Die Besatzung spürbar machen!


Es gibt eine allgemeine Einsatzregel bei der Israelischen Armee im Westjordanland: „Sich so verhalten, dass die Palästinenser und alle, die mit ihnen sind, merken, dass sie unter Besatzung sind und dass die Soldaten der Boss sind.“ Sie nennen das, „Die Besatzung spürbar machen!“ – Und heute haben sie das getan.


Geburtstagsfrühstück mit Soldaten

Wir waren beim Geburtstagsfrühstück, haben die Ruhe genossen und die Vögel Papageien fotografiert, die zwar eine invasive Art sind, aber schön. Ach ja, und zwischendurch zeigten uns jugendliche Siedlerjungen auf dem Weg zur Synagoge (es ist Schabbat) den Stinkefinger.

Dann kamen ein Trupp Soldaten den Hügel hoch. Sobald sie uns sahen, begannen sie, sich zu vermummen. Sie kamen an den Zaun und behaupteten, dass es sowohl verboten sei, hier zu fotografieren, als auch auf der umzäunten Terasse zu sitzen. Was beides nicht stimmt. Sie versuchten uns ins Haus zu verbannen. – Als ich vorgab, die Botschaft anzurufen trollten sie sich.

Noch haben sich erst die Anführer vermummt, der Rest folgt kurz darauf.

KI-Maschinengewehr

Nach dem Frühstück gehen wir in die Stadt, ein paar Besorgungen machen. Dazu passieren wir Checkpoint 56 am Ende der Shuhada Street. Dieser besitzt das erste vollständig autonome Maschinengewehr der Welt. (Inzwischen ist es nicht mehr das einzige.) Es ist auch das erste seiner Art, das vollständig autonom Menschen erschossen hat. Und das (im selben Atemzug) erste, das unschuldige Zivilisten erschossen hat. – Die KI hatte sich wohl vertan? Oder?


Lebendiger Shuk & Neue Siedlungen

Sobald wir die sterile Zone verlassen, erschlägt und die Lebendigkeit dieser Stadt.

Aber im Shuk merken wir doch schnell, dass die Siedler sich ausgebreitet haben.

Die Gitter und Dächer über der Straße dienen zum Schutz vor Steinen, Müll und Exkrementen, welche die Siedler aus ihren in den oberen Stockwerken liegenden Siedlungsausbuchtungen auf die unten einkaufenden Palästinenser schmeißen.
Diese Gitter und Dächer waren bei unserem letzen Aufenhalt 2017/18 noch nicht da.
Im Jahr 2022 hat Deutschland die Renovierung dieser UNESCO-Kulturerbe Alststadthäuser bezahlt.
Danach haben die Siedler der dahinter liegenden Siedlung sich die oberen Etagen unter den Nagel gerissen. – Warum hat Deutschland nicht deutlich hörbar Protest dagegen eingelegt?
Wir kaufen unsere Kufiye in einem Laden der direkt unter der zweitjüngsten Siedlung der Stadt liegt.
Direkt gegenüber einer der „alten“ Siedlungen. Die genau am Rand der sterilen Zone liegt.

Die Siedler machen jeden Schabbes einen Spaziergang durch den Shuk, für den die Armee jeweils alle Straßen, durch die sie wollen, abriegelt. Das haben sie vor genau vier Wochen, am 6. September 2025 genutzt, um unter dem Schutz der Soldaten dieses halbe Haus neu dazu zu besetzen.


Anderthalbstunden im Käfig

Auf dem Rückweg wollen wir wieder Checkpoint 56 passieren.

Bina betritt den Checkpoint.

Ich mache ein Foto von bina im Checkpoint. Daraufhin drehen die Soldaten auf. Erst wollen sie Kamera und Smartphone samt Pincode haben. Als sie das nicht bekommen, bestehen sie auf Löschung der Fotos. (Sie können uns unsere Sachen nicht so ohne weiteres mit Gewalt abnehmen. Ihr eigener Tigerkäfig, in dem wir stecken, hindert sie daran. Und dass sie wegen ihrer Gewehre nur eine Hand frei haben.) Ich lösche die Fotos; für sie durch die Gitterstäbe gut sichtbar. Trotzem drohen sie uns und halten uns anderthalb Stunden in dem Käfig gefangen.

Anschließend sagen sie, wir dürfen den Käfig/Checkpoint nur in die Richtung verlassen, aus der wir gekommen sind. Und sie Beschuldigen uns, dass die Palästinenser wegen uns warten mussten. (Auf unseren Vorschlag, dass wir im Käfig zur Seite treten, und sie die anderen durchlassen, sind sie vorher etwa ein halbes Dutzend Mal nicht eingegangen.)


Umweg mit neuen Siedlungen & so

Gut, dann gehen wir eben außen rum zurück nach Hause. Die Checkpoints haben ja eher wenig mit Sicherheit und viel mit Schikane des Alltagslebens der Palästinenser zu tun. Mit einer halben Stunde Fußmarsch kommt man problemlos hintenrum rein. Die einzigen beiden Soldaden, die wir beide sehen, starren so gebannt auf ihre Smartphones, dass sie kaum Notiz von uns nehmen.

Unser Weg führt über den Schulhof einer ebenfalls von Deutschland finanzierten Mädchenschule, die von ihren Schülerinnen seit Juli fast nur noch über Trampelpfade von hinten betreten werden kann. Seit die Siedler zwei Mobile-Homes auf die Brachfläche vor der Schule gestellt haben. Sie behaupten, die Fläche sei Teil eines alten jüdischen Friedhofs, der ein kleines Stück entfernt liegt. – Was sie nachweislich nicht ist!

Das besondere an genau dieser Siedlung ist, dass sie in H1 liegt. Dem Teil von Hebron, in dem gemäß des Oslo-Abkommens die palästinensische Autonomiebehörde das sagen hat, und den weder israelische Soldaten noch Siedler ohne deren Erlaubnis betreten dürfen. – Die israelische Verwaltung hat daraufhin eine Hebronkarte mit einer am Computer veränderten Grenzlinie veröffentlich. Aber es gibt im Netz Fotos, von der originalen Karte, die dort schon sehr sehr lange stehen. Und es gibt alte Karten aus Papier. – Orwell wäre von den Israelis beeindruckt!

Der Schulhof. Rechts hinterm Zaun eines der beiden Mobile-Homes.

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Nicht gerade sehr ordentlich die Siedler. Vermutlich Hilltop-Youth!

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Theoretisch gibt es auf unserem Weg einen Checkpoint. Aber wir gehen einfach rechts an der Schranke vorbei, während der Soldat links hinter Panzerglas auf sein Smartphone starrt.

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Die Geschichte dieses Siedlerhauses finden wir besonders perfide. Als die dort wohnende Familie im Ramadan diesen Jahres abends auf einem gemeinsamen Fastenbrechen mit anderen Familien war, sind die Siedler eingebrochen und haben sich festgesetzt.

Als letztes passieren wir die archäologische Ausgrabung der Siedler.

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Dieses Bild hat die Aktivisten von YAS besonders intersssiert. Diese Ausgrabung ist neu.

Die Siedler fangen einfach an, auf privatem Land zu graben. Wenn sie alte Steine finden, dann sperrt die Armee das Grundstück für sie ab. Um die Archäologisch wertvolle Stätte zu schützen. Und wenn sie lange genug ungestört sind, finden sie immer etwas. Immerhin ist das hier Hebron! Besiedelt seit der Bronzezeit!