Siedlerausflug in die Kasbah

Sa. 6. Jan. 18

Jeden Samstag machen Siedler einen Spaziergang aus der von ihnen geschaffenen Geisterstadt heraus in die lebendige arabische Altstadt Hebrons.

letzte woche haben wir sie verpasst, da waren sie schon morgens unterwegs gewesen. heute streifen wir rechtzeitig in den straßen herum und warten. die bewohnerin eines der wohntürme in der kasbah erkennt uns wieder und lädt uns ein, auf ihr dach zu steigen. oben stellen wieder einmal fest, wie toll die kasbah ist. enge, verwinkelte treppenhäuser. gassen, die erst hinter schmalen torbögen anfangen, durchgänge hinter denen sich eine moschee, ein schöner innenhof oder (ja! tatsächlich!!!) ein dromedargehege befindet, auch wenn sich unsere vorstellung von artgerechter haltung von der des besitzers unterscheidet. jetzt wird uns klar, warum hebron keine stadtmauer brauchte und trotzdem uneinnehmbar war.

Dromedare mitten in der Altstadt vom Dach aus gesehen. – Wenn man es nicht weiß, klingen sie fast wie Kühe.
Über drei Stockwerke geht es auf die Gasse hinunter.
Die Nachbarn zur anderen Seite sind Siedler, gesichert durch Natodraht und Militärposten auf dem Dach in ihrem Neubau.
Wegen der Siedlernachbarn endet das Treppenhaus oben wie in einem Netz zum Schutz vor dem Müll, Unrat und Steinen, die die Siedler schmeißen.

ja, es soll jedem erlaubt sein, die kasbah zu besuchen. sie ist wirklich großartig und nicht umsonst UNESCO-weltkulturerbe. aber die siedler sind nicht einfach gäste. sie gehen dort spazieren, um ihren besitzanspruch zu demonstrieren. sie sind der grund, warum die UNESCO die kasbah zum bedrohten(!) weltkulturerbe erklärt hat. sie sind es, die ihre existenz bedrohen.

Am späten Nachmittag ist es dann soweit. Erst kommt ein Voraustrupp der Armee, sichtet die Lage, fordert den einen oder anderen Händler auf, seine Auslagen einzupacken um Platz für die Siedler zu machen, und besetzt einige Dächer. Dann kommen mit massiver Soldatenbegleitung die Siedler. – Sobald die Siedler erscheinen, verbieten die Soldaten uns das photographieren. Daher können wir manches nur von hinten zeigen.

Das Tor an der ehemaligen Osama-Grundschule, die jetzt eine Jeshive ist, wird aufgeschlossen.
Die Vorhut der Armee kommt heraus. Im Hintergrund warten schon die ersten Siedler.
Der Voraustrupp sondiert die Lage in der Kasbah. – Der Geflügelhändler rechts hat weiter geöffnet. Aber es wird erst einmal niemand kommen, um ein seinen Sonntagsbraten (oder was auch immer die hiesige Entsprechung dazu ist) zu kaufen.
Ein Teil des Voraustrupps riegelt eine Seitengasse der Kasbah ab (der schmale Durchgang links hinter dem Soldaten mit der Brille.), da ihre Kameraden von dieser Gasse aus einige Dächer besetzten.

dann erst ist der weg für die siedler frei. es wird englisch und hebräisch gesprochen. wäre die situation nicht so prekär, könnte man denken, es ist ein netter familienausflug. aber die anwesenheit der soldaten verhindern diese illusion. und die gesten der gäste, die uns und den bewohnern den stinkefinger zeigen und andere obszöne gesten in unsere richtung machen, zeugen auch von etwas anderem.

Gleich unterhalb der ehemaligen Grundschule, heute eine Siedlung, werden Erläuterungen abgegeben. Die Soldaten sichern die Siedler gegen die Passanten auf der Straße. Immer das Gewehr im Anschlag und immer ein wachsames Auge auf uns und die Bewohner. – Da etwa die Hälfte der Siedlergruppe kein Hebräisch spricht, werden die Erläuterungen auch auf Englisch übersetzt. Dem Akzent nach kommen sie aus den USA.
Diese Drei sind während der Ansprache damit beschäftigt uns und die Anwohner mit obszönen Gesten zu beleidigen. Würden die Palästinenser reagieren so würden die Soldaten vermutlich gegen sie (die Palästinenser) vorgehen.
Ein paar Händler wahren ihre Standhaftigkeit. Dieser hat nur seine Tische drinnen stehen gelassen, aber backt weiter seine Pfannkuchen, die in der Stadt außerordentlich beliebt sind.
Gut abgeschottet und gesichert geht es zu weiteren Häusern, wo auch Erklärungen abgegeben werden. Der blonde Soldat mit Brille ganz links ist der Truppführer und störte sich besonders am Photogaphieren. – Tut uns leid, eine Besatzung produziert nun einmal unschöne Bilder, wir nehmen sie nur auf.
Auf diesem Dach haben wir vorher selber gestanden und haben herunterphotographiert. Aber diese Herren sind sicherlich nicht so freundlich eingeladen wollen.

die siedler flanieren noch ein bischen und kehren dann um.

das tor wird wieder zugeschlossen und die bewohner und händler können mit ihrem alltag weiter machen. diesmal bleibt es friedlich. aber manchmal gibt es ärger.

Unter massiver Soldatenpräsenz geht es wieder zurück zum Ausgangspunkt. Man beachte ganz rechts den Siedler mit dem weißen Hut und dem privaten Maschinengewehr. Es ist ganz normal, daß Siedler mit privaten Gewehren offen durch die Gegend laufen.
Und nächsten Samstag geht das Spiel wieder von vorne los.