Dienstag 03.10.17
wo fange ich nur an?
bei der tourist-info. der mensch drückt uns erst lachend die hand, dann süßigkeiten hinein und gibt uns anschließend eine große tüte mit englischem infomaterial, welches wirklich brauchbar ist.
wahrscheinlich sind wir die ersten seit einer woche, die ihn besuchen.
endlich gibt es für mich einen bazar. diese engen unebenen gassen, gerüche, farben, menschen, geräusche! ab und zu ein geschobener karren oder ein verwegenes mofa.
abseites eine kleine bar, der kaffee delikat, nebenan männer beim backgammonspiel. junge männer laufen hin und her, tabletts mit tee oder kaffee für die umliegenden händler in der hand und mit leeren gläsern zurückkommend.
ein alter mann, der uns als deutsche erkennt, selbst in köln war und sich freut. mit mir zu schlecht gesungenen kölner karnevalsliedern ein kurzes tänzchen auf der gasse wagt. alle lachen.

ich kaufe mir ein kopftuch, für später zur moschee-besichtigung und hab spaß am feilschen. michel findet einfache, aber bequeme schlappen.

diese berge an gewürzen, oliven, getrockneten pilzen und paprika. schuhe, schuhe, schuhe. dann kleidung noch und nöcher. und immer wieder läden mit schulränzeln. dazwischen bäckereien mit feueröfen hinten im laden. schmuck.
ich erkenne den nachteil einer langen reise. am liebsten würde ich groß einkaufen, auch wenn ich nicht weiß, wofür man das alles nutzt. und dann bald nach hause, es ausprobieren. aber wir wollen ja noch weiter und das alles mitschleppen…?

wir sind offentsichtlich die einzigen touristen. werden angesprochen. nicht um uns was zu verkaufen, sondern weil wir wohl zu einer selten gewordenen spezies gehören.
wie bin ich entschädigt für diesen spinner von gestern nacht!
abseits des bazars ein viertel auch mit vielen engen gassen und 2-geschossigen wohnhäusern. darin in schattigen innenhöfen kneipen, bars und cafes.
cafe bagdad. es riecht nach shisha, dort machen wir pause. jemand singt zur gitarre wunderschöne hiesige lieder. wir sitzen alle zusammen und klönen. irgendwer kann immer irgendwie ein bischen englisch. wir fragen nach dem alten hamam, den wir auf dem weg sahen. ja, der ist tags für frauen und männer, aber abends nur für männer.
hin da! und leider doch nur für männer. michel würde gern, verzichtet mir zuliebe und mir bricht ein bischen das herz. er freut sich doch so darauf. ich frage nach dem frauenhamam und es gibt sogar zwei im bazar, aber die seien nicht schön. natürlich nicht. bei frauens ist alles immer einfacher gehalten.
in einen gehe ich und michel verschwindet in seinem.
es ist wunderbar. was von mir für ein dreck in röllchen runterkommt! peinlich! spaghetti, lacht marine, mit der ich mich mit händen und füßen unterhalte und ihr erkläre, warum ich so dreckig bin. sie schrubbt und badet mich, massiert mich ein bischen durch, wovon ich mir doch ein wenig mehr versprach. aber entspannt bin ich trotzdem und lümmele mich auf dem heißen stein. ich bin ganz allein. irgendwo plätschert wasser, von draußen dringt kein geräusch des bazars zu mir hinein. leider kommt marine irgendwann, um mich zu holen.
im sherai sitze ich noch eine weile, höre den frauen zu, die zusammensitzen und reden und verabschiede mich irgendwann. das ganze hat keine 15.-€ gekostet. hamam in hamburg ist viiiieel teurer.
michel fühlt sich genau so sauber wie ich und wir essen zusammen künefe bei murat, der in einem künefe-cafe arbeitet und einer von denen ist, die uns so freudig angequatscht hatten.
künefe ist eine sensation. eine hiesige spezialität. eine art baklava mit käse gefüllt, in großen pfannen knusprig frisch gebraten, mit viel zuckersirup und dick mit geriebenen pistazien bestreut.
die frage von murat, ob wir wirklich noch eis wollen, ist berechtigt.

