Der uralte Olivenhain liegt unmittelbar unterhalb des Somod (dem Zentrum von Youth Against Settlements – YAS) und der israelischen Siedlung von Tel Rumeida.
Die Siedler versuchen seit langem an das Land zu kommen. Sie haben absurd hohe Summen für das Land geboten. Aber E… (der ein wenig Deutsch spricht, weil er mal in Berlin gelebt hat) sagt: „Diese Bäume haben schon meinem Großvater gehört und seinem Großvater und dessen Großvater, und so weiter. Diese Bäume sind meine Kinder.“
E…, der Besitzer des Hains mit dem ältesten seiner Olivenbäume. Der Baum ist über 2400 Jahre alt. Und er könnte in der Höhle im Stamm schlafen, vor deren Eingang er sitzt.Er ist noch ein Mensch, der sich nicht kaufen läßt.
Da sie ihn mit Geld nicht locken konnten, versuchten die Siedler es mit Gewalt. Vor fünf und vor drei Jahren haben sie Feuer an die Bäume gelegt, die für seine Familie lebenswichtig sind. Die meisten Bäume konnten die Palästinenser mit nassem Lehm löschen und retten. Einige jedoch nicht.
Dieser Baumstumpf war ein 1700 Jahre alter, immer noch tragender Olivenbaum, als er zum Raub der Flammen wurde.Heute wird die Erde rund um die Bäume gepflügt, mit Pferd, Maultier und Handpflug, wie in biblischen Zeiten. Einerseits sind hier Kraftfahrzeuge und Traktoren den israelischen Siedlern vorbehalten. Andererseits sind die Terassen vermutlich einfach zu schmal und das Gelände zu steil.
Als sie morgens mit der Arbeit begannen, wollten die Soldaten des unterhalb an der Abrahams-Quelle liegenden Wachpostens sie daran hindern. Eine Begründung konnten sie nicht geben. Aber die Palästinenser ließen sich nicht hindern.
Der Wachposten unterhalb des Olivenhains bewacht – ja was eigentlich?Um sich gegenseitig durch ihre Anwesenheit vor den Soldaten und Siedlern zu schützen, sind sie alle gemeinsam bei der Arbeit. Je mehr Menschen im Hain arbeiten, desto größer ist der Schutz für jeden Einzelnen.Auch ein Schäfer mit seiner Herde schützt mit seiner Anwesenheit die Feldarbeiter. Und mit ihrer Anwesenheit sich selber.
Kurz danach:
Diese beiden Mädchen brachten bina ihre Namen bei.
Sie wollten nicht, daß wir wieder gehen, sondern an uns ihr bischen Englisch ausprobieren dürfen.
ich schreibe mir neuerdings alle namen, die ich erfahre, auf. sonst vergesse ich sie wieder und das ist mir unangenehm. mich kennen schließlich auch alle.
Wir sind auf! Hebron geht uns psychisch und physisch an die Substanz. Und das naßkalte Wetter macht es nicht besser. Hebron liegt ganz oben auf dem Hauptkamm der Westjordanberge die derzeit eher den Nebelbergen aus dem Herrn der Ringe gleichen. Der Januar 2018 ist der regenreichste Monat seit 5 Jahren. Und die Palästinenser kennen die Konzepte “Zentralheizung” und “Tür-zu!-Kommt-kalt-rein!” nicht. – Wozu auch… normalerweise regnet es hier ja auch nie.
Seltenes Schauspiel: Als Folge des Regens ergrünt die Judäische Wüste!
Wir quartieren uns im Samihostel ein und schlafen uns zwei Tage und Nächte aus. Jericho ist sommerlich warm, und es regnet nur eine Nacht. – Wobei wir feststellen, dass das Dach zwei undichte Stellen hat. Es scheint sich nicht zu lohnen, es zu reparieren, da Jericho maximal 8 Regentage im Jahr hat. Und diese eine Nacht zählte schon als 2 davon.
Ja: Michels Eltern haben die billigen Ryanairflüge von Bremen nach Eilat genutzt, für insgesamt 190€ zwei Hin- und Rückflüge inklusive 20kg Extrakoffer gebucht und kommen uns für eine Woche besuchen. Wir haben uns am Nordrand des Toten Meeres verabredet und Jericho, Jerusalem und Hebron als Programm mit Ihnen vereinbart.
Sie waren so lieb, einen zweiteiligen Gastbeitrag für unseren Blog zu schreiben. Der erste Teil behandelt die Besatzung, der zweite Teil die schönen Erlebnisse, die wir zusammen hatten. Unten haben wir dann Bilder unserer gemeinsamen Zeit angehängt.
Gastblog Michels Eltern Teil 1: Die Besatzung
Wir hatten den Blog interessiert verfolgt und nahmen gerne die Einladung an, unsere Kinder eine Woche zu besuchen.
Unser Bild der Juden war das eines Volkes, dem die Welt hervorragende Köpfe in Wissenschaft (in der Medizin nicht wegzudenken) und Kultur verdankt und zu dem wir aufgrund des schrecklichen Verbrechens in unserem Namen für immer ein besonderes Verhältnis haben werden.
Der erste Tag in Eilat entsprach diesem Bild, wir trafen auf aufmerksame, hilfsbereite und freundliche Menschen.
