Israel/Palästina: Versuch eines vorläufigen Fazit

Die Situation:

Die Situation im Westjordanland und Ostjerusalem ist meiner Meinung nach mit den Begriffen “Apartheid” und “Ethnische Säuberung in Zeitlupe” richtig beschrieben.

In Israel selber ist das nicht ganz so einfach. Hier gibt es auf jeden Fall eine “in allen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen verfestigte rassistische Diskriminierung”. De jure sind die hiesigen Palästinenser Bürger mit Wahlrecht. De facto erfolgt der Zugang zu Wasser, Land, Wohnraum, Bildung, Arbeit und so weiter nach Volks- und Religionszugehörigkeit. Darüber hinaus es gibt die durchgängige “Verdrängung und Leugnung der ethnischen Säuberung von 1948” sowie aller damit verbundenen Grausamkeiten.

Über Gaza kann ich aus eigener Anschauung wenig sagen. Als ich vor 6 Jahren am Grenzzaun des Gazastreifens stand, hatte ich das Gefühl vor einem riesigen dystopischen Knast zu stehen. Israel hält den Gazastreifen nur in dem Sinne nicht besetzt, wie ein Gefängniswärter das Innere einer abgeschlossenen Zelle nicht besetzt hält. – Die Hamas wiederum herrscht in Gaza nur in dem Sinne, in dem ein Schlägertyp im Inneren einer überbelegten Gefängniszelle herrscht.

Der Traum von einer Sache

Die sogenannte “Zweistaatenlösung” halte ich für eine Chimäre und für schädliche Augenwischerei. Wo soll der zweite Staat liegen? Diesen Weg hat Israel mit seinen Siedlungen wortwörtlich verbaut! Aber durch die jahrzehntelangen Verhandlungen über diese “Zweistaatenlösung” gewinnt Israel Zeit, viel Zeit. Diese nutzt es zum Siedlungsbau und der ethnische Säuberung in Zeitlupe.

Man muß den Konflikt meiner Meinung nach nicht als nationalen Befreiungskampf begreifen, sondern als Bürgerrechtsbewegung. Es geht um gleiche Rechte und Möglichkeiten für alle zwischen Mittelmeer und Jordan lebenden Menschen, nicht um einen neuen Nationalstaat.

Israel hat das ganze Land genommen, jetzt muß es auch die Menschen nehmen!

Israel sollte das Westjordanland auch offiziell komplett anektieren und allen hier lebenden Palästinensern die israelische Staatsbürgerschaft inclusive Wahlrecht geben. Ebenso sollten die in Ostjerusalem lebenden Palästinensern die volle Staatsbürgerschaft erhalten.

In Israel selbst sollten die Palästinenser wirklich zu Bürgern mit gleichen Rechten und gleichen Möglichkeiten werden. Israel sollte die ethnische Säuberung von 1948 anerkennen, dafür um Entschuldigung bitten und Wiedergutmachung leisten. – Ob Wiedergutmachung dann Rückkehrrecht oder Reparationszahlungen bedetutet? Vermutlich zum Teil das Eine und zum Teil das Andere.

Gaza sollte entweder ein Teil Israels oder Ägyptens werden und seine Bewohner vollwertige Bürger des entsprechenden Landes. – Vermutlich müßte man Ägypten einiges an Geld zahlen, damit es Gaza nimmt. Warum nicht?

Und die Palästinenser? Sie müßten sich von ihrem Traum von Palästina verabschieden. Sie werden ihr Land nicht zurückbekommen. Aber das Israel/Palästina, in dem sie dann leben könnten, wäre ein anderes. Schon deshalb weil sie über 40% der wahlberechtigten Bürger des Staates stellen würden. (Also ohne Gaza und Rückkehrrecht.)

binas gedanken:

ich gehe mit michels ideen mit, möchte aber einen weiteren grund hinzufügen, warum israel nicht so weitermachen kann wie bisher. nach unseren beobachtungen würde das land, die infrastruktur und die gesellschaft als idee einer jüdischen gemeinschaft implodieren.

die haredim werden aufgrund ihrer geburtenrate immer zahlreicher und die säkularen israelis müssen immer mehr leisten im hinblick auf armee und steuerzahlungen zum beispiel.

gleichzeitig gibt es immer häufiger streit über religiöse regeln des zusammenlebens, die die haredim für alle israelis durchsetzen möchten. kleidervorschriften für schulkinder, sitzordnung im bus, straßenseite wechseln für frauen vor synagogen. das betrifft derzeit vor allem die wohngebiete der haredim wie bnei brak in tel aviv oder mea shearim in jerusalem, es gibt aber bestrebungen, das zumindest in jerusalem, auf die ganze stadt auszuweiten.

kein wunder, daß es immer öfter israelis vorziehen, aus israel weg zu gehen. zumal das leben in Tel Aviv sehr teuer geworden ist.

irgendwann wird es nicht mehr möglich sein, eine armee wie die jetzige aufrecht zu erhalten oder ein steuersystem, das trägt.

ich werde palästina vermissen. dies bunte dreckige chaos, was mich zugegebenermaßen auch sehr angestrengt hat. die menschen, seien es die jungs vom YAS oder die vielen leute in den straßen, grüßend, über uns staunend, sich sichtlich über unsere anwesenheit freuend. die läden, die immer wie kleine oasen wirkten.

ein letzter beobachtungsschniepsel:

– in deutschland wird beim abwiegen einer ware auf 10 gramm genau abgewogen. in palästina nimmt mans nicht so genau. da sind 100-200gr noch absolut im rahmen. und die handvoll datteln kriegt man vielleicht auch noch in die tüte gelegt. einfach so.

mir ist ein satz eingefallen, der mir sehr gefällt:

palästina haut einem das leben rechts und links um die ohren. mit allen guten und schlechten aspekten, aber immer mit einem lächeln im gesicht und einem guten kaffee oder tee in der hand.

wir bleiben weiter am ball. unsere arbeit ist noch nicht beendet. wenn wir wieder zu hause sind geht es weiter. wir bleiben dran. – “man ist ein leben lang für das verantwortlich, was man sich vertraut gemacht hat.” sagte der fuchs.

Youth Against Settlements

Wer mehr über “Youth Against Settlements” erfahren will, die Organisation für die wir als Internationale Freiwillige in Hebron waren, dem seien folgende Broschüre und Hompages empfhohlen: