Bürokratie in Jerusalem

Montag bis Dienstag, 13.–21.11.2017

Die Vormittage der Werktage der kommenden anderthalb Wochen verbringe ich im Wesentlichen mit einer Behördenodyssee in Jerusalem, um die Papiere zusammen zu bekommen, die wir brauchen, um Bulli hier drei Monate lang legal fahren zu dürfen. Nachmittags schauen wir uns Jerusalem an. Und das Wochenende verbringen wir im keine Stunde Fahrt entfernten Tel Aviv. Aber das werden eigene Blogeinträge.

Die Behördenodyssee in Kurzform:

1) Misrad Ha Raschui (allgemeine Zulassungsbehörde): Schickt mich zur Ausländerbehörde, weil ich kein Visum im Pass habe.
2) Ausländerbehörde: Will mir kein Visum in den Pass stempeln, weil Deutsche kein Visum brauchen und deshalb auch keins bekommen. Mit Hartnäckigkeit und Chuszpe bekomme ich irgendwann von der Chefetage eine Sondergenehmigung und somit das Visum, welches es eigentlich nicht gibt.
3) Misrad Ha Raschui: Schickt mich diesmal zum Optiker für das „Grüne Blatt“, das jeder(!) für einen Führerschein benötigt.
4) Optiker: Untersucht meine Augen nicht, weil ich ja einen deutschen Führerschein habe, händigt mir aber das „Grüne Blatt“ aus. (Ohne sonst irgendwas sonst getan zu haben!)
5) Misrad Ha Raschui: Stellt mir einen vorläufigen israelischen Führerschein aus, den man als Tourist zwar nicht für ein Mietauto braucht, aber für ein selbst mitgebrachtes Auto. Dann schicken sie mich zur Post und zur Steuer- und Zollbehörde.
6) Post: Hier muß ich den Führerschein bar bezahlen. (Die Misrad Ha Raschui hat keine Kasse.)
7) Steuer- und Zollbehörde: Eröffnet mir, dass ich neben einer Versicherung für den zweiten und dritten Monat (für den ersten Monat haben wir schon eine) auch eine Bankbürgschaft einer israelischen Bank über alle Steuern brauche, die ich dem israelischen Staat für ein Jahr schulden würde, wenn ich Bulli dauerhaft einführen würde. – Anmerkungen hierzu: Die meisten Staaten der Welt werden durch die internationale „Grüne Versicherungskare“ abgedeckt. Aber einige wenige (obskure) Staaten wie Nordzypern, Iran oder Nordkorea deckt sie nicht ab. Und zu diesen Staaten gehört auch Israel. Für die Bankbürgschaft gibt es auch ein weltweit einheitliches System, das „Carnet de Passage“, welches selbst im Iran und Nordzypern funktioniert. Die einzigen mir bekannten Staaten, die hier nicht mitmachen sind Nordkorea und eben Israel. Ach ja, und ganz nebenbei dürfen Touristen ihr Auto für drei Monate steuerfrei nach Israel einführen.
8) Normales Versicherungsbüro: Sie dürfen Bulli nur für Zeiträume von über einem Jahr versichern. Die staatliche Erlaubnis und Verpflichtung für Versicherungen für kürzere Zeiträume hat nur „Pool“.
9) „Pool“: Sie dürfen und müssen alle Zeiträume versichern. Stellen sich aber auf den Standpunkt, dass sie für Touristen nur Transitversicherungen für eine Woche ausstellen. Wenn ich drei Monate lang bleiben wolle, müsse ich mein Auto erst komplett in Israel zulassen, bevor sie es versichern. Nachdem ich am selben Tag drei Mal bei ihnen aufgelaufen bin, und immer wieder die Hotline angerufen habe, geht es dann plötzlich doch. Ich soll am nächsten Tag wiederkommen.
10) „Pool“: Am nächsten Tag bekomme ich schnell und unkompliziert meine Autoversicherung für die fehlenden zwei Monate.
11) Post: Hier muß ich die Versicherung bar bezahlen. Das Büro von „Pool“ hat weder eine Kasse noch eine normale Bankverbindung.
12) Etwa ein halbes Dutzend Banken: Von den Erlebnissen am Schalter will ich hier drei wiedergeben:
12a) Am Ausländerschalter: „Wir eröffnen prinzipiell keine Konten für Ausländer.“ – „Ah, das erklärt, warum der Ausländerschalter der einzige Schalter ohne Warteschlange ist.“
12b) „Kein Problem, Sie müssen nur 50.000$ als Einlage auf das Konto überweisen.“ – „Das kann ich nicht.“ – „Oh, Sie können die 50.000$ auch unkompliziert jetzt sofort in bar einzahlen.“ – „Sehe ich aus wie Pablo Escobar?“ (OK, das Letzte denke ich nur.)
12c) „Kein Problem, Sie müssen auch nur die Bürgschaftssumme einlegen. Wir können Ihnen einen Termin zur Kontoeröffnung am Mittwoch nächster Woche geben.“ – „PRIMA! Dann mache ich jetzt erstmal eine Woche Urlaub!“

Dass Kafka ein Prager Jude war, ergibt für mich inzwischen noch mal ganz anders Sinn. Er muß der heimliche Schutzpatron der Israelischen Bürokratie sein.

ich hab mir irgendwo eine kleine erkältung geholt. einen der tage bleibe ich komplett im bett und schlafe den schnupfen weg, an einem anderen mache ich einen längeren spaziergang auf den alten schienen. das ist wirklich eine nette idee: der erste bahnhof der stadt und die schienentrasse sind im laufe der jahre obsolet geworden. aus dem bahnhof wurde ein veranstalungsgelände geschaffen. mit fressbuden, restaurants, bühne, kinderbespaßung, toiletten und netten plätzen zum verweilen. die bahnsteige sind noch zu erkennnen und aus dem gleisbett wurde ein spazierweg mit grünstreifen und radweg gemacht. auf den wiesen rechts und links lagern elternteile mit ihren kindern unter bäumen, ältere leute sitzen auf den vielen bänken, es wird gejoggt, geradelt, in die stadt zur arbeit gegangen. und die rosmarinhecken stehen am rand zum teil noch in blüte und duftend.

ich bin recht froh, daß michel beim behördenmarathon die nerven behält. ich hätte sie längst verloren und den spaß an der sache dazu.

ja, wir wollen uns ein bishen mehr hier einbringen, tiefer bohren, leute kennenlernen, dieses land noch besser verstehen. aber doch nicht in sachen bürokratie! das haben wir zu hause auch.

ich muß jetzt wieder häufiger an unsere syrischen freunde zu hause denken. mir ist aufgefallen – ja, zugegebenermaßen war ich auch etwas amüsiert – dass die ersten worte, die sie in deutschland lernten, behördennamen wie ‚jobcenter‘ waren. typisch deutschland. jetzt geht es uns ähnlich. misrach…wiewardasnoch kann michel schon ganz flüssig sagen.