Ab dem nächsten Tag bekam das positive Bild leider einen Knacks, da wir erleben mussten, wie die Palästinenser behandelt wurden, um sie möglichst auf ihr Autonomiegebiet begrenzt zu halten, und Kontakte mit Besuchern zu unterbinden.
Hierzu folgende Beispiele:
1) das Fahren mit dem Mietauto in Palästinensergebiete ist untersagt, wobei dann der Versicherungsschutz erlischt.
2) auf Google Maps war es nicht möglich, z.B. von Jericho den Weg nach Jerusalem einzugeben.
3) die Frage nach den geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen in Israel konnten die Palästinenser nicht beantworten (Michael wusste es auch nicht, da sein Bulli höchstens 90 km/h errreicht), da sie noch nie außerhalb der Palästinensergebiete waren.
4) als wir eine palästinensische Prepaid-Karte in Jericho kauften, meinte der Verkäufer, dass diese nur in den Palästinensergebieten funktionieren würde, dass sie auch im Großraum Jerusalem funktioniert wusste er nicht, da Jerusalem für ihn unerreichbar war.
Wir mussten mehrmals feststellen, dass von den Siedlern (mit Unterstützung der Regierung) und Soldaten eine Herrenattitüde an den Tag gelegt wurde, die an dunkelste Zeiten unserer Vergangenheit erinnerte:
1) wir wurden in der Altstadt von Jerusalem von einer Frau, die eine Gruppe Jugendlicher, sichtlich aus der englischsprachigen Diaspora, führte, angesprochen, ob wir Juden seien. Als wir dies verneinten wandte sie sich lautstark an die Jugendlichen, dass Juden die Besten, Grössten und allen anderen überlegen seien, wobei ihr vor lauter Eifer die Perücke verrutschte. Unser schüchterner Einwand, dass alle Menschen gleich seien, wurde nicht akzeptiert und wir verzichteten auf eine weiter Diskussion um eine Eskalation zu vermeiden.
2) besonders bei den Checkpoints in Hebron (vor den Gräbern der Patriarchen, auf die sich Juden, Christen und Mohammedaner beziehen) zeigten die diensthabenden jungen Soldaten ihre Macht und ließen die Schlange, auch wenn gebrechliche alte Menschen, Schwangere und Kleinkinder sich in ihr befanden, warten und lasen Zeitung oder machten Brotzeit, ein System, ob und wann geöffnet wurde war nicht erkennbar.
Wir haben Verständnis, dass die Juden in Sicherheit leben wollen, was sicher nur mit Kontrollen und restriktiven Maßnahmen möglich ist.
Die schikanöse Behandlung der Palästinenser ist aber sicher einer friedlichen Lösung nicht förderlich.
Die Folgen der ständigen Demütigungen zeigten sich auch im Verhalten der Palästinenser, so wurden wir wiederholt mit „Hitler gut“ angesprochen und ernteten Unverständnis, wenn wir dem keinesfalls zustimmen konnten.
Während unseres Aufenthaltes in Jerusalem wurde der amerikanische Vizepräsident mit grossen Plakaten begrüsst und der sowieso chaotische jerusalemer Verkahr brach teilweise zusammen, in der Altstadt, an der Klagemauer und auf dem Tempelberg war die Anspannung mit Händen greifbar.
Die Gegensätze sind so verfestigt, dass eine friedliche Zukunft unmöglich erscheint, solange die israelische Regierung der Siedlern nicht Einhalt gebietet und die palästinesische den Scharfmachern, die Israel von der Landkarte tilgen wollen, nicht entschieden entgegentritt.
Gastblog Michels Eltern Teil 2: Die schönen Erlebnisse
Die kritischen Ausführungen im ersten Teil sind den letzten Eindrücken in Hebron geschuldet, dem sich bei uns entwickelnden Virusinfekt (nicht von schlechten Eltern) sowie 3 unbedarften Mädels im Parkplatzshuttle in Bremen, die von der Siedlerproblematik nichts bemerkt hatten und alles als Palästinenserpropaganda abtaten.
Nun die schönen Erlebnisse:
Unser Treffen am Nordende des Toten Meeres hätte fast nicht geklappt, die einzige Strasse am Toten Meer war nach Regengüssen überschwemmt und ab Masada gesperrt. Nach der Masadabesichtigung konnte man uns nicht sagen, ob und wann sie wieder offen ist, als wir dann aber wieder zu der Sperre kamen, wurde diese gerade aufgehoben und wir konnten weiter.
Michel und Bina warteten einige km vor der vereinbarten Stelle, in der Annahme, dass wir ihren Bulli am Strassenrand sehen würden, was aber nicht der Fall war. Ein freundlicher israelischer Platzwart ermöglichte dann mit seinem Handy doch noch eine „Familienzusammenführung“, die Wiedersehensfreude war groß.
Wir parkten unseren Leihwagen bei einer Tankstelle vor dem Autonomiegebiet und fuhren mit dem Bulli nach Jericho.
Nach dem Einchecken im Hotel fuhren wir in die Innenstadt, wo wir in orientalische Essgewohnheiten eingeführt wurden, wobei Fladenbrot das Besteck ersetzt. Wir saßen auf einem Balkon vor einem Tisch mit vielen leckeren Tellerchen und blickten auf den brausenden Verkehr, der Lärm störte nicht, Orient pur.
Anschließend bekamen wir gezeigt, wie man Geld aus dem Automaten zieht und kauften eine paläsinensische SIM-Karte (s.o.), dabei stellte sich heraus, dass die Handybatterie aufgebläht war und jeden Augenblick explodieren konnte (nicht auszudenken im Flugzeug).
Am nächsten Tag machten wir eine Wanderung zum orthodoxen Georgskloster, entlang einer Schlucht auf einem „zünftig alpin“ rot-weiss markierten Pfad, wobei wir für die geliehenen Wanderstöcke sehr dankbar waren. Vorbei an Beduinen, die in Plastikplanen lebten und auf ihren Eseln über Abgründen balancierten. In der Tiefe der sonst trockenen Schlucht stürzte nach den vorherigen Regenfällen ein Wildbach zu Tal, eine Atmosphäre wie in den Alpen. Im Kloster waren nach der Einsamkeit des Weges wieder viele orthodoxe Besucher, die mit Bussen dorthin gekarrt wurden und nach der Besichtigung war die Rast im Schatten von Bäumen unterhalb des Klosters mit Brot, Hummus, frischem Wasser und Früchten ein Genuß (wie auf einer Alm).
Dann durften als Muss die Ausgrabungen der „Mauern von Jericho“ nicht versäumt werden mit ältestem Turm und Treppe der Welt.
Abends waren wir von B+M auf der Terrasse unseres Hotelzimmers zum Abendessen eingeladen, neben den bekannten Köstlichkeiten sowie frisch geernteten Datteln und Bananen, auch mit einheimischem Bier und einem ausgezeicheten Wein. Die laue Nacht und der Ausblick auf den „Berg der Versuchung“ rundeten diesen Tag ab.
Dem folgte die Fahrt nach Jerusalem ins österreichische Hospiz, eine grüne K.u.K Insel im Ringstrassenstil, mitten im Altstadtgewusel, Opi und Omi als ehemalige K.u.K. Bürger hätten ihre helle Freude daran gehabt. Wegen des Vizepräsidentenbesuches (s.o.) dauerte das Verbringen des Autos zum Parkplatz 1,5 Std (sonst etwa 10-15 min), so dass wir uns erst in dem „Wiener Cafe“ bei Melange und Strudel erholen mussten. Vom Hospizdach hatten wir den besten Rundumblick der uns zur besseren Orientierung half. Dann wurden wir durch das Gassengewirr zur Grabeskirche geführt, wo wir sachverständig das „Zusammenleben“ der christlichen Konfessionen erklärt bekamen, am Ende der Hierarchie stehen wohl die äthiopischen Mönche, die auf dem Dach der Grabeskirche in Lehmhütten hausen. Abendessen war in einem Restaurant am Damaskustor, wobei wir ja mit den Tischgewohnheiten schon vertraut waren. Dann waren wir auch bettreif.
Am nächsten Morgen wurden wir zuerst vom Muezzin geweckt, dann von Kirchenglocken und dann von Pilgergruppen, die betend und singend unter dem Hospiz die Via Dolorosa entlang zogen. Dem folgte die Besichtigung von Klagemauer und Tempelberg (s.o.) wobei uns Michels Kenntnisse von Wegen, Öffnungs- und Gebetzeiten sehr zu statten kamen. Anschließend eine Wanderung auf der begehbaren Stadtmauer, vorbei an den verschiedenen ethnischen und religiöen Vierteln und Erholung im „Wiener Cafe“. Danach ein erneuter Besuch der Grabeskirche. Dort standen unsere Frauen in der langen Schlange vor dem Grab geduldig an, wobei das Vorrücken der Schlange immer wieder durch Prozessionen unterbrochen wurde, wir Männer machten es uns auf den Bänken bequem und beobachteten das fromme Gewese. Die Geduld unserer Frauen wurde belohnt und es gelang ihnen soger, in der Grabkammer eine Kerze anzuzünden. Zum Abschluß wieder Abendessen beim Damaskustor.
Als nächstes kamen wir nach Hebron, zur Atmosphäre dort s.o. und den Blog von B+M. Das Mietauto liessen wir am Checkpoint bei den Patriarchengäbern stehen, das Gepäck wurde mit dem Bulli auf die andere Seite im Autonomiegebiet in das Hostel transportiert. Nach einem Spaziergang über den Markt und passieren der Checkpoints besuchten wir die Gräber der Patriarchen, wobei wir privilegiert waren, da wir alle Stätten besichtigen durften, die Juden und Mohammedaner nur den jeweils ihnen gehörigen Teil, der durch schußsicheres Glas abgetrennt ist.
Am nächsten Tag nochmals mit Gepäck zu Fuß durch den Checkpoint und die „sterile Zone“ zu unserem Mietauto und von dort Rückfahrt duch eine beeindruckende Wüstenlandschaft nach Eilat, wo alles, incl. Autorückgabe (papierfrei!) anstandslos klappte.
Der sich entwickelnde Virusinfekt ließ uns früh ins Bett gehen und im Flieger mussten wir bereits die Stewardess um Tabletten bitten.
Wir danken unseren Kindern für die liebevolle, kennntnisreiche und geduldige Betreuung, die unsere Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis machte und wünschen ihnen weiterhin ein erlebnisreiches Sabbatjahr
Bilder der gemeinsamen Zeit
Es war super schön, die beiden zu Besuch zu haben. Wir haben die gemeinsame Zeit und die Gespräche (die nicht nur um Israel, Palästina und Heiliges Land gingen) sehr genossen.
mir hat die unterbrechung vom ‘polit-alltag’ unendlich gut getan. das ihr da wart, war wirklich etwas ganz großartiges.
und erst die tüten mit den süßen mäusen!!!!
danke! mehr bleibt nicht zu sagen!
