Athen zum Dritten!

Fr-Di 11.-15. Mai

Womoreisegruppen

In Athen gönnen wir uns wieder einmal einen Campingplatz und somit den Luxus von Dusche, Waschmaschine und so weiter. Auch weil wir die Nächte, die wir beim letzten Athenbesuch am Straßenrand verbracht haben, (untertrieben gesagt) nicht wirklich gut geschlafen haben.

Nicht nur sauber, sondern porentief rein – und glücklich.

Während wir auf dem Platz sind, belegen zweimal große Womoreisegruppen von professionellen Reiseveranstaltern den Großteil des Platzes. Die Gruppenwomos stellen insgesamt die Mehrzahl der Womos, die im Laufe der vier Nächte mit uns auf dem Platz stehen.

Wir verstehen nicht ganz, was so viele Leute dazu bringt, zwar mit dem eigenen Wohnmobil nach Griechenland zu fahren, sich dann aber einer organisierten Tour anzuschließen, sich von Campingplatz zu Campingplatz lotsen zu lassen und an einem klassischen Pauschaltouristenprogramm mit Omnibusausflügen und Gruppenbesichtigungen teilzunehmen.

Ja sicher, einige der Wohnmobile sind so groß, dass man wirklich nicht wild stehen kann und auch auf jedem Campingplatz einen entsprechend großen XXL-Stellplatz vorbuchen muß. Aber mal ehrlich, dann kann ich auch eine normale Flug-Bus-Hotel-Pauschalrundreise buchen.

Naja, ein jeder Jeck ist anders!

Palästina Solidemos

Der “Große Marsch der Rückkehr” wurde nicht (wie man als deutscher Zeitunsleser vermuten könnte) von der Hamas, sondern von lokalen Aktivisten und Journalisten organisiert. Deren Planung für Kampagne ist Lehrbuchbeispiel für gewaltfreie Aktionen. Sechs Wochen lang sollte in Camps in etwa 700m Entfernung zu dem Zaun, der den Gazastreifen umschließt, demonstriert werden. Insbesondere an den Freitagen waren größere Aktionen geplant. Höhepunkt und Abschluß sollte der 15te Mai sein, an dem zehntausende Menschen sich an den Händen haltend friedlich auf den Gazazaun zugehen und ihn überklettern würden. Den Aktivisten war klar, dass sie damit rechnen mußten, dass die Israelische Armee scharf schießen würde. Aber die Lage der Menschen in Gaza ist verzweifelt. Und der politische Preis dafür hunderte gewaltfrei demonstrierende Menschen zu erschießen, würde hoffentlich zu hoch sein.

Der 15te Mai ist gut gewählt. Er wird von den Israelis als Tag der Staatsgründung gefeiert, während die Palästinenser als “Nakbah-Tag” begehen und der ethnischen Säuberung Palästinas im Jahr 1948 gedenken.

Dass Trump die US-Botschaft ausgerechnet einen Tag vorher nach Jerusalem verlegt, läßt auf eine ganz besondere Art diplomatischen Fingerspitzengefühls schließen.

Die Forderungen des “Goßen Marsches der Rückkehr” sind:

  1. Rückkehrrecht für die 1948 aus ihrer Heimat vertriebenen Palästinenser und ihrer Nachkommen zu den Orten ihrer alten Dörfer und Städte.
  2. Beendigung der Blockade des Gazastreifens.
  3. Keine Verlegung der US-Botschaft von Tel-Aviv nach Jerusalem.

Doch schon am 30ten März, dem ersten Aktionstag, läuft die Sache aus dem Ruder. Eine medienwirksame Minderheit vor allem jugendlicher Demonstranten zündet Autoreifen und schmeißt Steine. Die israelische Armee erschießt 19 Palästinenser, ohne das ein einziger Israeli (weder Soldat noch Zivilist) verletzt würde. Die Hamas, die sich bisher nicht um die Kampagne gekümmert hat, nutzt die Medienaufmerksamkeit für sich. Und der israelischen Armee gelingt es ihre unverhältnismäßige Gewaltanwendung in den Augen Vieler gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

In den folgenen Wochen wiederholt sich diese Tragödie mehrmals, allerdings ohne so viele Tote an einem einzigen Tag.

Bina und ich befürchten für den 15ten Mai das Schlimmste und wollen unbedingt solidarisch vor der israelischen Botschaft in Athen demonstrieren.

Da wir kein Griechisch können, finden wir im Internet zunächst nur eine Motorraddemo einer kleinen anarchistischen Splittergruppe am Freitag, den 11ten Mai. Hier erfahren wir dann, wann und wo die Demos am 14ten und 15ten Mai stattfinden.

Auftakt der Palästina-Solidaritäts-Motorrad-Demo am 11ten Mai.

Die Kundgebung am 14ten Mai findet vor dem griechischen Außenministerium statt und ist leider fast genauso klein, wie die Motorraddemo am 11ten.

