Besuch von Michels Eltern

Sa-Do 20.-25. Jan 2018

Ja: Michels Eltern haben die billigen Ryanairflüge von Bremen nach Eilat genutzt, für insgesamt 190€ zwei Hin- und Rückflüge inklusive 20kg Extrakoffer gebucht und kommen uns für eine Woche besuchen. Wir haben uns am Nordrand des Toten Meeres verabredet und Jericho, Jerusalem und Hebron als Programm mit Ihnen vereinbart.

Sie waren so lieb, einen zweiteiligen Gastbeitrag für unseren Blog zu schreiben. Der erste Teil behandelt die Besatzung, der zweite Teil die schönen Erlebnisse, die wir zusammen hatten. Unten haben wir dann Bilder unserer gemeinsamen Zeit angehängt.

Gastblog Michels Eltern Teil 1: Die Besatzung

Wir hatten den Blog interessiert verfolgt und nahmen gerne die Einladung an, unsere Kinder eine Woche zu besuchen.

Unser Bild der Juden war das eines Volkes, dem die Welt hervorragende Köpfe in Wissenschaft (in der Medizin nicht wegzudenken) und Kultur verdankt und zu dem wir aufgrund des schrecklichen Verbrechens in unserem Namen für immer ein besonderes Verhältnis haben werden.

Der erste Tag in Eilat entsprach diesem Bild, wir trafen auf aufmerksame, hilfsbereite und freundliche Menschen.

Ab dem nächsten Tag bekam das positive Bild leider einen Knacks, da wir erleben mussten, wie die Palästinenser behandelt wurden, um sie möglichst auf ihr Autonomiegebiet begrenzt zu halten, und Kontakte mit Besuchern zu unterbinden.

Hierzu folgende Beispiele:

  • 1) das Fahren mit dem Mietauto in Palästinensergebiete ist untersagt, wobei dann der Versicherungsschutz erlischt.
  • 2) auf Google Maps war es nicht möglich, z.B. von Jericho den Weg nach Jerusalem einzugeben.
  • 3) die Frage nach den geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen in Israel konnten die Palästinenser nicht beantworten (Michael wusste es auch nicht, da sein Bulli höchstens 90 km/h errreicht), da sie noch nie außerhalb der Palästinensergebiete waren.
  • 4) als wir eine palästinensische Prepaid-Karte in Jericho kauften, meinte der Verkäufer, dass diese nur in den Palästinensergebieten funktionieren würde, dass sie auch im Großraum Jerusalem funktioniert wusste er nicht, da Jerusalem für ihn unerreichbar war.

Wir mussten mehrmals feststellen, dass von den Siedlern (mit Unterstützung der Regierung) und Soldaten eine Herrenattitüde an den Tag gelegt wurde, die an dunkelste Zeiten unserer Vergangenheit erinnerte:

  • 1) wir wurden in der Altstadt von Jerusalem von einer Frau, die eine Gruppe Jugendlicher, sichtlich aus der englischsprachigen Diaspora, führte, angesprochen, ob wir Juden seien. Als wir dies verneinten wandte sie sich lautstark an die Jugendlichen, dass Juden die Besten, Grössten und allen anderen überlegen seien, wobei ihr vor lauter Eifer die Perücke verrutschte. Unser schüchterner Einwand, dass alle Menschen gleich seien, wurde nicht akzeptiert und wir verzichteten auf eine weiter Diskussion um eine Eskalation zu vermeiden.
  • 2) besonders bei den Checkpoints in Hebron (vor den Gräbern der Patriarchen, auf die sich Juden, Christen und Mohammedaner beziehen) zeigten die diensthabenden jungen Soldaten ihre Macht und ließen die Schlange, auch wenn gebrechliche alte Menschen, Schwangere und Kleinkinder sich in ihr befanden, warten und lasen Zeitung oder machten Brotzeit, ein System, ob und wann geöffnet wurde war nicht erkennbar.

Wir haben Verständnis, dass die Juden in Sicherheit leben wollen, was sicher nur mit Kontrollen und restriktiven Maßnahmen möglich ist.

Die schikanöse Behandlung der Palästinenser ist aber sicher einer friedlichen Lösung nicht förderlich.

Die Folgen der ständigen Demütigungen zeigten sich auch im Verhalten der Palästinenser, so wurden wir wiederholt mit „Hitler gut“ angesprochen und ernteten Unverständnis, wenn wir dem keinesfalls zustimmen konnten.

Während unseres Aufenthaltes in Jerusalem wurde der amerikanische Vizepräsident mit grossen Plakaten begrüsst und der sowieso chaotische jerusalemer Verkahr brach teilweise zusammen, in der Altstadt, an der Klagemauer und auf dem Tempelberg war die Anspannung mit Händen greifbar.