Samstag: Gemeinsames Abendessen in Jericho.Sonntag: Wanderung im Wadi Quelt von Jericho zum Georgskloster.Nach dem Regen führt der Wadi ausnahmsweise Wasser.Die Wüste blüht!Auf den Spuren Jesu und des Barmherzigen Samariters.Pause nach dem Klosterbesuch.Die oberhalb des Georgsklosters liegenden Eremitenklausen lassen sich nur mit viel Gottvertrauen erreichen.Im Hotelzimmer in Jericho fehlt zwar die im Abendland übliche Bibel in der Nachttischschublade. Dafür gibt es aber einen Hinweispfeil nach Mekka. (Oben links im Bild.)Montag: Auf dem Dach des Ös.terreichischen Hospizes in Jerusalem.Norddeutscher Bayer unter österreichischer Flagge im Heiligen Land.Dienstag: Weihrauchkauf in der Altstadt Jerusalems.Israelische Soldaten schikanieren einen Palästinenser vor dem Österreichischen Hospiz. – Erstaunlich war für uns, dass zunächst nur wir beide es sahen. Unsere Eltern bekamen es zunächst, wie all die Pilger ringsherum, nicht mit. – Offensichtlich sehen wir die Welt und Israel/Palästina inzwischen wirklich mit anderen Augen, als „normale“ Menschen.Im armenischen Viertel wird des Völkermordes von 1915 (an den Armeniern durch die Türken) gedacht.Mittwoch: In der Abrahams-Moschee in Hebron.Blick auf den Kenotaph über dem Abrahams-Grab von der Abrahams-Moschee aus. Auf der anderen Seite der schußsicheren Scheibe liegt die Abrahams-Synagoge.
Wir wissen nicht, wie groß es in Deutschland in den Nachrichten war, aber hier waren es Topschlagzeilen: Israel hat demletzt eine schwarze Liste von 20 Organisationen veröffentlicht, deren Mitglieder nicht mehr einreisen dürfen, weil die betreffenden Organisationen die BDS-Kampagne unterstützen. Das ist die Boykottkampagne gegen die Israelischen Siedlungen (und zum Teil auch Israel) mit der erreicht werden soll, dass Israel die Siedlungen in der Westbank räumt, die betreffenden UN-Resolutionen umsetz und sich an das Völkerrecht hält.
Zwei Organisationen auf dieser Liste, sind die Quäker und Code Pink.
Die Quäker sind die kleine pazifistische Religionsgemeinschaft, die nach dem 2. Weltkrieg die Carepakete für uns Deutsche organisiert haben, die unmittelbar vorher viele Juden gerettet haben, weshalb sie in der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem als “Gerechte unter den Völkern” geehrt werden, und die als erste in den USA die Sklaverei abgeschafft und keinen, der sich bis zu ihnen durchgeschlagen hatte, wieder rausgerückt haben. – Tja, und jetzt engagieren sie sich gegen die Apartheid und die schleichende ethnische Säuberung im Westjordanland.
Code Pink ist eine frauengeführte Friedens- und Menschenrechtsbewegung und einer der Hauptträger der BDS-Kampagne in den USA. Sie haben drei ihrer einschlägig bekannten AktivistInnen nach Israel/Palästina geschickt, um rauszufinden ob sie wirklich nicht reinkommen. – Sie kamen rein. Und wo sie schon mal da sind, organisieren sie zusammen mit YAS eine kleine Demo vor dem zum Teil von Siedlern besetzten Haus in Hebron (das wir hier ja schon vorgestellt haben).
Wir sind knapp zwei Dutzend Demonstranten: Internationale, Israelis aus Tel-Aviv und Palästinenser aus Hebron. Wir gehen in zwei Gruppen und mit kleinen Umwegen zu dem Haus, wo wir Plakate hochhalten, Parolen (vor allem auf Englisch) rufen und “We shall overcome…” singen. – Ja, das alte Lied gibt es noch. Auf Demos in Deutschland kann ich es nicht ausstehen, weil ich es dort als weinerlich und schwächlich empfinde. Aber hier passt es tatsächlich hin. Hier, im Angesicht der waffenstarrenden israelischen Soldaten und der religiös-rassistischen Siedler, hat es Stärke.
auf dem weg zum haus unterhalte ich mich mit einem der israelis aus tel aviv. er stellt mir üblichen fragen: wie sind wir her gekommen, wer sind wir überhaupt und wie finden wir es hier?
dann erzählt er mir ein bischen von seinem weg zum aktivisten. Er findet es absolut erschreckend, daß er sich immer noch unwohl fühlt, wenn er sich in palästinensischen gebieten aufhält und das er dieses gefühl nicht abstellen kann. Er schämt sich dafür, aber kriegt das nicht weg. dabei hat er hier mittlerweile freunde und ist reglmäßig in palästina. so gut funktioniert die gehirnwäsche in jedem bereich des lebens in israel.
Wir stehen mit dem Rücken zum Haus, vor uns Presse und Soldaten, hinter uns die Absperrung und noch mehr Soldaten.
