So. 7.Jan 18
Alte und neue Apartheidstraße
Nein, wir sind nicht in Südafrika. Wir sind mitten in der Geisterstadt Hebrons. Aber es ist genau so wie damals in Pretoria oder Kapstadt. Es gibt hier in Hebron die alte und die neue Apartheidsstraße. Also eine Straße, die nur von Siedlern (und Ausländern) betreten werden darf. Palästinenser werden auf den schmalen Seiternstreifen verbannt. Die Soldaten an den Checkpoints passen darauf auf, dass sich die Palästinenser daran halten.

Die Mauer stand bis ins Jahr 2012 auf der A Sahla-Street. Sie begann am Checkpoint gegenüber der Souvenierläden und endete, wie man sieht, nach kaum hundert Metern. Dort mußten Palästinenser links abbiegen, geradeaus weiter ging es nur für Israelis und Ausländer. Der Teil links der Mauer ist breiter und asphalitert denn Siedler dürfen hier im Gegensatz zu palästinensern Autos fahren.

Als im Jahr 2012 ein Fernsehsender einen Bericht über die Apartheidstraße brachte und sich daraufhin weitere Presse ankündigte, lösten sich die Sicherheitsgründe wortwörtlich von heute auf morgen in Luft auf, und die Mauer verschwand über Nacht.

Sie ist ein Teilstück der sogenannten Prayer-Road, auf der Siedler der Siedlung Kiriya Arba freitags zum Shabbatgebet in die Geisterstadt kommen. Rechts der asphaltierte breitere Teil für die Siedler. Die Sperre wird bei Bedarf geöffnet. Für die Siedler. Nur die Katzen dürfen kommen und gehen wie sie wollen.




Jedes Mal, wenn sie geöffnet wird, ertönt ein gellend lauter Piepton, den auch die ganze palästinensische Nachbarschaft hört. Angeblich, damit die Soldaten am unteren Checkpoint informiert werden. Manchmal kleben die Anwohner den Schalter ab, damit es nicht so piept und nervt.
Nachbarschaftsfeuer als Widerstand
Es ist kalt. Hinter dem Zaun an der Apartheidstraße haben sich Anwohner des dahinter liegenden Viertels um eine Feuertonne versammelt. Kinder spielen, der Laden hat geöffnet, der Inhaber verteilt umsonst Saft und Nüsse. Ein ganz normaler Januarabend in Hebron?
Nein, friedlicher Widerstand gegen Zaun, Apartheidsstraße und Beschränkung der Bewegungsfreiheit. Zusammenkünfte dieser Art sind hier eigentlich verboten. Beziehungsweise: sie müssen genemigt werden – was nicht geschieht. Das heißt zuende gedacht, daß jede Hochzeit, jede Geburtstagsfeier illegal ist.






So friedlich sieht die Stadt von oben aus. Rechts am Bildrand neben der Abrahamsmoschee liegt die Apartheidstraße und im Viertel dahinter sitzen hoffentlich Menschen um eine Feuertonne – unbehelligt von Soldaten und Siedlern. In den nächsten Wochen werden sie abends immer wieder zusammen kommen, Feuer machen, erzählen, die Gemeinschaft genießen und demonstrieren.

Beobachtungsschniepsel
wir hatten mittlerweile mal wieder einen richtig heftigen regentag, den wir zum ausruhen im bett verbracht haben. am nächsten tag ist hebron irgendwie verändert. frischer, sauberer. wir brauchen eine weile, bis wir herausfinden, was es genau ist: die stadt ist plötzlich so grün! in den kleinsten nicht-betonierten ecken sprießt es plötzlich. in den vorgärten leuchten rasen, rosen und andere büsche in grün, rot und pink. selbst beim blick über die stadt fällt das auge auf grüne hänge. nach dem ewigen braun und grau ist das ein moment des aufatmens.

dieser hund lungert immer an einem wachposten in der shuhada-straße herum. jedes mal fallen wir auf ihn rein, wenn er mitten auf der straße in der sonne liegt.
wenn wir vorüber gehen oder mit dem soldaten am posten plaudern, hebt er vielleicht mal müde den kopf. aber das wars dann auch. ich bin immer erleichtert, wenn er sich – noch – bewegt.

