“White Man’s Burdon” in Tel Aviv

Mo-Di 29.-30. Jan 2018

Wir verbringen beide Tage in Tel Aviv. Am Montag buchen wir unsere Flüge, waschen Wäsche und trinken unser “Parting Glas” im Molly Blooms – unserem Irish Pub hier. Am Dienstag faulenzen wir, dass es nur so seine Bewandnis hat. Wir setzen den ganzen Tag nicht einen Fuß vor den Bulli!

Zu gibt uns ein Gespräch, dass wir am Montagabend mit einem etwa 30 oder 35 Jahre alten, säkularen Israeli aus Tel Aviv führen. Während wir Abendessen kochen, taucht er am Bulli auf, für den er sich sehr interessiert, da er erwägt dauerhaft in ein Wohnmobil oder einen ausgebauten LKW zu ziehen. Da er nett ist und ein Brompton fährt (die Falträder, die wir auf dieser Reise mithaben, sind auch Bromptons), ergibt sich sofort ein gutes Gespräch. Zumindest so lange, bis wir das Westjordanland, die Siedlungen und Hebron erwähnen. Dann legt er los…

“Ohne uns Juden wäre hier nichts!” Auf Nachfrage genauert er: “Nur ein weiterer arabischer Staat. Ihr würdet nicht hier sein wollen!” Er ist zwar nicht gläubig, aber fest vom Recht der Juden überzeugt, das ganze Land, inklusive Judäa und Samaria (also dem Westjordanland), zu besiedeln. Weil ja vor 3.000 Jahren schon einmal Juden hier gelebt haben. “Palästinenser” gibt es für ihn nicht, nur “Araber” und Erfindungen der Propaganda. Und diese Araber sind für ihn nur Gäste im Land der Juden. Wenn sie ihr Gastrecht weiterhin verwirken, werden sie “transferiert”. (Ein Euphemismus für “mit Gewalt vertrieben”.) Im übrigen profitieren die Araber von den Siedlungen, weil mit den Siedlungen Infrastruktur, Zivilisation und Arbeitsplätze kommen. Nicht die Siedlungen sind das Hauptproblem der Araber, sondern die Korruption ihrer eigenen Anführer und der Autonomiebehörde. Ach ja, dass israelische Soldaten an Checkpoints Araber schikanieren tut er als Verleumdung ab. Immerhin hat Israel die moralischste Armee der Welt. Er weiß das aus eigener Erfahrung.

Er entpuppt sich als religiöser Rassist und Kolonialist reinsten Wassers, der sich selbst für einen liberalen Humanisten hält. Wenn ich die Worte “Jude” durch “Weißer Mann” und “Araber” durch “Eingeborene” ersetze, so erhalte ich die damalige Rechtfertigung des europäischen Kolonialismus im 19ten Jahrhundert: „White Man’s Burdon!“ – Es ist “die Bürde des Weißen Mannes” in die dunklen Erdteile zu gehen und das Licht der Zivilisation dorthin zu bringen.

Ein Houd: Kunst kann böse sein!

Mi 31. Jan. 2018

Morgen früh wird der Bulli eingeschifft, also fahren wir heute schon nach Haifa, allerdings mit zwei Abstechern.

Der Erste führt uns noch einmal nach Barta’a, der arabischen Stadt auf der Grünen Linie, wo wir für umgerechnet 10€ (was wirklich billig ist) unsere Gasflasche auffüllen lassen und uns noch einmal ordentlich mit Pita, Humus und so weiter eindecken. Der auf israelischer Seite liegende Teil von Barta’a gehört zum sogenannten “kleinen Dreieck”, einem dreieckigen Gebiet nördlich des Westjordanlandes mit 17 arabischen Ortschaften, die nach wie vor ein (fast) geschlossenes arabisches Siedlungsgebiet innerhalb der international anerkannten Grenzen Israels bilden. Etwa 20% der Einwohner Israels (also außer Westjordanland, Gaza, Ostjerusalem und Golanhöhen) sind “arabische Israelis”, also Palästinenser. Sie sind bestenfalls Bürger 2. Klasse – eher 3. Klasse (das “wie” und “warum” zu erklären würde hier zu weit führen) und leben vor allem in drei Gebieten: Galiläa (Nazareth und Umzu), dem “kleinen Dreieck” und der Wüste Negev.

Der Laden in dem wir die Gasflasche befüllen, würde in Deutschland sofort wegen Brand- und Explosionsgefahr sowie Gefährdung der öfffentlichen Sicherheit geschlossen. Es werden einfach verschiedene Gassystheme mit Adaptern, Gartenschläuchen und Schraubmanschetten verbunden. Die Dichtigkeit wird überprüft, indem im laufenden Betrieb ein Feuerzeug an die Verbindungsstellen gehalten wird. – In Deutschland würde das vermutlich in einer Katastrophe enden. Hier nicht! Der Mann ist routiniert und improvisiert offensichtlich schon seit Jahrzehnten mit Gasanlagen. Und weder ihm noch seinen Stammkunden (die Palästinenser kochen fast alle mit Gasflaschen) scheint bisher etwas passiert zu sein. Auch die Decke weist keinerlei Schmauch- oder Explosionsspuren auf. – Wir haben Vertrauen in seine Erfahrung! (OK, FAST: Das ersten Mal kochen wir vorsichtshalber vor und nicht im Bulli und haben beide Feuerlöscher griffbereit.)

ich werde diese situationen in den läden vermissen. diese herzlichen begrüßungen, das fragen nach dem namen, den kaffee, den wir so oft bekommen. wenn ich an die sauber geleckten geschäfte in deutschland denke, die sicherheitsvorschriften, die unbedingt eingehalten werden und die ordnung.

in wedel beim laden weiß ich nach fünf jahren noch nicht den namen der kassiererin und hier hab ich nach fünf minuten anwesenheit vor dem tresen schon ein gefühl von freundschaft.

das gassystem funtioniert im bulli ganz hervorragend. alle sorge ist unbegründet. da strömt nichts aus, da wackelt auch nichts.

