Donnerstag 12.10.17
Unser zweiter Tag in Nikosia beginnt mit einem Gang zu Reinigung. Uns wurde eine „Laundry“ ein Stückchen außerhalb der Altstadt empfohlen. Der Laden heißt (Sprachspiel) „London Dry“, der Inhaber spricht hervorragendes Englisch und ist überzeugter Brite und Zyperntürke gleichzeitig. Seine Eltern sind irgendwann zwischen 1960 und 1974 nach England ins Exil gegangen, und er ist vor ein paar Jahren zurückgekommen. Es entspinnt sich ein interessantes Gespräch. Er hilft uns seine zypriotischen Landsleute besser einzuschätzen und gibt uns Tipps, was wir uns ansehen sollen. Dazu gehören unter anderem eine muslimische Beerdigung, das Haus eines Mafiosi und eine Oldtimerrallye mit Party. Zumindest die ersten beiden der hier genannten Tipps werden wir umsetzen.
Anschließend besuchen wir das „Museum des Nationalen Kampfes“, welches sich dem militanten Widerstand der türkischen Minderheit gegen die Griechen während der Endzeit der britischen Herrschaft über die Insel (also vor 1960) und der Zeit zwischen Ausrufung der Republlik Zypern und türkischer Invasion (also 1960 bis 1974) gewidmet ist, sowie natürlich türkischen Invasion von 1974.
Mich nervt an diesem Museum, dass es fast vollständig auf nachvollzieh- und belastbare Daten, Zahlen und Fakten verzichtet. Dafür schmeißt es mit wertenden Adjektiven nur so um sich. Die Griechen werden durchgängig mit Adjektiven wie „blutrünstig“, „feige“ und „unmenschlich“ versehen. Die eigenen Kämpfer mit „heldenhaft“ und ähnlichem. Diese Propagandasprache ist so plump, dass sie sich Außenstehenden gegenüber (also beispielsweise uns) sofort selbst verrät und disqualifiziert. Mit guter geschichtlicher Aufarbeitung und Aufbereitung würde das Museum hier mehr erreichen. Denn zumindest die Behandlung der Zyperntürken durch die Inselgriechen zwischen 1960 und 1974 (also zwischen Abzug der Briten und Invasion der Türken) ist eine Geschichte von Ghettos, Progomen und Vertreibungen. Bei Einheimischen, die diese Propagandasprache gewohnt sind, scheint sie leider zu wirken.
ich bin neugierig, ob es auf der griechischen seite auch ein ähnliches museum gibt und wie es aufgestellt ist. dieser pathos nervt mich total. mehr sachlichkeit und faktengenauigkeit wäre dem friedensprozess wesentlich dienlicher.
Nun ist das türkisch-griechische Verhältnis kompliziert und hat eine lange Geschichte, sowohl in Bezug auf den griechisch-türkischen Großkonflikt, als auch den zypriotischen Teilkonflikt. Wir sind hier derzeit noch dabei, uns Informationen, Zusammenhänge und Hintergründe anzueignen und uns eine fundierte Meinung zu bilden. Ich werde später versuchen, hier etwas dazu zu schreiben.
Anschließend gehen wir zum Verdauen des Gesehnen in unser Buchcafe und dann zum Abendessenkochen „nach Hause“ zu unserem Bulli.

Abends steht dann noch ein besonderer Kinobesuch auf dem Programm. Das Goetheinstitut veranstaltet im Oktober eine Kinoreihe mit englisch untertitelten deutschen Filmen in der UN-Zone. Genauer gesagt, zeigen sie die Filme im „Home for Cooperation“ (auch „H4C“), welches gleich gegenüber des UN-Hauptquartier am Ledra-Palace liegt. Das H4C hat ein Cafe und mehrere Seminar und Konferenzräume für Friedensgruppen, Treffen und Projekte. Und da es in der UN-Zone liegt können Menschen von beiden Seiten sich auf neutralem Boden treffen. Leider ist der Film schlecht besucht und hat eine Stunde früher angefangen, als in der Zeitung angekündigt. Und weil es ein ohnehin anstrengender Wim Wenders Film über Zwangsprostitution ist, in dem vor allem Russisch gesprochen wird, kommen wir nicht richtig rein. – Schade.