Die Soldaten brauchen fast 15 Minuten, bis sie genug Verstärkung haben, was ich angesichts der Militärpräsenz in der Geisterstadt Hebrons erstaunlich lange finde. Kurz bevor sie aktiv eingreifen können, um uns abzudrängen oder festzusetzen, gehen wir von uns aus los.
Lautstarker Rückzug.
Wir gehen zügig zur Apartheid-Street und ziehen uns hinter den Trennzaun zurück. Selbiger wird umgehend durch die Armee abgeschlossen.
Zwei Soldaten schließen das Tor im Apartheidszaun ab.
Kurz danach merken die Soldaten, dass sie weniger uns eingeschlossen haben, sondern mehr sich ausgeschlossen. Durch den Zaun hindurch können sie uns schlecht am Demonstrieren hindern. Auch ihr Versuch die Personalien und Pässe der Internationalen zu bekommen bleibt erfolglos. – Als sie den Zaun wieder aufschließen, um die Pässe der Internationalen zu bekommen, machen wir uns auf Ansage der Palästinenser aus dem Staub. – Zweimal in der Kasbah um die Ecke, schnell durch einen Gang, eine paar Treppen hoch, über einen Hinterhof, durch einige aufgehaltene Türen. Weg sind wir!
Zusammen mit zwei US-Amerikanern von Code Pink warten wir in einer palästinensischen Wohnung bis die Luft rein ist.
Als die Luft wieder rein ist, verlassen wir das Gebiet, wobei wir israelische Checkpoints und Soldaten in einem etwas größeren Umweg erfolgreich umgehen. – Deutlich schwieriger, als die Israelischen Soldaten zu umgehen, war es, die Mutter der Familie, die uns spontan versteckt hatte davon zu überzeugen, uns ziehen zu lassen, ohne uns vorher noch mit Tee und Gebäck bewirtet zu haben.
Für uns Beide bildet die Aktion einen befriedigenden Abschluß unserer Wochen in Hebron. Auch wenn die Kommunikation und Abstimmung vor und während der Aktion für uns (milde gesagt) gewöhnungsbedürftig sind. Das kennen wir aus Deutschland anders. – Aber dieser Blog ist nicht der Ort, um das auszubreiten.
Wir versabschieden uns von Issa Amro und den anderen Aktivisten von “Youth against Settlements”. Auch einigen anderen Menschen, die uns in Hebron ans Herz gewachsen sind, sagen wir “Lebewohl” und versprechen allen: “We’ll be back!”
Bei Sonnenuntergang starten wir den Bulli und fahren über Jerusalem und Tel Aviv bis zu einer Bucht kurz vor Haifa, wo wir Bulli auf den Strand stellen und übernachten.
Anfang Februar laufen unsere Visa aus. Am 1. Februar, also am Donnerstag dieser Woche, wollen wir Bulli per Schiff nach Zypern schicken. Wir selber müssen leider fliegen. Und heute steht der Papierkram bei Rosenfeld-Shipping, der Schiffsargentur in Haifa an.
Wir sind gleich früh morgens da und nach unseren Erfahrungen mit Bullis Einreise auf das Schlimmste gefaßt. Aber es geht schnell. Unsere Agentin G… serviert uns Kaffee und kopiert vier Dokumente (Grüne Versicherungskarte, Reisepass, Fahrzeugschein und noch irgendwas) und fertig.
Nebenbei ergibt sich das übliche Gespräch: Ach, ihr macht ein Sabbathjahr? Wie gefällt euch Israel? – Als wir ihr sagen, dass die Besetzung und die Siedlungen eine Schande sind, merkt G… an: “Ja, eine Schande für sie, nicht für uns!” Für G… trifft die Schande nur die Siedler, nicht die übrigen Israelis und sie selbst. Dabei liegt das Westjordanland keine halbe Stunde mit dem Auto von Haifa entfernt. – Ich muß an die Schrift an der Wand in Yad Vashem denken, das Kurt-Tucholsky-Zitat: “Ein Land ist nicht nur das, was es tut, es ist auch das, was es erträgt, was es duldet.”
Schon in der Touristeninformation, in der wir uns nach dem Weg zu Rosenfeld-Shipping erkundigten, erlebten wir eine ähnliche Verdrängungsleistung, als die freundliche Frau hinter dem Tresen versuchte, uns verschiedene Museen und Sehenswürdigkeiten der Stadt schmackhaft zu machen. Die wirklich interessanten Sachen, wie die Gärten der Bahai, den Berg Karmel, die steilste U-Bahn der Welt und so weiter, hatten wir allerdings schon vor sechs Jahren besucht. Irgendwann fragte ich, ob es ein Museum gäbe, in dem die ethnische Säuberung der Stadt im April 1948 behandelt würde. Sie verstand nicht, was ich wollte. Und als ich genauernd davon sprach, dass die zionistischen Paramilitärs von den Hängen des Berges Karmel mit Mörsern auf die palästinensische Menschenmenge schoß, die darauf warteten, dass die Briten sie mit Schiffen evakuierten, wußte sie noch viel weniger, glaubte sie mir einfach nicht.