Der zweite Abstecher führt ins “israelische Künstlerdorf” Ein Houd. Zu Beginn unserer Zeit in Israel/Palästina hatten wir in Tel Aviv eine deutsche Künstlerin getroffen, die mit dem Stipendium einer deutschen Stiftung für ein paar Monate in Ein Houd lebte und arbeitete und uns vorschwärmte, wie idyllische der Ort sei. Damals wußten wir nichts damit anzufangen. Inzwischen sind wir schlauer.

Ein Hod liegt südlich von Haifa an den Hängen des Karmel und blickt auf die Küste des Mittelmeeres herunter. Das Besondere an dem Dorf ist, dass es 1948 als eines der wenigen palästinensischen Dörfer nicht zerstört wurde. Der Überlieferung nach wurde es von einem Offizier Saladins gegründet (Saladin der arabische Feldherr, der die Kreuzritter aus dem Heiligen Land rausgeschmissen hat. – Ja genau, der Typ aus “Nathan der Weise”.) Im Jahr 1945 lebten hier 650 Menschen. Am 11. April und Ende Mai 1948 wurde das Dorf angegriffen. Allerdings wurde es erst am 15. Juli des Jahres kampflos besetzt. Die Menschen wurden (wie üblich) vertrieben. Die Häuser aber (anders als üblich) stehen gelassen. Bald entdeckten israelische Künstler das Dorf für sich und verliebten sich in die alten Häuser, die Natur, die Aussicht und das Licht. Heute ist es eine offizielle Künstlerkolonie.

Früher das Heim einer Familie, heute eine Künstlerwerkstatt.
Die alte Ölmühle ist heute eine Galerie.
Am Rande des Dorfplatzes steht ein Stück Berliner Mauer.
Die alte Moschee am Dorfplatz ist heute ein argentinisches Restaurant.

Wir kriegen in diesem Dorf kaum Luft. Ich verstehe, warum die Israelis 1948 fast alle arabischen Dörfer zerstört und für sich selber neue Dörfer gebaut haben. Nur so läßt sich notwendige Verdrängung psychisch leisten. Nur so läßt sich die Legende, “Wir kamen in ein leeres Land!”, aufrechterhalten. Als ich das Stück der Berliner Mauer auf dem Dorfplatz sehe, packt mich die Wut. Ausgerechnet diese Mauerbauer verwenden die Berliner Mauer als Feigenblatt. Überhaupt, diese ganze Kunst, mit der die Geschichte des Ortes, die ethnische Säuberung übertüncht und indirekt gerechtfertigt wird. Ich wußte nicht, dass Kunst tatsächlich Böse sein kann. Wir gehen in das argeninische Restaurant, von dem man auf das Mauerstück blickt. Wir wissen aus dem “Palästina Reisehandbuch”, das es früher die Moschee des Ortes war. Wir stellen uns dumm und fragen den Kellner nach der Moschee. Dieser ist erst irritiert, dann leugnet er, dann spielt er herunter. Ja, das sei mal eine Moschee gewesen, aber das sei über 100 Jahre her. Als wir das Jahr 1948 erwähnen kippt die Stimmung und wir gehen besser. Vor allem bina hätte es ohnehin nicht länger ausgehalten.

ich laufe fast amok. in einem glaskasten hängt sündhaft teures ‘dry aged’- fleisch, die tische sind auf eleganteste weise eingedeckt und hinter dem tresen steht ein freundlicher junger mann und hat keine ahnung. oder will sie nicht haben. am liebsten würde ich die teller an die wand klatschen, oder dem ober an den kopf.

das sorgt bei ihm zwar nicht für hellsicht, bei mir aber für erleichterung. ich ziehe es vor, den laden so schnell wie möglich zu verlassen.

Wir fahren weiter nach Ein Houd al-Jadida. Die meisten palästinensischen Bewohner Ein Houds leben heute im Flüchtlingslager Jenin oder in Jordanien. Aber ein Teil der Familie Abu-al-Haja hat sich nicht vertreiben lassen. Sie zogen sich in die Wildnis oberhalb des Dorfes zurück. Und gründeten nur einen Kilometer Luftlinie entfernt das “Ein Houd al-Jadida”. Bis vor kurzem war dieses Dorf eines von 149 nicht anerkannten palästinensischen Dörfern in Israel. Israel erkennt die Dörfer nicht an, muß sie somit nicht an die öffentliche Infrastruktur (Wasser, Elektrizität, Straßen, Müllabfuhr,…) anschließen und behält sich die Möglichkeit offen, sie jederzeit zu räumen, um zum Beispiel ein jüdisches Dorf zu errichten. – Aufgrund der internationalen Bekanntheit des Künstlerdorfes Ein Houd ist es vor einigen Jahren gelungen, die Anerkennung von Ein Houd al-Jadida durchzusetzen.

Das neue Dorf Ein Houd al-Jadida oberhalb des alten Ein Houd.
Die Moschee des neuen Dorfes.

Die Straße ist schmal und windet sich über drei Kilometer hin und her, hoch und runter. Dann sind wir im neuen Dorf. Hier bekommen wir wieder Luft. Wir gehen in das einzige Restaurant des Dorfes, in dem wir das Essen genießen und mit Freude unser Geld lassen. Beim Essen blicken wir auf die Küste des Mittelmeeres und die Dächer des alten Dorfes hinunter. Was geht wohl in den Herzen der Menschen hier vor, wenn sie auf ihr altes Dorf gucken, in dem ihre Vorfahren für etwa 40 Generationen gelebt haben und in dem jetzt israelische Künstler die Idylle genießen; und eine deutsche Künstlerin mit einem deutschen Stipendium.

