Wochenende in Tel Aviv

Donnerstag bis Sonntag, 16.–19.11.2017

Am Donnerstagabend wollten wir eigentlich in einen angesagten Club. Aber wir kommen nicht rein, denn der Dresscode hier ist: „Ganz in Schwarz!“ – Wer mich kennt, weiß, dass es eine Ironie des Schicksals ist, dass ausgerechnet ich am Dresscode „Ganz in Schwarz“ scheitere! Denn im Alltag trage ich eigentlich nur Schwarz. Aber heute abend hatten wir uns extra fein zurecht gemacht. Ich mit weißem Hemd, bina mit rotem Pettycoat. – Naja, machen wir halt einen schönen Stadtspaziergang und setzen uns dann mit zwei Gläsern gutem Whisky in die laue Sommernacht… pardon: „in die laue Novembernacht“.

Am Freitagmittag radeln wir zum Einkaufen nach Bnei Brak. Die Stadt liegt gerade einmal fünf Kilometer vom Tel Aviver Stadtstrand entfernt und ist das krasse Gegenteil der weltoffenen Partystadt Tel Aviv, welche als schwulenfreundlichste Stadt der Welt gilt, noch vor San Francisco. Bnei Brak ist eine der Städte, in denen nur (oder fast nur) ultra-orthodoxe Juden, die Haredim, leben. Die durchschnittliche Haredimfamilie bekommt 6,5 Kinder, der Großteil der Männer arbeitet nicht, sondern widmet sich voll und ganz dem Thora-Studium. Die meisten Haredimfamilien leben daher unterhalb der Armutsgrenze und finanzieren sich von der Sozialhilfe. Grundnahrungsmittel sollten hier also billig sein.

Als erstes fällt die Kleidung der Haredim auf. Man sieht sie in Israel auch sonst überall im Straßenbild (OK, nicht am Schwulenstrand oder in der irischen Kneipe…), aber hier treten sie geballt auf. Die Männer mit langen schwarzen Mänteln, Hüten, langen Schläfenlocken und Bart. Die Frauen mit Perücke oder Kopftuch, mit alles bedeckenden Pullovern oder Jacken und langen Röcken. Auch wir haben uns entsprechend züchtig gekleidet und passen uns im Verhalten an. Kein öffentliches Händchenhalten, keine Personen photogaphieren.

Als nächstes fallen uns die vielen fest installierten Spendendosen an der Straße auf:

Acht Spendendosen: Fünf auf den Pollern, zwei am Anfang des Zaunes (ja das große ist eine Spendendose für Sachspenden) und eine links an der Rückseite es Laternenmastes

Was hier hingegen vollkommen aus den Straßenbild verschwunden ist, sind Werbeplakate, auf denen Frauen abgebildet sind. Und ja, hier fahren Buslinien, in denen die Männer vorne und die Frauen hinten sitzen.

Das Ganze wirkt wie aus der Zeit gefallen, wie ein osteuropäisches jüdisches Städel aus dem 18. Jahrhundert. Weil heute mit der Abenddämmerung der Sabbat beginnt, ist reichlich Trubel in den Straßen. Überall wird eingekauft und Lebensmittel nach Hause getragen. Man sieht vor allem Männer einkaufen. Die Frauen stehen wahrscheinlich daheim am Herd. In den Bäckereien wird ein süßes Teiggebäck verkauft, das vermutlich eine besondere Rolle beim Sabbathmahl spielt, weshalb es weggeht wie warme Semmeln und erstaunlich teuer ist.

Rechtzeitig, bevor hier die Straßen zum Sabbath abgesperrt werden, und jeder, der die Sabbathruhe bricht, mit Steinen beworfen wird, verschwinden wir.

Die Räder stehen an den bereitstehenden Sabbath-Straßensperren. Wer trotzdem durchfährt wird wortwörtlich gesteinigt.