Die Gegensätze sind so verfestigt, dass eine friedliche Zukunft unmöglich erscheint, solange die israelische Regierung der Siedlern nicht Einhalt gebietet und die palästinesische den Scharfmachern, die Israel von der Landkarte tilgen wollen, nicht entschieden entgegentritt.

Gastblog Michels Eltern Teil 2: Die schönen Erlebnisse

Die kritischen Ausführungen im ersten Teil sind den letzten Eindrücken in Hebron geschuldet, dem sich bei uns entwickelnden Virusinfekt (nicht von schlechten Eltern) sowie 3 unbedarften Mädels im Parkplatzshuttle in Bremen, die von der Siedlerproblematik nichts bemerkt hatten und alles als Palästinenserpropaganda abtaten.

Nun die schönen Erlebnisse:

Unser Treffen am Nordende des Toten Meeres hätte fast nicht geklappt, die einzige Strasse am Toten Meer war nach Regengüssen überschwemmt und ab Masada gesperrt. Nach der Masadabesichtigung konnte man uns nicht sagen, ob und wann sie wieder offen ist, als wir dann aber wieder zu der Sperre kamen, wurde diese gerade aufgehoben und wir konnten weiter.
Michel und Bina warteten einige km vor der vereinbarten Stelle, in der Annahme, dass wir ihren Bulli am Strassenrand sehen würden, was aber nicht der Fall war. Ein freundlicher israelischer Platzwart ermöglichte dann mit seinem Handy doch noch eine „Familienzusammenführung“, die Wiedersehensfreude war groß.
Wir parkten unseren Leihwagen bei einer Tankstelle vor dem Autonomiegebiet und fuhren mit dem Bulli nach Jericho.
Nach dem Einchecken im Hotel fuhren wir in die Innenstadt, wo wir in orientalische Essgewohnheiten eingeführt wurden, wobei Fladenbrot das Besteck ersetzt. Wir saßen auf einem Balkon vor einem Tisch mit vielen leckeren Tellerchen und blickten auf den brausenden Verkehr, der Lärm störte nicht, Orient pur.
Anschließend bekamen wir gezeigt, wie man Geld aus dem Automaten zieht und kauften eine paläsinensische SIM-Karte (s.o.), dabei stellte sich heraus, dass die Handybatterie aufgebläht war und jeden Augenblick explodieren konnte (nicht auszudenken im Flugzeug).

Am nächsten Tag machten wir eine Wanderung zum orthodoxen Georgskloster, entlang einer Schlucht auf einem „zünftig alpin“ rot-weiss markierten Pfad, wobei wir für die geliehenen Wanderstöcke sehr dankbar waren. Vorbei an Beduinen, die in Plastikplanen lebten und auf ihren Eseln über Abgründen balancierten. In der Tiefe der sonst trockenen Schlucht stürzte nach den vorherigen Regenfällen ein Wildbach zu Tal, eine Atmosphäre wie in den Alpen. Im Kloster waren nach der Einsamkeit des Weges wieder viele orthodoxe Besucher, die mit Bussen dorthin gekarrt wurden und nach der Besichtigung war die Rast im Schatten von Bäumen unterhalb des Klosters mit Brot, Hummus, frischem Wasser und Früchten ein Genuß (wie auf einer Alm).
Dann durften als Muss die Ausgrabungen der „Mauern von Jericho“ nicht versäumt werden mit ältestem Turm und Treppe der Welt.
Abends waren wir von B+M auf der Terrasse unseres Hotelzimmers zum Abendessen eingeladen, neben den bekannten Köstlichkeiten sowie frisch geernteten Datteln und Bananen, auch mit einheimischem Bier und einem ausgezeicheten Wein. Die laue Nacht und der Ausblick auf den „Berg der Versuchung“ rundeten diesen Tag ab.

Dem folgte die Fahrt nach Jerusalem ins österreichische Hospiz, eine grüne K.u.K Insel im Ringstrassenstil, mitten im Altstadtgewusel, Opi und Omi als ehemalige K.u.K. Bürger hätten ihre helle Freude daran gehabt. Wegen des Vizepräsidentenbesuches (s.o.) dauerte das Verbringen des Autos zum Parkplatz 1,5 Std (sonst etwa 10-15 min), so dass wir uns erst in dem „Wiener Cafe“ bei Melange und Strudel erholen mussten. Vom Hospizdach hatten wir den besten Rundumblick der uns zur besseren Orientierung half. Dann wurden wir durch das Gassengewirr zur Grabeskirche geführt, wo wir sachverständig das „Zusammenleben“ der christlichen Konfessionen erklärt bekamen, am Ende der Hierarchie stehen wohl die äthiopischen Mönche, die auf dem Dach der Grabeskirche in Lehmhütten hausen. Abendessen war in einem Restaurant am Damaskustor, wobei wir ja mit den Tischgewohnheiten schon vertraut waren. Dann waren wir auch bettreif.