Im Jahr 1922 waren drei Viertel der Bevölkerung Haifas Palästinenser, je etwa zur Hälfte Christen und Muslime und ein Viertel Juden, da zu dieser Zeit Haifa der Haupteinwanderungshafen für die vor allem aus Europa kommenden Juden war. An der Nacht zum 21. April 1948, also noch vor der Staatsgründung Israels und dem Ende des britischen Mandats am 15. Mai 1948 starteten die zionistischen Truppen einen Angriff auf Haifa. Dabei kam ihnen zugute, dass die jüngeren jüdischen Stadtviertel an den Hängen des Karmel oberhalb der arabischen Viertel am Hafen lagen, dass die zu diesem Zeitpunkt noch herrschenden Briten sie gewähren ließen, zu Hilfe eilende arabische Freischärler aber aufhielten und festnahmen, und dass die arabische Bevölkerung Palästinas sich einfach nicht vorstellen konnte, dass die Zionisten sie vertreiben wollten und würden. Nach weniger als einer Woche waren von den 61.000 Palästinensern, die am Abend vor dem Angriff in Haifa gelebt hatten, lediglich noch 3.500 übrig. Die übrigen waren von den Briten größtenteils mit Schiffen nach Akko und von dort in den Libanon gebracht worden. – Von Zweien von ihnen weiß ich, dass sie nach Damaskus flohen, dort im Flüchtlingslager lebten und Kinder und Enkel bekamen. Denn eines dieser Enkelkinder ist M…, der im Oktober 2015 mit seiner Mutter und Schwester vor dem Syrischen Bürgerkrieg nach Deutschland floh. Ich war im letzten Schuljahr sein Klassenlehrer.
Nachdem wir den Papierkram für Bulli so unerwartet schnell abgehakt hatten, beschließen wir nach Barta’a zu fahren, um billig einzukaufen und noch einmal Palästina zu atmen. Barta’a ist eine Kleinstadt, die genau auf der Grünen Linie liegt. Da hinter Barta’a im Westjordanland einige isralische Siedlungen liegen, liegt es selber vor der Sperrmauer. Also auf israelischer Seite. Die Einwohner von Barta’a haben das Beste aus der Situation gemacht und sich eine eigene Freihandelszone geschaffen. – Sie werden weder von Israel noch von der Palästinensischen Autonomiebehörde richtig besteuert.
Auf dem Weg nach Barta’a weist dieses Schild darauf hin, dass es verboten ist, sein Auto von Palästinensern in der Westbank reparieren zu lassen.Genau auf der Grünen Linie: Ein Klo! Männer machen ihr Geschäft im Westjordanland, Frauen in Israel.Blick von der Teestube im Westjordanland nach Israel. Die Grüne Linie liegt etwa auf halber Strecke zur Moschee.Das Etikett besagt, dass die Flasche steuerfrei und nur für den Export oder den Verkauf Duty-Free-Läden bestimmt ist.
Zum Schlafen fahren wir nach Cäsarea, das zwischen Tel Aviv und Haifa am Mittelmeer liegt und das wir fast verfehlen, weil an der betreffenden Ausfahrt “Qissarya” steht. (Wenn man es laut liest, stellt man fest, dass es sich um “Cäsarea” handelt.)
Unser Schlafplatz am Aquädukt von Cäsarea.Plötzlich taucht eine volle Busladung Chinesen auf und verschwindet sofort wieder. Bei der zweiten Reisebusladung Chinesen stoppen wir die Zeit: 5 Minuten, 35 Sekunden. Inklusive Aus- und Einsteigen, Gruppenbild und Selfies!
Die beschauliche Abendstimmung am Strand von Cäsarea wird nur dadurch getrübt, dass ich in unserem “Palästina Reisehandbuch” lese, dass es neben den Antiken Ruinen von Cäsarea ein arabisches Dorf gleichen Namens gab, welches das erste Dorf war an dem im Jahr 1948 die Deportation der palästinensischen Bevölkerung geplant umgesetzt wurde. Am 15. Februar 1948 wurde es zerstört. Von insgesamt 64 Dörfern der Küstenebene zwischen Haifa und Jaffa wurden nur 2 verschont.
Wir verbringen beide Tage in Tel Aviv. Am Montag buchen wir unsere Flüge, waschen Wäsche und trinken unser “Parting Glas” im Molly Blooms – unserem Irish Pub hier. Am Dienstag faulenzen wir, dass es nur so seine Bewandnis hat. Wir setzen den ganzen Tag nicht einen Fuß vor den Bulli!
Zu gibt uns ein Gespräch, dass wir am Montagabend mit einem etwa 30 oder 35 Jahre alten, säkularen Israeli aus Tel Aviv führen. Während wir Abendessen kochen, taucht er am Bulli auf, für den er sich sehr interessiert, da er erwägt dauerhaft in ein Wohnmobil oder einen ausgebauten LKW zu ziehen. Da er nett ist und ein Brompton fährt (die Falträder, die wir auf dieser Reise mithaben, sind auch Bromptons), ergibt sich sofort ein gutes Gespräch. Zumindest so lange, bis wir das Westjordanland, die Siedlungen und Hebron erwähnen. Dann legt er los…
“Ohne uns Juden wäre hier nichts!” Auf Nachfrage genauert er: “Nur ein weiterer arabischer Staat. Ihr würdet nicht hier sein wollen!” Er ist zwar nicht gläubig, aber fest vom Recht der Juden überzeugt, das ganze Land, inklusive Judäa und Samaria (also dem Westjordanland), zu besiedeln. Weil ja vor 3.000 Jahren schon einmal Juden hier gelebt haben. “Palästinenser” gibt es für ihn nicht, nur “Araber” und Erfindungen der Propaganda. Und diese Araber sind für ihn nur Gäste im Land der Juden. Wenn sie ihr Gastrecht weiterhin verwirken, werden sie “transferiert”. (Ein Euphemismus für “mit Gewalt vertrieben”.) Im übrigen profitieren die Araber von den Siedlungen, weil mit den Siedlungen Infrastruktur, Zivilisation und Arbeitsplätze kommen. Nicht die Siedlungen sind das Hauptproblem der Araber, sondern die Korruption ihrer eigenen Anführer und der Autonomiebehörde. Ach ja, dass israelische Soldaten an Checkpoints Araber schikanieren tut er als Verleumdung ab. Immerhin hat Israel die moralischste Armee der Welt. Er weiß das aus eigener Erfahrung.