Die Haredim stellen für Israel mittelfristig ein ernsthaftes Problem dar. Derzeit machen sie knapp 20% der Bevölkerung aus (Palästinenser in Westbank und Gaza nicht mitgerechnet). Ihre Zahl verdoppelt sich wegen der vielen Kinder etwa alle 20 Jahre. Sie lehnen weltliche Bildung ab (und haben soeben das Recht erstritten, in ihren Schulen Mathe und Englisch durch zusätzliche Thorastudien zu ersetzen). Sie beteiligen sich kaum an der Erwerbsarbeit und gehen nicht zur Armee. Und sie versuchen zunehmend und mit wachsendem Erfolg den säkularen Israelis ihre Regeln aufzuzwingen. – Wieviel Prozent Haredim kann Israel tragen? Spätestens bei 50% ist Schluss!

eigentlich wollte ich diesen beitrag schreiben, aber ich merkte, daß ich mir unendlich mühe geben muß, nicht bissig, abwertend oder zynisch zu klingen, angesichts der religiösen verbohrtheit, die haredim an den tag legen.

ich finde, das jede und jeder seine religion ausleben soll, wie er oder sie möchte. aber wie weit darf man damit gehen, weniger oder andersgläubigen menschen ins leben einzugreifen?

Während die Haredim ihr Sabbathmahl begehen, befinden wir uns im Molly Bloom’s, „unserem“ Irish Pub in Tel Aviv. Und bina spielt wieder bei der traditionellen Session mit.

Am Samstag machen wir einen Strandtag:

Diesmal nicht am Schwulenstrand.

Und Sonntag nutzen wir, um unseren riesigen Wäscheberg in einem öffentlichen Waschsalon zu waschen, wobei wir drei Industriewaschmaschinen parallel belegen. Am Abend fahren wir dann zurück nach Jerusalem.

Walled-Off Hotel Betlehem

Dienstag, 21.11.2017

wir haben die letzte woche mehrfach versucht, kontakt zum ‚alternative information center‘ (dem ‚aic‘) in jerusalem aufzunehmen. aber das kleine büro war immer geschlossen und telefonisch war niemand zu erreichen.

wir sind erstaunt darüber. vor sechs jahren hatte das ‚aic‘ noch große räume, in denen etliche leute regelmäßig arbeiteten. vor einiger zeit hatte israel europäische staaten beschuldigt, pro-palästinensische ngo’s finanziell zu unterstützen und damit den israelischen staat zu untergraben. wahrscheinlich ist das ‚aic‘ ein opfer davon.

also fahren wir nach bethlehem, das dortige büro suchen. bethlehem liegt vor den toren jerusalems und ist doch eine andere welt. als erstes stößt man auf dies hier:

Derselbe Checkpoint auf dem Rückweg. Auf dem Hinweg waren wir zu aufgeregt.

Die Entfernungen hier sind nicht weit. Vom Jaffator der Jerusalemer Altstadt zum Tor in der Sperrmauer bei Betlehem sind es gerade einmal 5km.

die soldatin am checkpoint will wissen, woher wir kommen, wohin wir wollen und schaut in die pässe. die straßen werden schlechter, überall liegt müll herum. die häuser befinden sich oft in einem zustand zwischen rohbau und ruine. was fehlt, sind fertige häuser. es fängt massiv an zu regnen (das liegt aber an petrus und nicht an der besatzung palästinas) und das wasser spült in bächen den staub die straßen hinunter.

die suche nach dem aic-büro ist schwierig. die adresse auf der homepage gibt es nicht, straßen haben oft gar keine namen und wenn wir fragen, stimmt die wegbeschreibung nicht unbedingt. aber beim büro des geldwechslers haben wir glück, er weist uns den weg. und im büro begrüßt uns ‚n…‘ herzlich. er kontaktiert sofort ‚c…‘ vom aic-jerusalem, die wir noch von unserer reise ins heilige land im jahr 2011 kennen. Und ‚c…‘ verabredet sich morgen abend mit uns. dann läßt ‚n…‘ noch einen freund kommen, der uns hilft, eine neue gasflasche für bulli zu besorgen, die nach 3 1/2 monaten täglichem gebrauch leer ist.

Dass in Bethlehem alles außer der Geburtskirche so schwer zu finden ist, hat System. Israel hat immer noch die Kontrolle über die Straßennamen und Straßenschilder. Und da die Palästinenser aus israelischer Sicht quasi nicht existieren, gibt es für sie auch keine Straßennamen. In Ostjerusalem ist es das Gleiche wie in der Westbank. Nur die Straßen der Siedler haben Namen und die Straßen, die in den Ballungsgebieten liegen, in denen die palästinensische Autonomiebehörde die volle Kontrolle hat (Area „A“) haben Namen. Diese „A“-Zonen liegen wie ein Archipel von Inseln verstreut in der israelisch kontrollierten Westbank (Area „C“). – Der ungläubige Leser kann sich ja einfach einmal West- und Ostjerusalem auf Google-Maps ansehen.