Am nächsten Morgen wurden wir zuerst vom Muezzin geweckt, dann von Kirchenglocken und dann von Pilgergruppen, die betend und singend unter dem Hospiz die Via Dolorosa entlang zogen. Dem folgte die Besichtigung von Klagemauer und Tempelberg (s.o.) wobei uns Michels Kenntnisse von Wegen, Öffnungs- und Gebetzeiten sehr zu statten kamen. Anschließend eine Wanderung auf der begehbaren Stadtmauer, vorbei an den verschiedenen ethnischen und religiöen Vierteln und Erholung im „Wiener Cafe“. Danach ein erneuter Besuch der Grabeskirche. Dort standen unsere Frauen in der langen Schlange vor dem Grab geduldig an, wobei das Vorrücken der Schlange immer wieder durch Prozessionen unterbrochen wurde, wir Männer machten es uns auf den Bänken bequem und beobachteten das fromme Gewese. Die Geduld unserer Frauen wurde belohnt und es gelang ihnen soger, in der Grabkammer eine Kerze anzuzünden. Zum Abschluß wieder Abendessen beim Damaskustor.

Als nächstes kamen wir nach Hebron, zur Atmosphäre dort s.o. und den Blog von B+M. Das Mietauto liessen wir am Checkpoint bei den Patriarchengäbern stehen, das Gepäck wurde mit dem Bulli auf die andere Seite im Autonomiegebiet in das Hostel transportiert. Nach einem Spaziergang über den Markt und passieren der Checkpoints besuchten wir die Gräber der Patriarchen, wobei wir privilegiert waren, da wir alle Stätten besichtigen durften, die Juden und Mohammedaner nur den jeweils ihnen gehörigen Teil, der durch schußsicheres Glas abgetrennt ist.

Am nächsten Tag nochmals mit Gepäck zu Fuß durch den Checkpoint und die „sterile Zone“ zu unserem Mietauto und von dort Rückfahrt duch eine beeindruckende Wüstenlandschaft nach Eilat, wo alles, incl. Autorückgabe (papierfrei!) anstandslos klappte.

Der sich entwickelnde Virusinfekt ließ uns früh ins Bett gehen und im Flieger mussten wir bereits die Stewardess um Tabletten bitten.

Wir danken unseren Kindern für die liebevolle, kennntnisreiche und geduldige Betreuung, die unsere Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis machte und wünschen ihnen weiterhin ein erlebnisreiches Sabbatjahr

Bilder der gemeinsamen Zeit

Es war super schön, die beiden zu Besuch zu haben. Wir haben die gemeinsame Zeit und die Gespräche (die nicht nur um Israel, Palästina und Heiliges Land gingen) sehr genossen.

mir hat die unterbrechung vom ‘polit-alltag’ unendlich gut getan. das ihr da wart, war wirklich etwas ganz großartiges.

und erst die tüten mit den süßen mäusen!!!!

danke! mehr bleibt nicht zu sagen!

Samstag: Gemeinsames Abendessen in Jericho.
Sonntag: Wanderung im Wadi Quelt von Jericho zum Georgskloster.
Nach dem Regen führt der Wadi ausnahmsweise Wasser.
Die Wüste blüht!
Auf den Spuren Jesu und des Barmherzigen Samariters.
Pause nach dem Klosterbesuch.
Die oberhalb des Georgsklosters liegenden Eremitenklausen lassen sich nur mit viel Gottvertrauen erreichen.
Im Hotelzimmer in Jericho fehlt zwar die im Abendland übliche Bibel in der Nachttischschublade. Dafür gibt es aber einen Hinweispfeil nach Mekka. (Oben links im Bild.)
Montag: Auf dem Dach des Ös.terreichischen Hospizes in Jerusalem.
Norddeutscher Bayer unter österreichischer Flagge im Heiligen Land.
Dienstag: Weihrauchkauf in der Altstadt Jerusalems.
Israelische Soldaten schikanieren einen Palästinenser vor dem Österreichischen Hospiz. – Erstaunlich war für uns, dass zunächst nur wir beide es sahen. Unsere Eltern bekamen es zunächst, wie all die Pilger ringsherum, nicht mit. – Offensichtlich sehen wir die Welt und Israel/Palästina inzwischen wirklich mit anderen Augen, als „normale“ Menschen.
Im armenischen Viertel wird des Völkermordes von 1915 (an den Armeniern durch die Türken) gedacht.
Mittwoch: In der Abrahams-Moschee in Hebron.
Blick auf den Kenotaph über dem Abrahams-Grab von der Abrahams-Moschee aus. Auf der anderen Seite der schußsicheren Scheibe liegt die Abrahams-Synagoge.