PS: Die palästinensische Familie aus dem Roman “Während die Welt schlief” von Susan Abdulhawa wird zu beginn des Buches aus dem Dorf Ein Houd vertrieben. Ich empfehle das Buch jedem, der den Konflikt besser verstehen oder einen guten Roman lesen will. Es zeichnet die Geschichte einer palästinensischen Familie von 1940 (also vor der ethnischen Säuberung Palästinas) bis 2003 (also nach der zweiten Intifada) nach. Die Familie selbst ist fiktiv, aber die historischen Ereignisse, die sie durchlebt sind erstaunlich gut recherchiert.

Bulli nach Zypern einschiffen

Do. 1. Feb 2018

Wir haben auf dem Parkplatz hinter Rosenfeld-Shipping am Hafen übernachtet und stehen überpünktlich um 8.45 Uhr auf der Matte. Die Bürokratie hält sich diesmal in Grenzen. Nach etwas über 4 Stunden haben haben wir Bulli direkt am Schiff abgestellt und sind aus dem Hafen raus.

Sogar der Zoll (vor dem wir uns etwas gefürchtet hatten) war harmlos. Die Autodurchsuchung war mit zwei flüchtigen Blicken ins Handschuhfach und in unseren Huckepackschrank abgehakt. Dabei hatten wir uns solche Mühe gegeben unsere Kontrabande (Fahnen, Bücher, Broschüren, USB-Stick…) gut zu verstecken. Die fehlende Zollgenehmigung für 3 Monate sorgte nur für eine kurze Diskussion auf Hebräisch, während wir mit treuen Augen dabei standen und so taten, als ob wir kein Wässerchen trüben könnten. – Zur Erklärung: Wir hatten letztendlich die Bankbürgschaft von 4.000€ für unseren Bulli doch nicht hinterlegt. Die einzige Bank, die es gemacht hätte, wollte nämlich neben einer Einlage von 4.000€ auch noch 750€ Gebühren haben. Da die Bürgschaft nur sicher stellen soll, dass wir den Bulli auch wieder ausführen, haben wir einfach darauf verzichtet und darauf vertraut, dass die israelische Bürokratie es erst bei unserer Ausreise im Hafen blickt, wenn es eh zu spät und egal ist. – Wenn wir eins von den Israelis gelernt haben, dann “Chuzpah”! – Es hat funktioniert.

Mit der Eisenbahn fahren wir nach Tel Aviv, wo wir bei D… und seiner Frau s… übernachten. Die beiden organisieren die Workshops in Jerusalem, an denen wir dreimal teilgenommen haben. Wir haben sie wirklich lieb gewonnen. Der gemeinsame Abend mit ihnen ist schön, die Gespräche wieder mal tief und gut und der Schlaf entsprechend kurz. Hoffentlich besuchen sie uns mal in Hamburg.

Undercover in der Weinkellerei

Jetzt, wo wir draußen sind, wollen wir auch von unserer spannendsten Aktion in Hebron berichten. Unserem Undercover-Einsatz in der Hevron Heights Winery.

Weinanbau ist eine der Hauptmethoden der Siedler sich Land anzueigenen. Grob gesagt geht es so: Den Palästinensern wird 3 Jahre lang der Zugang zu ihren Feldern verwehrt, indem das Gebiet zum Beispiel zum militärischen Sperrgebiet erklärt wird, oder eine Siedlerstraße zwischen Dorf und Olivenhainen gebaut wird, welche die Palästinenser nicht betreten dürfen. Bearbeiten die Palästinenser 3 Jahre lang ihr Land nicht, so fällt es an den Staat und der gibt es den Siedlern. Diese müssen es dann, damit es auch wirklich ihnen “gehört”, landwirtschaftlich nutzen. Grundlage ist ein Gesetz aus osmanischer Zeit, das sicherstellen sollte, dass das Land auch bebaut wird und Ertäge bringt, die dann besteuert werden können.

Der größte Teil des Westjordanlandes ist ein trockenes steiniges Mittelgebirge, so dass man auf dem Land meistens eigentlich nur zwei Früchte anbauen kann: Oliven und Wein. Olivenbäume brauchen eine Generation bis sie tragen und erfordern viel Handarbeit. Weinberge tragen schon im zweiten oder dritten Jahr und können (wenn sie gut angelegt sind) fast vollständig mit Maschinen bearbeitet werden.
Diese Art Landraub klingt absurd, wird hier aber in einem erstaunlichen Maßstab betrieben.

Was die Siedler dann noch brauchen sind große Absatzmärkte. Und das ist nicht ganz so einfach.

Zum einen verkaufen sich Weine aus Kiriyat Arba, der verrufensten aller israelischen Siedlungen, einfach nicht so gut. Zumal Produkte aus Siedlungen von vielen Menschen, Handelketten und Ländern boykottiert werden. „Wein von geklautem Land und aus Apartheid“ ist halt einfach kein Verkaufsschlager. Zum Anderen haben Produkte aus Israel einen bevorzugten Marktzugang zum EU-Binnenmarkt. Ohne Zölle und so. Als wäre Israel EU-Mitglied. Für Produkte aus Siedlungen gilt das jedoch nicht. Sie müssen nach EU-Recht als solche gekenntzeichnet sein und unterliegen den höchsten Zöllen und Steuern.
Also betreiben die Siedler Etikettenschwindel und segeln unter falscher Flagge.

Ein unter anderem von Amnesty International angeführtes Bündnis arbeitete an einer Kampagne dagegen. Was ihnen noch fehlte, waren Beweisbilder aus der Hevron Heights Winery selber. Den Mitarbeitern von Amnesty International war die Einreise nach Israel verweigert worden. Und jetzt wurden erfahrene und leichtsinnige Politaktivisten gesucht, die einfach mal hingehen und alles photographieren. Genau unser Ding! Wir haben darüber den folgenden englischsprachigen Artikel geschrieben. (Danke an Fräulein N… für’s redigieren.)

A Private Tour through Hevron Heights Winery

Call us, Leo and Molly, we are a married couple from Europe. We were asked by YAS (Youth Against Settlements ) in Hebron to go to Hevron Heights Winery and take photos. What qualifies us is a special gift the local Palestinian activists and experienced international campaigners don’t have: we’re good at playing callow tourists – bright-eyed and bushy-tailed! (After all, that’s exactly what one of us looks like.)

Our preparation for the job consisted of four steps:

  1. Finding out as much about the winery on the internet as possible.
  2. Making up an inconspicuous story that allows us to go there and to take a lot of photos: „We are tourists who were invited to a Shabbes dinner by a religious/devout Jewish family and don’t want to show up with empty hands. We were visiting the Tomb of the Patriarchs in Hebron in the morning and since we’re in a famous wine region, we thought we could bring along some local wine.“ The good thing about this story is that it’s partly true, which made it easy for us to have a dialogue about it with the settlers. – Okay, we left out the fact that the family we’re invited to for Shabbes, are peace activists.
  3. Changing our clothing and equipment: Off with the keffiyeh, replace the map from B’Tselem and the Arabic dictionary with some propaganda from the settlers and a Hebrew dictionary. (With Leo’s white shirt and Molly’s skirt we even looked closely enough like settlers for a few Palestinian kids to throw stones at us.)
  4. Adapting our language: Only „Arabs“ never „Palestineans“ and so on. But not too perfect! We still are wide-eyed tourists, aren’t we?

Then the adventure begins: In consistency with our story we take a few photos in front of the Tomb of the Patriarchs in Hebron and make our way to the winery from there. It’s located in an industrial area directly behind the settlement of Kiriyat Arba. And it’s in no way as fancy as their promotion homepages made us think. We pass a vacant army watchtower, pieces of waste land, a kind of car repair shop, completely wrecked cars and man-high hills of waste and rubble. Uphill from the Winery we see mobile homes and building activities. We wonder whether this officially is an expansion of Kiriyat Arba or already an outpost.

Der Außenposten oberhalb der Weinkellerei. Man beachte die Bautätigkeit am rechten Bildrand.
Die unmittelbare Nachbarschaft der Weinkellerei.

Our object of interest turns out to be some warehouses – normal, standard industrial architecture. We don’t see anybody and start to take photos from the outside: the machine that crushes the grapes and into which the lorries directly unload from the road, also a few wine tanks. There is no closed gate, so we go around to the backyard. (After all, the main quality we learned from the Israelis is „chuzpah“ – „impudence“.) Here we meet Daniel, tell him our story and stress how amazed we are at the winery. They don’t sell wine here, and he can’t make any decisions, so he takes us to his boss.

Außenansicht. Vorne der Trog, in den die Weintrauben vom Laster abgekippt werden.

Moshe is the production manager (or something close). He listens to our story, realizes how amazed we are and proudly gives us a private tour. (We don’t even have to pretend to be amazed. Our bodies are flooded with adrenaline; we would fail any dope test!) He shows us the big tanks where they ferment the wine (18,000 litres each), the barrels where the wine is ageing, the wine bottles and boxes, and last but not least the on-going labelling and packing process.

We take as many photos as we can without making him suspicious. When we see the boxes declared „Made in Israel“ we know that we hit the jackpot. But most things we only realise as we work through our photos in the evening. Our best shot turns out to be a bottle of Riesling. The label says “Jerusalem Winery – 42820 Geulim – Israel“. Geulim is close to Netanja, within the internationally acknowledged borders of Israel. This labelling fraud will cause Hevron Heights Winery and Israel trouble with the European Union. According to EU rules, Israeli goods have privileged access to the European market, goods from the settlements don’t. Isn’t Israel always denying that goods made in the settlements are falsely labelled as „Made in Israel“. – Well, now we have proof!

Die erwähnte falsch etikettierte Rieslingflasche.

We feed Moshe a lot of stories about Scottish whisky and Irish beer in comparison to wine. And about how great Israel, Tel Aviv and the Red Sea are. (The Red Sea really is great; we recommend snorkelling there when you are on your next trip to Palestine. You’ve got to get some recreation too!) And we ask him a lot of questions, about himself, the winery and so on.

He tells us that they produce 4 – 500,000 litres of kosher wine every year. And that the main rule about kosher wine is that anyone who handles it before the cork is in the bottle has to be a law-abiding Jew: the persons owning the vineyard, harvesting the grape, driving the lorry, owning the winery, filling the tanks, barrels and bottles and so on. Only at the end of the production line they employ three Arabs (not „Palestinians“), who label the closed bottles and pack them into boxes and onto the lorries. The Hevron Heights Winery, Moshe goes on to tell us, is mainly processing wines from the Hebron area. – So if the vineyards are mainly in the southern West Bank and all have to be „owned“ by law-abiding Jews… that’s occupation at its best (er – worst)!

Etikettierung und Verpackung der Weinflaschen. Rechts einer der 3 hier arbeitenden “Araber”. Auf den Kartons vorne steht “Made in Israel”.

Moshe himself neither speaks Hebrew nor English as his mother tongue, but Afrikaans, since he comes from South Africa, where he worked in the security business. So, life in the West Bank isn’t completely new to him. (Yeah, that makes sense to us!)

The irritating thing about Moshe and Daniel is that they are really welcoming and friendly to us. We imagined settlers as rough, mean persons. And that’s how we experienced them throughout the past weeks in Hebron, when we accompanied Palestinian school kids through the checkpoints and past the settlements. They both surely are racist, but if you don’t fit their concept of “the enemy”, they’re just humans. – We both are reminded of Hannah Arendt’s term: the „banality of evil“.

At the end of the tour Moshe phones the owner of the Winery to ask if he’s allowed to give us two bottles of wine as a present. He is allowed to, picks two freshly labelled bottles from the production line, poses with them for a photo and hands them to us.

Moshe überreicht überreicht uns zwei Weinflaschen.

We’ll drink one of them with the peace activists at the Shabbes dinner we’re invited to: „L’Chaim!“

Leo & Molly from Europe

Nachbemerkungen:

Amnesty International waren sehr erfreut über unsere Bilder. Sie können viel damit anfangen. Inzwischen müßten sie auch bei den zuständigen Stellen der EU eingetroffen sein.

Die andere Flasche haben wir an einem lauen Januarabend mit meinen Eltern in Jericho getrunken. Mein Vater merkte dazu an, dass der Wein zwar leider nicht politisch korrekt sei, aber sehr gut. Es sei der beste Wein, den er seit langem getrunken habe. – Naja, die Flasche hätte im Verkauf ja auch 27,90$ gekostet, direkt per Internet beim Großimporteur. Da erwarte ich auch einen exzellenten Wein.

Wer mehr über Landraub und Siedlerweine wissen will, dem sei das folgende Paper empfohlen: Forbidden Fruits

Israel/Palästina: Versuch eines vorläufigen Fazit

Die Situation:

Die Situation im Westjordanland und Ostjerusalem ist meiner Meinung nach mit den Begriffen “Apartheid” und “Ethnische Säuberung in Zeitlupe” richtig beschrieben.

In Israel selber ist das nicht ganz so einfach. Hier gibt es auf jeden Fall eine “in allen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen verfestigte rassistische Diskriminierung”. De jure sind die hiesigen Palästinenser Bürger mit Wahlrecht. De facto erfolgt der Zugang zu Wasser, Land, Wohnraum, Bildung, Arbeit und so weiter nach Volks- und Religionszugehörigkeit. Darüber hinaus es gibt die durchgängige “Verdrängung und Leugnung der ethnischen Säuberung von 1948” sowie aller damit verbundenen Grausamkeiten.

Über Gaza kann ich aus eigener Anschauung wenig sagen. Als ich vor 6 Jahren am Grenzzaun des Gazastreifens stand, hatte ich das Gefühl vor einem riesigen dystopischen Knast zu stehen. Israel hält den Gazastreifen nur in dem Sinne nicht besetzt, wie ein Gefängniswärter das Innere einer abgeschlossenen Zelle nicht besetzt hält. – Die Hamas wiederum herrscht in Gaza nur in dem Sinne, in dem ein Schlägertyp im Inneren einer überbelegten Gefängniszelle herrscht.

Der Traum von einer Sache

Die sogenannte “Zweistaatenlösung” halte ich für eine Chimäre und für schädliche Augenwischerei. Wo soll der zweite Staat liegen? Diesen Weg hat Israel mit seinen Siedlungen wortwörtlich verbaut! Aber durch die jahrzehntelangen Verhandlungen über diese “Zweistaatenlösung” gewinnt Israel Zeit, viel Zeit. Diese nutzt es zum Siedlungsbau und der ethnische Säuberung in Zeitlupe.

Man muß den Konflikt meiner Meinung nach nicht als nationalen Befreiungskampf begreifen, sondern als Bürgerrechtsbewegung. Es geht um gleiche Rechte und Möglichkeiten für alle zwischen Mittelmeer und Jordan lebenden Menschen, nicht um einen neuen Nationalstaat.

Israel hat das ganze Land genommen, jetzt muß es auch die Menschen nehmen!

Israel sollte das Westjordanland auch offiziell komplett anektieren und allen hier lebenden Palästinensern die israelische Staatsbürgerschaft inclusive Wahlrecht geben. Ebenso sollten die in Ostjerusalem lebenden Palästinensern die volle Staatsbürgerschaft erhalten.

In Israel selbst sollten die Palästinenser wirklich zu Bürgern mit gleichen Rechten und gleichen Möglichkeiten werden. Israel sollte die ethnische Säuberung von 1948 anerkennen, dafür um Entschuldigung bitten und Wiedergutmachung leisten. – Ob Wiedergutmachung dann Rückkehrrecht oder Reparationszahlungen bedetutet? Vermutlich zum Teil das Eine und zum Teil das Andere.

Gaza sollte entweder ein Teil Israels oder Ägyptens werden und seine Bewohner vollwertige Bürger des entsprechenden Landes. – Vermutlich müßte man Ägypten einiges an Geld zahlen, damit es Gaza nimmt. Warum nicht?

Und die Palästinenser? Sie müßten sich von ihrem Traum von Palästina verabschieden. Sie werden ihr Land nicht zurückbekommen. Aber das Israel/Palästina, in dem sie dann leben könnten, wäre ein anderes. Schon deshalb weil sie über 40% der wahlberechtigten Bürger des Staates stellen würden. (Also ohne Gaza und Rückkehrrecht.)

binas gedanken:

ich gehe mit michels ideen mit, möchte aber einen weiteren grund hinzufügen, warum israel nicht so weitermachen kann wie bisher. nach unseren beobachtungen würde das land, die infrastruktur und die gesellschaft als idee einer jüdischen gemeinschaft implodieren.

die haredim werden aufgrund ihrer geburtenrate immer zahlreicher und die säkularen israelis müssen immer mehr leisten im hinblick auf armee und steuerzahlungen zum beispiel.

gleichzeitig gibt es immer häufiger streit über religiöse regeln des zusammenlebens, die die haredim für alle israelis durchsetzen möchten. kleidervorschriften für schulkinder, sitzordnung im bus, straßenseite wechseln für frauen vor synagogen. das betrifft derzeit vor allem die wohngebiete der haredim wie bnei brak in tel aviv oder mea shearim in jerusalem, es gibt aber bestrebungen, das zumindest in jerusalem, auf die ganze stadt auszuweiten.

kein wunder, daß es immer öfter israelis vorziehen, aus israel weg zu gehen. zumal das leben in Tel Aviv sehr teuer geworden ist.

irgendwann wird es nicht mehr möglich sein, eine armee wie die jetzige aufrecht zu erhalten oder ein steuersystem, das trägt.

ich werde palästina vermissen. dies bunte dreckige chaos, was mich zugegebenermaßen auch sehr angestrengt hat. die menschen, seien es die jungs vom YAS oder die vielen leute in den straßen, grüßend, über uns staunend, sich sichtlich über unsere anwesenheit freuend. die läden, die immer wie kleine oasen wirkten.

ein letzter beobachtungsschniepsel:

– in deutschland wird beim abwiegen einer ware auf 10 gramm genau abgewogen. in palästina nimmt mans nicht so genau. da sind 100-200gr noch absolut im rahmen. und die handvoll datteln kriegt man vielleicht auch noch in die tüte gelegt. einfach so.

mir ist ein satz eingefallen, der mir sehr gefällt:

palästina haut einem das leben rechts und links um die ohren. mit allen guten und schlechten aspekten, aber immer mit einem lächeln im gesicht und einem guten kaffee oder tee in der hand.

wir bleiben weiter am ball. unsere arbeit ist noch nicht beendet. wenn wir wieder zu hause sind geht es weiter. wir bleiben dran. – “man ist ein leben lang für das verantwortlich, was man sich vertraut gemacht hat.” sagte der fuchs.

Youth Against Settlements

Wer mehr über “Youth Against Settlements” erfahren will, die Organisation für die wir als Internationale Freiwillige in Hebron waren, dem seien folgende Broschüre und Hompages empfhohlen:

Zurück nach Zypern

Fr. 02. Feb. 2018

ich bin mit der gesamtsituation unzufrieden: da versuchen wir in israel/palästina alles, um endlich vom mossad oder wem auch immer beachtet zu werden und der weigert sich einfach. keine interviews am flughafen, keine durchsuchungen von bulli, nichts. wir werden einfach durchgewunken. es ist ein skandal.

ich frage mich, was die horrenden hafengebüren und die sonstigen kosten rechtfertigt, die wir sowohl in haifa als auch in limasol zu entrichten hatten.

Es hat sich anscheinend ausgezahlt, dass wir in Hebron meistens lieber einen Umweg gegangen sind, als eine Datenspur beim Checkpoint zu hinterlassen, dass wir beim Verlassen des Westjordanlands meistens über einen bestimmten Checkpoint gefahren sind, der keine Kamera zum Aufzeichnen der Autokennzeichen hat, dass wir kein Smartphone haben, dass wir Facebook und Twitter meiden und dass wir “Leo und Molly” erfunden haben.

Wir hatten uns auf ein solides Kreuzverhör am Flughafen Tel Aviv eingestellt, wie wir es aus Erzählungen anderer Aktivisten kannten. Aber alles was kommt ist: “Wo kommen Sie gerade her?” – “Tel Aviv.” – “Wo haben sie dort geschlafen?” – “Bei Freunden.” – “Danke.”

In der Reihe vor uns fliegt eine Hochzeitsgesellschaft.

In Israel hat das orthodoxe Rabbinat das Monopol auf Eheschließungen für Juden. Eine Zivilehe gibt es für Juden nicht, und die Eheschließung durch liberale Rabbiner ist illegal. Juden, die zivil oder liberal heiraten wollen, können dies nur im Ausland tun, was zu einem regelrechten Heiratstourismus von Israel nach Zypern führt.

Ob es die Zivilehe für palästinensische Israelis gibt, und wie Mischehen geschlossen werden, wissen wir nicht.

wie dem auch sei: in aller herrgottsfrühe lassen wir uns von tel aviv zum flughafen fahren, checken ohne schwierigkeiten ein, fliegen mal eben nach larnaka und fahren von da aus mit dem bus nach limasol, bulli aus dem hafen kratzen.

wir sind tatsächlich eher im hafen als bulli, dessen schiff gegen 12.30 anlanden soll. wir müssen warten und ich werde langsam nervös, weil der zoll um 15.00h feierabend macht, es freitag ist, am wochenende nicht gearbeitet wird und wir keine lust haben, zwei tage im hostel zu verbringen.  nach 5 std. hin und her klappt aber alles grade noch rechtzeitig. sogar ohne agenten, der uns durchs abfertigungsgewirr hätte leiten sollen und auch noch was kosten würde. um 10 min nach 3 muß der hafenarbeiter, der uns bulli aus seinem vergitterten hafenareal aushändigen muß, zwar aus seinem feierabend zurückgepfiffen werden, nachdem ich demjenigen, der uns vom tor dorthin fuhr, klar mache, daß bulli unser zuhause ist und wir ohne ihn aufgeschmissen sind, aber dann ist die familie wieder vereint.

unseren ersten zypriotischen kaffee bekommen wir übrigens geschenkt. am zollbüro ist ein cafe, wo wir uns die wartezeit verkürzen. der kaffee wird nicht einfach über einer gasflamme erhitzt, sondern in einer metallschale mit heißem sand, der die kanne von allen seiten wärmt. das schmeckt man und die bedienung freut sich offentsichtlich über unser interesse, das sie nichts für die beiden tassen haben will.

Bulli nach von Israel nach Zypern verschiffen kostet uns knapp über 1.500€ – woran die Hafengebühren einen guten Anteil haben.

zum strand, wo wir mit bulli an der wasserkante stehen können, ist es nicht weit und wir haben mal wieder einen stellplatz mit aussicht. – Hallo! Cäsarea und die Bucht südlich von Haifa waren auch toll!

Beim Fahren durch eine Bodenwelle ditschen wir mit dem Huckepackschrank auf und Michel muß (oder darf) mal wieder McGyver spielen.

wir machen aber auch einen traurigen fund in der brandung:

Sie muß erst vor kurzem gestorben sein, denn sie ist noch ganz intakt.

Wie friedlich sie aussieht und wie wunderschön. Wollen wir mal hoffen, daß sie an Altersschwäche gestorben ist, so groß wie sie wurde und nicht am Plastikmüll, den Meeresschildkröten mit Quallen verwechseln und fressen.

Athen zum Dritten!

Fr-Di 11.-15. Mai

Womoreisegruppen

In Athen gönnen wir uns wieder einmal einen Campingplatz und somit den Luxus von Dusche, Waschmaschine und so weiter. Auch weil wir die Nächte, die wir beim letzten Athenbesuch am Straßenrand verbracht haben, (untertrieben gesagt) nicht wirklich gut geschlafen haben.

Nicht nur sauber, sondern porentief rein – und glücklich.

Während wir auf dem Platz sind, belegen zweimal große Womoreisegruppen von professionellen Reiseveranstaltern den Großteil des Platzes. Die Gruppenwomos stellen insgesamt die Mehrzahl der Womos, die im Laufe der vier Nächte mit uns auf dem Platz stehen.

Wir verstehen nicht ganz, was so viele Leute dazu bringt, zwar mit dem eigenen Wohnmobil nach Griechenland zu fahren, sich dann aber einer organisierten Tour anzuschließen, sich von Campingplatz zu Campingplatz lotsen zu lassen und an einem klassischen Pauschaltouristenprogramm mit Omnibusausflügen und Gruppenbesichtigungen teilzunehmen.

Ja sicher, einige der Wohnmobile sind so groß, dass man wirklich nicht wild stehen kann und auch auf jedem Campingplatz einen entsprechend großen XXL-Stellplatz vorbuchen muß. Aber mal ehrlich, dann kann ich auch eine normale Flug-Bus-Hotel-Pauschalrundreise buchen.

Naja, ein jeder Jeck ist anders!

Palästina Solidemos

Der “Große Marsch der Rückkehr” wurde nicht (wie man als deutscher Zeitunsleser vermuten könnte) von der Hamas, sondern von lokalen Aktivisten und Journalisten organisiert. Deren Planung für Kampagne ist Lehrbuchbeispiel für gewaltfreie Aktionen. Sechs Wochen lang sollte in Camps in etwa 700m Entfernung zu dem Zaun, der den Gazastreifen umschließt, demonstriert werden. Insbesondere an den Freitagen waren größere Aktionen geplant. Höhepunkt und Abschluß sollte der 15te Mai sein, an dem zehntausende Menschen sich an den Händen haltend friedlich auf den Gazazaun zugehen und ihn überklettern würden. Den Aktivisten war klar, dass sie damit rechnen mußten, dass die Israelische Armee scharf schießen würde. Aber die Lage der Menschen in Gaza ist verzweifelt. Und der politische Preis dafür hunderte gewaltfrei demonstrierende Menschen zu erschießen, würde hoffentlich zu hoch sein.

Der 15te Mai ist gut gewählt. Er wird von den Israelis als Tag der Staatsgründung gefeiert, während die Palästinenser als “Nakbah-Tag” begehen und der ethnischen Säuberung Palästinas im Jahr 1948 gedenken.

Dass Trump die US-Botschaft ausgerechnet einen Tag vorher nach Jerusalem verlegt, läßt auf eine ganz besondere Art diplomatischen Fingerspitzengefühls schließen.

Die Forderungen des “Goßen Marsches der Rückkehr” sind:

  1. Rückkehrrecht für die 1948 aus ihrer Heimat vertriebenen Palästinenser und ihrer Nachkommen zu den Orten ihrer alten Dörfer und Städte.
  2. Beendigung der Blockade des Gazastreifens.
  3. Keine Verlegung der US-Botschaft von Tel-Aviv nach Jerusalem.

Doch schon am 30ten März, dem ersten Aktionstag, läuft die Sache aus dem Ruder. Eine medienwirksame Minderheit vor allem jugendlicher Demonstranten zündet Autoreifen und schmeißt Steine. Die israelische Armee erschießt 19 Palästinenser, ohne das ein einziger Israeli (weder Soldat noch Zivilist) verletzt würde. Die Hamas, die sich bisher nicht um die Kampagne gekümmert hat, nutzt die Medienaufmerksamkeit für sich. Und der israelischen Armee gelingt es ihre unverhältnismäßige Gewaltanwendung in den Augen Vieler gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

In den folgenen Wochen wiederholt sich diese Tragödie mehrmals, allerdings ohne so viele Tote an einem einzigen Tag.

Bina und ich befürchten für den 15ten Mai das Schlimmste und wollen unbedingt solidarisch vor der israelischen Botschaft in Athen demonstrieren.

Da wir kein Griechisch können, finden wir im Internet zunächst nur eine Motorraddemo einer kleinen anarchistischen Splittergruppe am Freitag, den 11ten Mai. Hier erfahren wir dann, wann und wo die Demos am 14ten und 15ten Mai stattfinden.

Auftakt der Palästina-Solidaritäts-Motorrad-Demo am 11ten Mai.

Die Kundgebung am 14ten Mai findet vor dem griechischen Außenministerium statt und ist leider fast genauso klein, wie die Motorraddemo am 11ten.

Dafür ziehen auf der Demo am 15ten Mai über 1.000 Menschen von der US-amerikanischen zur israelischen Botschaft. Die Tatsache, dass am Tag zuvor mindestens 60 Palästinenser getötet und etwa 2.700 verwundet wurden, hat wohl mobilisierend gewirkt. Die israelische Armee hat an diesem Tag übrigens ihren ersten und einzigen leicht verwundeten Soldaten während der gesamten Kampagne zu beklagen.

Über 1.000 Menschen ziehen von der US- zur israelischen Botschaft.

Die griechische Polizei agiert taktisch äußerst geschickt und professionell. Auf dem Demonstrationsweg hält sie sich fast vollkommen zurück. Nur einige Motorradpolizisten zur Verkehrsregelung sind zu sehen. Und das, obwohl einige Demonstranten vermummt und ihre Fahnen bisweilen nur schlecht getarnte Knüppel sind. Erst direkt vor der israelischen Botschaft ist die Straße abgesperrt. Aber nicht mit Polizeiketten, sondern mit alten vergitterten Bussen. Nur ganz links und rechts auf dem Bürgersteig ist jeweils ein Dutzend Bereitschaftspolizisten zu sehen.

Die Polizei duldet sogar, dass die Busse, mit denen die Botschaft abgesperrt ist, erklettert werden. Michel ist gerne behilflich.
Erst nach einiger Zeit zieht Bereitschaftspolizei auf und fordert die Busbesetzer auf runter zu kommen.
Viele Fahnen sind nur schlecht getarnte Knüppel.

In dem Moment, wo die Demo beginnt wieder abzuziehen, fliegen plötzlich Steine. Wir rechnen mit einer Eskalation. Aber die Polizeikette, die inzwischen vor den Bussen steht, zieht sich einfach schnell hinter die Busse zurück. Lieber ein paar Beulen in den alten Bussen, als einen Stein am Kopf! Die Organisatoren fordern die Leute auf abzuziehen. Die große Masse tut dies auch geordnet. Und sobald den Jugendlichen die Menge fehlt, aus denen sie agieren können, hören sie auf und ziehen auch ab. Die große Eskalation, die es in einer solchen Situation in Deutschland garantiert gegeben hätte, bleibt aus.

Wir sind von der griechischen Polizei und der Demoleitung schwer beeindruckt. Davon können wir in Deutschland wirklich etwas lernen!

Alles andere als beeindruckt sind wir von der deutschen und internationalen Presse zum “Großen Marsch der Rückkehr” am Gazazaun. Die beste Kommentar kommt tatsächlich von der Satireseite Der Postillon: “Faustregel: Wenn es auf Seiten der Demonstranten 60 Tote und weit über 2000 Verletzte gibt, auf Ihrer Seite jedoch keine Verluste zu beklagen sind, dann könnte das ein Zeichen sein, dass Ihr Abzugsfinger womöglich zu locker war.”

Als Hintergrundinformation empfehlen wir folgenden Artikel auf der Hompage von Medico International:“ Eskalation mit Ansage: Die Eskalation an der Grenze zu Israel verdeckt die legitimen Ziele der Protestierenden. Davon profitieren vor allem die israelische Regierung und die Hamas…”

Dort ist auch zu lesen, was unsere Freunde von YAS in Hebron gemacht haben: “Als eine Insel der Vernunft erwies sich der kleine Hügel im israelisch kontrollierten Teil Hebrons, auf dem die palästinensische Organisation Youth Against Settlements (YAS) ihr Zentrum hat. In unmittelbarer Nachbarschaft zu radikalen Siedlern organisierte Breaking the Silence dort mit YAS einen Sederabend zum Pessachfest, bei dem palästinensische Aktivist*innen demonstrativ jüdische Besatzungsgegner*innen zu Gast hatten. “

Hier  Artikel von Medico zur  Sicherheit  als PDF: Medico Hintergrund Gaza

Sokrates, pakistanisch Essen und so

Obwohl wir das klassische Touristenprogramm schon bei unserem ersten Besuch absolviert haben, wird uns in Athen nicht langweilig.

Zum Essen gehen wir immer in ein kleines pakistanisch, indisch, bangladesisches Viertel, in dem wir meist die einzigen Europäer sind.

Komplettes Menue für 2€. Beschallung mit Bollywoodvideoclips inklusive.

Wir sind wieder in “unserem” irischen Pub, besuchen den queeren Stammtisch, bei dem wir schon im letzen Monat waren und eine queere Theater-Kunst-Performance in einer wirklich coolen Theater-Kunst-wasauchimmer?-Bar.

Mein persönlichr Höhepunkt ist die Besichtigung der Ruinenreste des Lyckeion des Aristoteles und der Akademie des Platon im ehemaligen antiken Stadtteil Acedemia. Hier, genau hier haben die oben genannten, viele andere und vor allem Sokrates gewirkt. Ich komme mir vor wie ein Pilger. So wie Juden, Christen und Muslime nach Jerusalem, Rom und Mekka pilgern, fühle ich mich hierher gepilgert zu Sokrates, dem Märtyrer des kritischen Denkens und Hinterfragens.

Viel ist am alten Gymnasion in Academia nicht mehr zu sehen. Trotzdem sieht Michel vor seinem inneren Auge Sokrates vor sich wandeln.