Er entpuppt sich als religiöser Rassist und Kolonialist reinsten Wassers, der sich selbst für einen liberalen Humanisten hält. Wenn ich die Worte “Jude” durch “Weißer Mann” und “Araber” durch “Eingeborene” ersetze, so erhalte ich die damalige Rechtfertigung des europäischen Kolonialismus im 19ten Jahrhundert: „White Man’s Burdon!“ – Es ist “die Bürde des Weißen Mannes” in die dunklen Erdteile zu gehen und das Licht der Zivilisation dorthin zu bringen.
Morgen früh wird der Bulli eingeschifft, also fahren wir heute schon nach Haifa, allerdings mit zwei Abstechern.
Der Erste führt uns noch einmal nach Barta’a, der arabischen Stadt auf der Grünen Linie, wo wir für umgerechnet 10€ (was wirklich billig ist) unsere Gasflasche auffüllen lassen und uns noch einmal ordentlich mit Pita, Humus und so weiter eindecken. Der auf israelischer Seite liegende Teil von Barta’a gehört zum sogenannten “kleinen Dreieck”, einem dreieckigen Gebiet nördlich des Westjordanlandes mit 17 arabischen Ortschaften, die nach wie vor ein (fast) geschlossenes arabisches Siedlungsgebiet innerhalb der international anerkannten Grenzen Israels bilden. Etwa 20% der Einwohner Israels (also außer Westjordanland, Gaza, Ostjerusalem und Golanhöhen) sind “arabische Israelis”, also Palästinenser. Sie sind bestenfalls Bürger 2. Klasse – eher 3. Klasse (das “wie” und “warum” zu erklären würde hier zu weit führen) und leben vor allem in drei Gebieten: Galiläa (Nazareth und Umzu), dem “kleinen Dreieck” und der Wüste Negev.
Der Laden in dem wir die Gasflasche befüllen, würde in Deutschland sofort wegen Brand- und Explosionsgefahr sowie Gefährdung der öfffentlichen Sicherheit geschlossen. Es werden einfach verschiedene Gassystheme mit Adaptern, Gartenschläuchen und Schraubmanschetten verbunden. Die Dichtigkeit wird überprüft, indem im laufenden Betrieb ein Feuerzeug an die Verbindungsstellen gehalten wird. – In Deutschland würde das vermutlich in einer Katastrophe enden. Hier nicht! Der Mann ist routiniert und improvisiert offensichtlich schon seit Jahrzehnten mit Gasanlagen. Und weder ihm noch seinen Stammkunden (die Palästinenser kochen fast alle mit Gasflaschen) scheint bisher etwas passiert zu sein. Auch die Decke weist keinerlei Schmauch- oder Explosionsspuren auf. – Wir haben Vertrauen in seine Erfahrung! (OK, FAST: Das ersten Mal kochen wir vorsichtshalber vor und nicht im Bulli und haben beide Feuerlöscher griffbereit.)
ich werde diese situationen in den läden vermissen. diese herzlichen begrüßungen, das fragen nach dem namen, den kaffee, den wir so oft bekommen. wenn ich an die sauber geleckten geschäfte in deutschland denke, die sicherheitsvorschriften, die unbedingt eingehalten werden und die ordnung.
in wedel beim laden weiß ich nach fünf jahren noch nicht den namen der kassiererin und hier hab ich nach fünf minuten anwesenheit vor dem tresen schon ein gefühl von freundschaft.
das gassystem funtioniert im bulli ganz hervorragend. alle sorge ist unbegründet. da strömt nichts aus, da wackelt auch nichts.
Der zweite Abstecher führt ins “israelische Künstlerdorf” Ein Houd. Zu Beginn unserer Zeit in Israel/Palästina hatten wir in Tel Aviv eine deutsche Künstlerin getroffen, die mit dem Stipendium einer deutschen Stiftung für ein paar Monate in Ein Houd lebte und arbeitete und uns vorschwärmte, wie idyllische der Ort sei. Damals wußten wir nichts damit anzufangen. Inzwischen sind wir schlauer.