zwei weitere „touris“ kommen währenddessen auf den kleinen platz, wir laden sie an unseren tisch ein. er ein türkischer doktorand, der seine doktorarbeit in kiel schreibt. sie eine türkische programmiererin, die mit ihm nach norddeutschland gezogen ist. wir unterhalten uns auf englisch, da ihr englisch wesentlich besser als ihr deutsch ist. das gespräch dauert bis weit nach dem dunkelwerden, der platz hat sich längst geleert, alle läden schließen nach und nach mit dem gesang des muezzin zum sonnenuntergang.
Die Türkei ist sowohl von ihrer geographischen Lage als auch von Kultur und Gesellschaft her eine Brücke zwischen Orient und Okzident. Antiochia hingegen ist purer Orient! Historisch gehört Antiochia zu Syrien, konnte sich 1937 aber von den französischen Kolonialherren befreien und beschloss nach einem Jahr als freie Republik sich der damals noch jungen Türkei anzuschließen. Gegenüber den Französischen Kolonialisten das kleinere Übel.
Heute ist die Stadt zu etwa ¾ arabischsprachig und etwa ¼ türkischsprachig. Wobei die offiziellen Schilder alle auf Türkisch (und zum Teil auf Englisch sind). Die beiden in Deutschland lebenden Türken, von denen bina schon geschrieben hat, haben uns bestätigt, dass für sie Antiochia gefühltes orientalisches Ausland ist, weil die meisten Leute Arabisch sprechen.
Touristen kommen hier derzeit offensichtlich so selten her, dass die Einheimischen uns mehr bestaunen, als wir sie.
Vom Basar mit seinen Händlern, Gewürzen und Gerüchen hat bina ja schon erzählt. Ich will hier noch eine besondere Art Läden erwähnen, die zu photogaphieren ich mich nicht getraut habe. Im Basar gibt es mehrere Dessousläden deren Angebot als „Reizwäsche“ zu bezeichnen eine Untertreibung ist. Die Verkäuferinnen und ein großer Teil der Kundinnen sind sittsam und halal gekleidet, mit Kopftuch, bedeckten Armen und allem. Manchmal sogar mit Gesichtsschleier! So verschlossen die Kleidung dieser Frauen also für Fremde ist, der eigene Mann scheint im Schlafzimmer (oder sollte ich Harem sagen) wirklich etwas geboten zu bekommen.
Die Männer hier sind übrigens eine Augenweide für bina, die sich an ihnen offensichtlich kaum satt sehen kann.
Die Bäder (Hamam) sind streng nach Geschlechtern getrennt. Was aber für eine ganz eigene entspannte Atmosphäre sorgt. Männer (bzw. Frauen) unter sich im Bad achten nicht so auf Außenwirkung und geben sich der Hitze, den warmen Güssen, der Erholung, dem Schrubben und der Massage voll und ganz hin.
bulli hatten wir an einer straße mit parkscheinpflicht stehen. eigentlich wollten wir nur für drei stunden bleiben, aber da man erst bei abfahrt zahlt, blieben wir länger. leider wußten wir nicht, dass die bezahlzeit nur bis 18.30h ging. außerdem betreute ein stadtangestellter diesen bereich und kassierte das geld der autobesitzer.
als wir nun um 19.30h kamen, rannte er uns schon entgegen. total erleichtert, dass wir endlich da waren und er doch seine 18 Tl (Etwa 4,5€) bekam. er hatte auf uns extra gewartet und konnte endlich feierabend machen.
er bekam ein trinkgeld und es war uns sehr peinlich.
lieber mensch aus antakia: bitte entschuldige uns nachlässige touristen. wir passen nächstes mal besser auf.
In der Nacht wurden wir dann von Polizei geweckt, die mit Taschenlampen in unseren Bulli leuchtete. Es gab aber keinen Ärger. Sie waren nur um unsere Sicherheit besorgt. Einer von ihnen rief ein befreundetes Hotel in der Nähe an, auf dessen Parkplatz wir uns stellen sollten, damit wir gut bewacht seien. Wir zogen also mit 2 Polizeiautos Geleitschutz um und schliefen den Rest der Nacht gut bewacht.

