Nikosia: Kathedralenmoschee & Hamam

Mittwoch 11.10.17

Auf dem Weg nach Nikosia frühstücken wir an einer alten griechisch orthodoxen Kirche. Die Türken haben bei und nach ihrer Invasion in Nordzypern die Kirchen offensichtlich nicht angerührt. Da die griechischen Gemeinden aber vertrieben wurden, stehen sie leer und verfallen so langsam vor sich hin. Man sieht sie überall in Nordzypern: alte Kirchen und Kapellen in Städten, Dörfern und eingestreut in die Landschaft. Wir werden nur ein orthodoxes Kirchlein sehen, dass in eine Moschee umgewandelt wurde. Ansonsten wurden überall Fertigbau-Einheitsmoscheen daneben gesetzt. Wie aus dem Ikeakatalog, Modelle „Türk I“ oder „Türk II“.

Die Kirche seit 1974 verwaiste Kirche vor der wir gefrühstück haben.

Immerhin versuchen sie nicht die griechisch orthodoxe Geschichte Nordzyperns auszulöschen, so wie der Staat Israel versucht hat (und noch versucht) mittels Abrissbirne die arabisch-islamische Geschichte des Landes auszulöschen.

Die Altstadt der geteilten Hauptstadt Zyperns Nikosia (türkisch: „Lefkosa“) ist von einer kreisrunden venizianischen Stadtmauer von etwa einem Kilometer Durchmesser umgeben. Und ziemlich genau mittendurch geht die Grenze. Im Norden die Türken, im Süden die Griechen dazwischen die Blauhelme der UN. Seit 1974!. Der längste Blauhelmeinsatz der Geschichte.

Wir stellen Bulli gleich außerhalb der Stadtmauer unterhalb des türkischen Checkpoints und in Sichtweite des Ledra Palace (dem UN-Hauptquatier) ab. Gut bewacht, verkehrsberuhigt, im Schatten großer Bäume und innenstadtnah. Ideal!

Die Altstadt ist schön. Viele kleine alte Häuser. Das ganze meist ziemlich heruntergekommen, aber lebens- und liebenswert. Ohne Grenze und Embargo, stünden hier vermutlich gentrifizierte Neubausünden.

Zwischendrin stoßen wir immer wieder auf die Grenze. (OK! Ja, weil wir’s drauf anlegen…)

Dann plötzlich der Fußgängergrenzübergang an der Haupteinkaufsstraße. Hier schnuppern die Pauschaltouristen aus dem Süden auch mal kurz in den Norden der Insel. Aber sie kommen nicht weit. Das Gebiet, auf dem sie sich bewegen, wo die Preise deutlich höher und in Euro sind, ist etwa vier Fußballfelder groß. Einige wenige kommen auch weiter. Die 500 Meter vom Grenzübergang entfernte Stadtmauer erreicht kaum einer. Sie bewegen sich vom Grenzübergang zur alten Karavanserei, deren Angebot komplett auf Touristen ausgerichtet ist, zur alten St. Sophia Kathedrale, die heute die Selimiye Moschee ist und zurück. Vielleicht sehen sie noch den Basar, der leider touristisch tot ist oder das alte türkische Bad, das Büyük Hamam – meist von außen.

Die Kathedrale / Moschee ist großartig. Als die Osmanen Zypern 1571 den Venizianern abnahmen, haben sie diese große gotische Kathedrale zur Moschee umgewidmet. Das heißt, sie haben alle bildlichen Darstellungen und Figuren entfernt, die Glockentürme zurückgebaut und durch ein Minarett ersetzt (das ein wenig wie angeklebt aussieht), die Bänke durch einen riesigen weichen Teppich ersetzt und die obligatorische Gebetsnische und Kanzel eingebaut. Da Kathedrale im Gegensatz zu einer Moschee, die schon immer Moschee war, nicht nach Mekka ausgerichtet ist, liegen Teppich, Gebetsnische und Kanzel schräg im Raum. Das ganze ist in seiner Wirkung umwerfend. Es strahlt auf uns eine quasi buddhistische Harmonie und Ruhe aus. (Um noch eine Religion ins Spiel zu bringen.)

Was uns hingegen beschämt und wütend macht, ist das Verhalten einer deutschen Reisegruppe. Die Frauen weigern sich relativ hartnäckig in der Moschee Kopftücher (die am Eingang hängen) anzulegen. Meinen zu bina, dass die Türken sich erst mal in unseren Kirchen ordentlich benehmen sollen. Die Antwort auf die Frage, wann sie zuletzt eine unpassend gekleidete Muslima in einer Kirche gesehen hätten, bleiben sie schuldig. Eine Frau, der ich auf den Kopf zusage, dass sie Protestantin ist, weil man so wie sie bekleidet auch keine katholische Kirche (die das hier ja mal war) betritt, verläßt darauf hin schimpfend das Gebäude. Der Rest der Gruppe will von seinem Touristenführer vor allem hören, wie die Muslime „unsere“ schöne gotische Kathedrale verschandelt haben. – Wo die Kreuzritter, die sie erbaut haben, doch ein Beispiel für Toleranz und Völkerverständigung waren. – Ich werde sarkastisch…

Wir finden ein Buchcafe, dessen Wände bis unter die etwa sechs Meter hohe Decke mit Büchern in Doppelreihen zugestellt sind. Sie haben auch etwa sechs Regalmeter deutscher Bücher, von denen bina drei kauft. Hier werden wir, so lange wir in Nikosia sind, jeden Tag unser Nachmittagskaffee oder Tee trinken.

