bett gejagt wird, wissen wir auch nicht.
hier und da bellen mal die hunde, der muezzin beginnt sein schönes nächtliches lied. wir hören issa leise durch das offene, aber vergitterte fenster schnarchen.
und wie angenehm ist es, sich ins bett verkriechen zu können, als er wach wird und die morgenwache übernimmt, bevor er aus dem haus geht.