Dafür ziehen auf der Demo am 15ten Mai über 1.000 Menschen von der US-amerikanischen zur israelischen Botschaft. Die Tatsache, dass am Tag zuvor mindestens 60 Palästinenser getötet und etwa 2.700 verwundet wurden, hat wohl mobilisierend gewirkt. Die israelische Armee hat an diesem Tag übrigens ihren ersten und einzigen leicht verwundeten Soldaten während der gesamten Kampagne zu beklagen.

Über 1.000 Menschen ziehen von der US- zur israelischen Botschaft.

Die griechische Polizei agiert taktisch äußerst geschickt und professionell. Auf dem Demonstrationsweg hält sie sich fast vollkommen zurück. Nur einige Motorradpolizisten zur Verkehrsregelung sind zu sehen. Und das, obwohl einige Demonstranten vermummt und ihre Fahnen bisweilen nur schlecht getarnte Knüppel sind. Erst direkt vor der israelischen Botschaft ist die Straße abgesperrt. Aber nicht mit Polizeiketten, sondern mit alten vergitterten Bussen. Nur ganz links und rechts auf dem Bürgersteig ist jeweils ein Dutzend Bereitschaftspolizisten zu sehen.

Die Polizei duldet sogar, dass die Busse, mit denen die Botschaft abgesperrt ist, erklettert werden. Michel ist gerne behilflich.
Erst nach einiger Zeit zieht Bereitschaftspolizei auf und fordert die Busbesetzer auf runter zu kommen.
Viele Fahnen sind nur schlecht getarnte Knüppel.

In dem Moment, wo die Demo beginnt wieder abzuziehen, fliegen plötzlich Steine. Wir rechnen mit einer Eskalation. Aber die Polizeikette, die inzwischen vor den Bussen steht, zieht sich einfach schnell hinter die Busse zurück. Lieber ein paar Beulen in den alten Bussen, als einen Stein am Kopf! Die Organisatoren fordern die Leute auf abzuziehen. Die große Masse tut dies auch geordnet. Und sobald den Jugendlichen die Menge fehlt, aus denen sie agieren können, hören sie auf und ziehen auch ab. Die große Eskalation, die es in einer solchen Situation in Deutschland garantiert gegeben hätte, bleibt aus.

Wir sind von der griechischen Polizei und der Demoleitung schwer beeindruckt. Davon können wir in Deutschland wirklich etwas lernen!

Alles andere als beeindruckt sind wir von der deutschen und internationalen Presse zum “Großen Marsch der Rückkehr” am Gazazaun. Die beste Kommentar kommt tatsächlich von der Satireseite Der Postillon: “Faustregel: Wenn es auf Seiten der Demonstranten 60 Tote und weit über 2000 Verletzte gibt, auf Ihrer Seite jedoch keine Verluste zu beklagen sind, dann könnte das ein Zeichen sein, dass Ihr Abzugsfinger womöglich zu locker war.”

Als Hintergrundinformation empfehlen wir folgenden Artikel auf der Hompage von Medico International:“ Eskalation mit Ansage: Die Eskalation an der Grenze zu Israel verdeckt die legitimen Ziele der Protestierenden. Davon profitieren vor allem die israelische Regierung und die Hamas…”

Dort ist auch zu lesen, was unsere Freunde von YAS in Hebron gemacht haben: “Als eine Insel der Vernunft erwies sich der kleine Hügel im israelisch kontrollierten Teil Hebrons, auf dem die palästinensische Organisation Youth Against Settlements (YAS) ihr Zentrum hat. In unmittelbarer Nachbarschaft zu radikalen Siedlern organisierte Breaking the Silence dort mit YAS einen Sederabend zum Pessachfest, bei dem palästinensische Aktivist*innen demonstrativ jüdische Besatzungsgegner*innen zu Gast hatten. “

Hier  Artikel von Medico zur  Sicherheit  als PDF: Medico Hintergrund Gaza

Sokrates, pakistanisch Essen und so

Obwohl wir das klassische Touristenprogramm schon bei unserem ersten Besuch absolviert haben, wird uns in Athen nicht langweilig.

Zum Essen gehen wir immer in ein kleines pakistanisch, indisch, bangladesisches Viertel, in dem wir meist die einzigen Europäer sind.

Komplettes Menue für 2€. Beschallung mit Bollywoodvideoclips inklusive.

Wir sind wieder in “unserem” irischen Pub, besuchen den queeren Stammtisch, bei dem wir schon im letzen Monat waren und eine queere Theater-Kunst-Performance in einer wirklich coolen Theater-Kunst-wasauchimmer?-Bar.

Mein persönlichr Höhepunkt ist die Besichtigung der Ruinenreste des Lyckeion des Aristoteles und der Akademie des Platon im ehemaligen antiken Stadtteil Acedemia. Hier, genau hier haben die oben genannten, viele andere und vor allem Sokrates gewirkt. Ich komme mir vor wie ein Pilger. So wie Juden, Christen und Muslime nach Jerusalem, Rom und Mekka pilgern, fühle ich mich hierher gepilgert zu Sokrates, dem Märtyrer des kritischen Denkens und Hinterfragens.

Viel ist am alten Gymnasion in Academia nicht mehr zu sehen. Trotzdem sieht Michel vor seinem inneren Auge Sokrates vor sich wandeln.