Ein Hod liegt südlich von Haifa an den Hängen des Karmel und blickt auf die Küste des Mittelmeeres herunter. Das Besondere an dem Dorf ist, dass es 1948 als eines der wenigen palästinensischen Dörfer nicht zerstört wurde. Der Überlieferung nach wurde es von einem Offizier Saladins gegründet (Saladin der arabische Feldherr, der die Kreuzritter aus dem Heiligen Land rausgeschmissen hat. – Ja genau, der Typ aus “Nathan der Weise”.) Im Jahr 1945 lebten hier 650 Menschen. Am 11. April und Ende Mai 1948 wurde das Dorf angegriffen. Allerdings wurde es erst am 15. Juli des Jahres kampflos besetzt. Die Menschen wurden (wie üblich) vertrieben. Die Häuser aber (anders als üblich) stehen gelassen. Bald entdeckten israelische Künstler das Dorf für sich und verliebten sich in die alten Häuser, die Natur, die Aussicht und das Licht. Heute ist es eine offizielle Künstlerkolonie.
Früher das Heim einer Familie, heute eine Künstlerwerkstatt.Die alte Ölmühle ist heute eine Galerie.Am Rande des Dorfplatzes steht ein Stück Berliner Mauer.Die alte Moschee am Dorfplatz ist heute ein argentinisches Restaurant.
Wir kriegen in diesem Dorf kaum Luft. Ich verstehe, warum die Israelis 1948 fast alle arabischen Dörfer zerstört und für sich selber neue Dörfer gebaut haben. Nur so läßt sich notwendige Verdrängung psychisch leisten. Nur so läßt sich die Legende, “Wir kamen in ein leeres Land!”, aufrechterhalten. Als ich das Stück der Berliner Mauer auf dem Dorfplatz sehe, packt mich die Wut. Ausgerechnet diese Mauerbauer verwenden die Berliner Mauer als Feigenblatt. Überhaupt, diese ganze Kunst, mit der die Geschichte des Ortes, die ethnische Säuberung übertüncht und indirekt gerechtfertigt wird. Ich wußte nicht, dass Kunst tatsächlich Böse sein kann. Wir gehen in das argeninische Restaurant, von dem man auf das Mauerstück blickt. Wir wissen aus dem “Palästina Reisehandbuch”, das es früher die Moschee des Ortes war. Wir stellen uns dumm und fragen den Kellner nach der Moschee. Dieser ist erst irritiert, dann leugnet er, dann spielt er herunter. Ja, das sei mal eine Moschee gewesen, aber das sei über 100 Jahre her. Als wir das Jahr 1948 erwähnen kippt die Stimmung und wir gehen besser. Vor allem bina hätte es ohnehin nicht länger ausgehalten.
ich laufe fast amok. in einem glaskasten hängt sündhaft teures ‘dry aged’- fleisch, die tische sind auf eleganteste weise eingedeckt und hinter dem tresen steht ein freundlicher junger mann und hat keine ahnung. oder will sie nicht haben. am liebsten würde ich die teller an die wand klatschen, oder dem ober an den kopf.
das sorgt bei ihm zwar nicht für hellsicht, bei mir aber für erleichterung. ich ziehe es vor, den laden so schnell wie möglich zu verlassen.
Wir fahren weiter nach Ein Houd al-Jadida. Die meisten palästinensischen Bewohner Ein Houds leben heute im Flüchtlingslager Jenin oder in Jordanien. Aber ein Teil der Familie Abu-al-Haja hat sich nicht vertreiben lassen. Sie zogen sich in die Wildnis oberhalb des Dorfes zurück. Und gründeten nur einen Kilometer Luftlinie entfernt das “Ein Houd al-Jadida”. Bis vor kurzem war dieses Dorf eines von 149 nicht anerkannten palästinensischen Dörfern in Israel. Israel erkennt die Dörfer nicht an, muß sie somit nicht an die öffentliche Infrastruktur (Wasser, Elektrizität, Straßen, Müllabfuhr,…) anschließen und behält sich die Möglichkeit offen, sie jederzeit zu räumen, um zum Beispiel ein jüdisches Dorf zu errichten. – Aufgrund der internationalen Bekanntheit des Künstlerdorfes Ein Houd ist es vor einigen Jahren gelungen, die Anerkennung von Ein Houd al-Jadida durchzusetzen.
Das neue Dorf Ein Houd al-Jadida oberhalb des alten Ein Houd.Die Moschee des neuen Dorfes.
Die Straße ist schmal und windet sich über drei Kilometer hin und her, hoch und runter. Dann sind wir im neuen Dorf. Hier bekommen wir wieder Luft. Wir gehen in das einzige Restaurant des Dorfes, in dem wir das Essen genießen und mit Freude unser Geld lassen. Beim Essen blicken wir auf die Küste des Mittelmeeres und die Dächer des alten Dorfes hinunter. Was geht wohl in den Herzen der Menschen hier vor, wenn sie auf ihr altes Dorf gucken, in dem ihre Vorfahren für etwa 40 Generationen gelebt haben und in dem jetzt israelische Künstler die Idylle genießen; und eine deutsche Künstlerin mit einem deutschen Stipendium.
PS: Die palästinensische Familie aus dem Roman “Während die Welt schlief” von Susan Abdulhawa wird zu beginn des Buches aus dem Dorf Ein Houd vertrieben. Ich empfehle das Buch jedem, der den Konflikt besser verstehen oder einen guten Roman lesen will. Es zeichnet die Geschichte einer palästinensischen Familie von 1940 (also vor der ethnischen Säuberung Palästinas) bis 2003 (also nach der zweiten Intifada) nach. Die Familie selbst ist fiktiv, aber die historischen Ereignisse, die sie durchlebt sind erstaunlich gut recherchiert.