Montag, 09.10.17
die küstenstraße weiter richtung osten. dipkarpaz heißt der nächste spannende ort. ein vornehmlich griechisches dorf, von dem michel erzählte, das bei seinem ersten besuch vor 12 jahren die griechen auf der einen straßenseite im cafe saßen und die türken gleich gegenüber auf der anderen straßenseite.
jetzt ist von griechen nichts mehr zu sehen. die moschee ist neu, die kirche alt. das griechische cafe geschlossen. wo sind sie geblieben? eine seltsame ruhe herrscht auf der hauptstraße.
ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. in der griechischen schule ist grad pause. im lehrerzimmer, wo wir hallo sagen, entsteht schnell ein gespräch mit einer lehrerin. das cafe sei nur heute geschlossen und der türkische anteil der dorfbewohner ist tatsächlich größer geworden, da viele anatolien-türken angesiedelt wurden. ein dezenter blick zwei klassenräume offenbart wunderbare zustände: eine lehrerin für zwei schüler. in einem anderen raum sitzen fünf schüler.
Als wir zwei Tage später wieder durch den Ort fahren, ist griechische Cafe ist geöffnet und gut besucht. Es hat wohl nur Montags seinen Ruhetag. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die Türkische Verwaltung endgültig vom ehemaligen griechischen Risokarpaso in das ein rein türkisches Dipkarpaz verwandeln will. Die alt eingesessenen Griechen scheinen langsam verdrängt und durch Siedler aus Anatolien ersetzt zu werden.
Die alt orthodoxe Kirche wird zum Beispiel von der hinten von der neuen Moschee überragt, von vorne von einem Reiterstandbild symbolisch attackiert und von neuen türkischen Ladenzeilen links und rechts in die Zange genommen.
Die Englischkenntnisse der vorher freundlichen Türkin im Rathaus versagen ab dem Moment, wo ich nach griechischen Geschäften, Restaurants und Bewohnern frage, komplett.
Die Lizenzen für Restaurants an Stränden in der weiteren Umgebung werden offensichtlich nur an Türken vergeben.
Als die türkische Armee 1974 eine Invasion auf Zypern gemacht hat, um die türkische Minderheit auf der Insel zu schützen und einen Anschluss Zyperns an das damals faschistische Griechenland (Obristen) zu verhindern, wurden die Menschen auf der Halbinsel, die Zypern seien charakteristische Form verleiht, vom Süden der Insel abgeschnitten und konnten nicht fliehen. Daher gibt es hier eine alteingesessene griechische Bevölkerung, die seit über 40 Jahren von UN-Konvois mit Lebensmitteln, Medikamenten und Post aus dem Inselsüden versorgt wird. (Wobei diese Versorgungslieferungen derzeit gerade akutes Inselpolitikum sind.)
Die Zustände an der griechischen Schule sind, wenn man die äußeren ha ignoriert, paradiesisch. Wir sehen zwei Klassen, die eine mit zwei, die andere mit fünf Schülern. Vier bis sechs Klassen scheint es insgesamt zu geben. Im Lehrerzimmer treffe ich ein halbes Dutzend entspannter Kolleginnen und Kollegen, die gerade Freistunde haben. Mit einer Lehrerin, die als Erasmusstudentin in Deutschland war, unterhalte ich mich ein wenig. Die Ausstattung der Schule scheint gut zu sein.
An der Hauptkreuzung des Dorfes treffen wir eine deutsche Familie, die einem Touristentypus angehört, den wir öfters treffen und der uns innerlich zur Weißglut treibt: „informiert und moralbefreit“. Sie sagen: „Ja, das ist hier im Grunde eine ethnische Säuberung. […] Das ist nicht unser Problem.“ Dabei sitzen sie im Cafe des Siedlers und verstehen nicht, warum wir uns die Mühe machen in diesem Dorf nach einem von alteingesessenen Griechen geführten Cafe zu suchen.
wir kaufen schnell das nötigste ein und fahren weiter. aber dann sehen wir am rand des dorfes ein schild auf griechisch. ein restaurant. neu, noch gar nicht ganz fertig. hinter dem tresen zwei frauen, sonst sind die vielen tische leer. mit einem fröhlichen ‚kalimera!‘ auf den lippen kaffee bestellt und versucht, ein gespräch anzufangen. leider ist das durch die sprachbarriere nicht leicht. trotzdem werden wir hier dieser tage noch essen gehen. wir haben unsere griechen gefunden! es gibt sie also doch noch!!!! und michel bekommt nach den touristen ohne moral wieder luft.
und dann sind wir mitten im eselgebiet. die karpaz-esel sind berühmt. verwilderte hausesel, die gleich am reservatseingang stehen, wie vom touristenministerium bezahlt, und um futter betteln. hübsch sind sie mit ihrem braunen fell und dem weißen bauch, nebst weißer schnauze und den wirklich schönen, weiß umrandeten augen.
Die waren vor 12 Jahren auch nicht so degeneriert, sondern scheue Wildesel, die man nur von weitem gesehen hat.
am andreas-kloster stehen noch mehr. dieses kloster ist in der tat etwas besonderes. so wichtig für die griechisch-orthodoxe kirche, das selbst die türken es nicht angerührt haben. welch ironie: das wichtigste heiligtum der griechen steht im türkischen teil von zypern und die wichtigste moschee im griechischen teil.
und trotzdem hat sich hier viel verändert: der türkische militärposten, den michel auf seiner ersten reise noch auf dem dach des klosters gesehen hat, ist weg und die souvenierstände vor dem kloster sind mehr geworden.
Die Türken haben die orthodoxen Kirchen insgesamt kaum angerührt. Aber dieses Kloster ist halt etwas besonderes. Es war die ganze Zeit über bewohnt und für Pilger (die so gut wie nicht kamen) offen. Verehrt wird hier besonders die Ikonostase des Heiligen Andreas. (Also eine Wundertätiges Heiligenbild.)
frage des tages: wozu stehen rund ums kloster diese einstöckigen häuser, die aussehen wie ein motel an einem amerikanischen highway? wir haben es nicht herausbekommen.
Hier am Ende der Insel treffen wir auch drei andere Wohnmobilisten. Ein Pärchen aus Osnabrück macht seit 20 Jahren Urlaub am Strand hinter dem Andreaskloster. Die beiden anderen (die wir erst morgen treffen werden) haben echte Expeditionsmobile, mit denen sie anscheinend schon in der halben Welt unterwegs waren. Es bleiben die einzigen WoMos, die wir in Nordzypern treffen. Der riesige Vorteil, den das fast komplette fehlen von Wohnmobilen auf der Insel hat, ist, dass wir uns mit unserem VW-Bus fast überall hinstellen können. Buchten und Parkplätze, die sonst versperrt oder „Für Wohnmobile verboten!“ wären, sind hier frei zugänglich. Allerdings fehlt hier auch jede Campinginfrastruktur.
und dann stehen wir an der äußersten spitze von nord-zypern.
der wachhabende polizist an der station freut sich, das ihn mal jemand besucht und nicht nur schnell fotos machen will und wieder abhaut. wir werden sofort zum kaffee eingeladen, dürfen naürlich hier schlafen und als er wegfährt, läßt er sogar die scheinwerfer aus, die normalerweise die beiden großen fahnen auf dem hügel nebenan anleuchten, damit wir besser sterne schauen können.
und der himmel ist wirklich phantastisch! danke, arkan!
Nachts bestaunen wir einen sagenhaften Sternenhimmel und sehen indirekt den Lichtschein von Latakia an der syrischen Küste. Bis dahin sind es kaum 80 km.