Und sonst …

… als zöge sich eine schlinge zu

während michel sich mit schreiben über das aktuelle tagesgeschehen den streß und die anspannung von der seele schreibt und auch unsere kontakte mit infos versorgt, bin ich die „gonzo fraktion“ und berichte vom ganzen drumherum.

auch ich brauche ein ventil: katzen streicheln, küche machen und dekorativ mit offenen augen und ohren herumsitzen – das reicht nicht wirklich: es fühlt sich an, als zöge sich eine schlinge immer weiter zu.

diese kurzfristigen „closed militäry zones“, die spontan und jederzeit ohne begründung ausgerufen werden. immerhin haben wir dieses mal ein dokument und eine karte zu sehen bekommen.

die ablehnung, oliven ernten zu dürfen (allein schon, daß ein olivenhainbesitzer um ernteerlaubnis bitten muß) ist perfide und auch, dass die ablehnung nicht begründet wird der bauer soll sich mit einem „ist so“ zufrieden geben und weiß ganz genau: ab nächstem jahr gehört das land nicht mehr ihm und er weiß möglicherweise nicht, woher er geld zum leben für sich und seine familie nehmen soll.

das konsquente entfernen von mitstreiter/innen aus H2, europäischen wie palästinensischen, wobei die jungs von YAS hier sogar gemeldet sind und deswegen hier sein dürfen.

die zunahme der gewalt durch die siedler und deren dreistigkeit inklusive der wachsenden rigorosität der soldaten: den seitlichen teil unserer terrasse (der von der siedlung einsehbar ist), kann derzeit niemand mehr betreten ohne dass der wachsoldat einen laut und unfreundlich wegjagt – und möglicherweise eine razzia herbei ordert. währenddessen fallen die oliven mittlerweile von den bäumen und dienen den katzen als spielzeug.

das geht mir [bina] wirklich an die nieren und michel geht es auch so.

wenn ich morgens aufwache und nach einem meist erstaunlich netten traum realisiere, wo ich bin, habe ich sofort einen großen stein im magen, der tagsüber nicht verschwindet. es ist kein wunder, daß menschen im gebiet H2 herzinfarkte bekommen und magenbeschwerden haben.

nervennahrung

das sind die leckersten erdnussflips, die ich kenne. dagegen sind die heimischen wie trockene briketts: riesengroß, auf der zunge zergehend und mit sicherheit voll mit allem, was BASF und die nahrungsmittelchemie zu bieten hat. leider sind die packungen beklemmend klein und auch nur zu einem drittel gefüllt.

Schafschur

michel war mit seinen langen haaren bisher immer mehr als gut auszumachen. sei es für die soldaten, siedler oder die drohnen. ich bin mit meinen roten haaren und immer rock tragend auch gut zu erkennen, weshalb ich in zukunft einerseits öfter hosen tragen werde, und andererseits auf der terrasse eine dunkele kefiyye dabei haben werde, die ich mir über den kopf werfen kann.

ich werde mir bei nächster gelegenheit in H1 ein schwarzes tuch kaufen, das ist unverdächtiger. hoffentlich gibt es bald eine solche gelenheit. heute ging es für michel ans haareschneiden und jetzt sieht er aus wie: „michel war ein lausejunge aus nem dorf in schweden.“ aber so ein gutaussehender!

ganz schön viel arbeit!
es macht spaß …
… sieht aber ungewohnt aus.

so kurze haare hatte michel seit mitte der 1990er nicht mehr, und er sagt beim darüber streichen, es fühle sich dennoch ganz vertraut an.

der rasierer braucht erst mal pause, morgen ist der feinschnitt dran.

how to film

wir haben gestern von mohannad eine schnelleinweisung zum filmen von geschehnissen bekommen. das war mehr als hilfreich.

wie sollen wir die kamera halten (möglichst bewegungsarm mit beiden händen gegen wegnahme, dicht vor dem körper und im querformat), worauf achten wir, wenn wir aus den türluken heraus filmen (das gesicht nicht direkt vor die luke halten, es könnte von siedlern mit tränengas gesprüht werden), wie sollen wir beim filmen stehen (möglichst in einer ecke, mit blick auf die 2. person, die filmt, sodaß man schuß und gegenschuß hat) und was gehört nach möglichkeit in das filmchen, damit es verwertbar ist und als beweismittel taugt (beide seiten der auseinandersetzung).

mohannad macht es kurz, knackig und gut umsetzbar. ich muß ihn noch fragen, in welchem modus man am besten nachts filmt.

Habemus papam?

es sieht gefährlicher aus, als es ist. hier wird wohl müll verbrannt. das ist hier durchaus üblich. wir vermuten autoreifen, aber das wissen selbst die jungs von YAS nicht so genau.

issas katzen

eigentlich ein bild des friedens

issa freut sich sichtlich über die zutraulichkeit von lilith und erzählt, daß er vor dem 7. okt. 2023 drei kleine kätzchen bei sich aufgenommen hatte. die katzenmutter kümmerte sich nicht um sie, also hat er sie gefüttert und versorgt.

dann kam das massaker der hamas am 7. okt. 2023 und am 20. okt. wurde er aus seinem haus hinausgeworfen. er sagte noch zu den soldaten, sie mögen sich bitte kümmern und die katzen füttern, ließ extra die tür offen. die soldaten versicherten ihm, sie würden sich kümmern, er solle sich keine sorgen machen.

als er 16 tage später wieder in sein haus zurückdurfte, war die tür geschlossen und die kätzchen verhungert.

wir lernen: traue nie den worten von soldaten.

{mit Bestürzung behutsam redigiert von vS}