Im Büyük Hamam haben die Tatsachen, dass es in jedem Reiseführer steht und es im 4 Fußballfelder großen Tourstengebiet liegt, auf Angebot und Preise durchgeschlagen. Es werden uns verschiedene Wellnessmassagen angeboten und der Preis für das normale Vollprogramm von Hamam, Schrubben und Massage beträgt 100€ pro Person.

Das andere Hamam der Altstadt liegt etwa 80 Meter außerhalb des Touristengebiets und steht nicht im Reiseführer, weil es nur knapp über 150 Jahre alt ist und nicht 450. Eigentlich ist es nur für Männer. Aber der Inhaber sagt uns, wenn wir um halb fünf kommen, kann er uns zusammen rein nehmen. Außer uns sind nur türkische Männer im Hamam. Und es ist erstaunlich, wie sie bina quasi kontaktlos durchschleusen. Während wir uns im Schwitzraum mit heißem Wasser übergießen und uns der Hitze hingeben, wird um die Ecke noch einer massiert. Während bina geschrubbt und massiert wird, kommt der nächste in den Schwitzraum. Und als bina fertig ist und ich drankomme, wird sie in den großen Umkleide- und Ruheraum gebracht und gebeten den Vorhang vor unserer Nische zu zuziehen. Alle Umkleide- und Ruhenischen haben solche Vorhänge. Mein eigener kleiner Harem! Als ich mit meiner Konkubine darin liege und mich wie neu geboren fühle, nachdem der Masseur mich nach allen Regeln der Kunst zerlegt hat, reicht er uns von außen Wasser durch den Vorhang. Die Situation, das Gebäude, die Geräusche, die Gefühle: Ein Traum aus 1001 Nacht.

Ach ja, und der Preis: umgerechnet 37€ für uns beide gemeinsam.

ein kleiner eingang in einem unscheinbaren haus. gleich rechts oder links der empfangstresen, eine kleine treppe hinunter in den großen aufenthaltsraum. ein wasserbecken in der mitte. umgeben von dicken mauern und ruhenischen. darin handtücher bereitgelegt, haken für die persönliche kleidung. die schuhe bleiben vor den nischen stehen. für wertsachen gibt es am eingang schließfächer. in der ferne rauscht wasser, es wird leise gesprochen, der raum ist kühl. wie angenehm nach der hitze der stadt.

durch eine kleine tür geht es ins bad. das rauschen des wassers wird lauter. ein scheinbares labyrinth aus räumen. jeweils ein, zwei oder drei wasserbecken an den wänden, beheizte bänke zum sitzen und/oder liegen. alles ist aus grauem marmor. die decke eine kuppel, einige steine mosaikartig durch glas ersetzt. teilweise bunt. diffuses licht und noch mehr stille. und hier feuchte hitze. nur das rauschen des wassers, das sich in unsere becken ergießt. mit schalen heißes wasser über den körper fließen lassen. entspannung pur. kaum vorstellbar, das auf der anderen seite der wand lefkosa tobt. michel und ich begießen uns gegenseitig, vergessen die welt draußen. dann holt mich der masseur ab. ich habe ihn nicht nach seinem namen gefragt. schade eigentlich. er heißt mich nackt auf einen warmen stein legen. kein grund zur scham. noch mehr heißes wasser über mir ausgekippt und dann werde ich mit einem rauhen handschuh abgeschrubbt. erst vorsichtig, aber als ich sage, er soll vergessen, daß ich eine frau bin und loslegen, legt er los. und scheint sich darüber zu freuen. vergißt keine hautfalte und wird doch nicht indeskret. bei den zehen fängt er an und hört bei den haaren auf. nebenan höre ich michel mit dem wasser planschen. mehr nicht.

wieder wasser auf mir, dann schaum. und dann holt der masseur jeden muskel aus mir raus und setzt ihn richtig herum wieder ein. es geht an die schmerzgrenze, aber nie ernsthaft darüber. hinterher brauche ich hilfe beim aufstehen. wohlig-wackelig fühle ich mich. liebevoll eingepackt in dicke handtücher husche ich in unsere nische, ziehe den vorhang zu und breche auf dem polster zusammen.

döse, fühle mich sauber wie noch nie. irgendwann schaut der masseur nach mir, deckt meine füße zu, freut sich, das es mir gut geht und geht wieder nach hinten, sich um michel kümmern.

später, nach dem bezahlen kommt er noch mal mit einem wohlduftenden eau de toilette, verabschiedet sich von uns persöhnlich.

wir verlassen das haus und die welt draußen kommt mir nach der stille der letzten stunden sehr unwirklich und laut vor.

Das Hamam vom Rande des Tourstengebietes aus photogaphiert. – Diese paar Meter reichen schon, um die meisten Touristen „fern“zuhalten.