Und es gibt noch etwas, woran man arabische Dörfer im israelischen Kernland, arabische Stadtteile in Jerusalem und alles, was keine Siedlung ist, in der Wesbank erkennt: die großen Wassertanks. Die Israelis haben kleine weiße Wassertanks aus Metall auf dem Dach. Die Palästinenser haben deutlich größere schwarze Wassertanks aus Plastik auf dem Dach. Sie fassen etwa das zehnfache der israelischen Tanks. Denn immer, wenn das Wasser knapp wird, wird den Palästinensern das Wasser abgedreht. Und das ist hier jeden Sommer der Fall. Dass die Tanks aus Plastik und nicht aus Metall sind, hat den Grund, dass man Plastiktanks einfacher flicken kann, wenn Soldaten oder Siedler Löcher hineinschießen. 

Große Wassertanks auf den Dächern in Betlehem

abends gönnen wir uns dann einen guten tee im walled off – hotel:

Der Eingang des Walled-Off Hotels

dies hotel ist von banksy gestaltet worden, einem großartigen links-politisch ambitionierten graffiti-künstler aus england, der schon seit jahren die sperrmauermauer oder die wände in flüchtlingslagern besprüht und mittlerweile sehr bekannt ist.

es gibt eine schöne geschichte, (ich weiß nicht mehr, in welcher deutschen zeitung ich sie gelesen habe): er hatte in einem flüchtlingslager eine wand gestaltet. der besitzer und bewohner des hauses hat die wand herausgetrennt und das bild für sehr, sehr viel geld verkauft. davon konnte er sich und seiner familie ein großes, gutes haus bauen und seine kinder zur schule schicken. das war durchaus in banksys sinnne.

er arbeitet schon lange künstlerisch gegen die besatzung und hat aus diesem haus, das direkt an der mauer steht, mit anderen künstlern aus palästina ein hotel gemacht. jedes zimmer ist von einem anderen künstler gestaltet. es ist offen für alle, hat 50 mitarbeiter und eine hervorragende ausstellung zum thema mauer und besatzung. es ist ein kreatives gegenstück zum oft bedrückenden, schwierigen leben in der westbank und soll ein anfang von noch weiteren kreativen ansätzen sein. touristen sollen auf die umstände der westbank aufmerksam gemacht und informiert werden. und es ist ausgebucht. aber wir werden irgendwann noch mal eine nacht hier schlafen. das muß sein.

Doch heute schlafen wir im Bulli an der Mauer (gut bewacht vom israelischen Militär). Hier noch ein paar Photos aus dem Walled-Off Hotel:

Michelangelos David: vermummt im Tränengasnebel
Zerstörung des Hauses einer Familie als klassisches Gemälde
Chesterfieldsofa mit Panoramablick auf die Sperrmauer
An der Rezeption (die hier „Rejection“ heißt) will eine Katze der Friedenstaube ans Leben.
Banksy zitiert sich selbst. Sein berühmtestes Graffito aufgeteilt in drei Gemälde und mit echtem (Plastik-) Blumenstrauß.

 

Sperrmauer in Betlehem

22. Mittwoch:

wir stehen mit bulli am straßenrand vor der mauer, haben hervorragend geschlafen und sitzen grad gemütlichst beim frühstück mit tee, pitta, hummus und michels geliebtem israelischen schokoaufstrich. um uns läuft zu dieser frühen stunde schon die erste busladung chinesischer touristen herum und besichtigen diesen teil der mauer.

und dann entdecken sie uns!

der erste lacht und grüßt nur, die zweite bemerkt, daß wir in einem kleinen wohnmobil sitzen, der dritte hat zwar keinen kontrabass, aber eine kamera und fotographiert uns. und dann wollen alle ein foto. wir sollen die vorhänge beiseite schieben, die fenster aufmachen, uns vor- und zurücksetzen der perspektive wegen, es wird in den bulli, durch bulli hindurch die mauer geknipst, was das zeug hält.

ich nehme einen schluck tee aus meiner schale, das wollen sie auch ablichten und zwar alle! und bitte noch mal mit dem handy und ein drittes mal mit dem tablet.

leider ist unsere kamera grad hinten beim aufladen, daher können wir uns nur mit dem handy ‚zurückschießen‘. aber wir alle haben spaß. die chinesen bedanken sich immer wieder aufs allerhöflichste und ziehen lachend von dannen.

was war dann denn bitte!!!!

Vier chinesische Touristen vor dem Schiebefensterchen unseres Bulli. Der Rest steht noch an, oder ist schon durch.
Die Sperrmauer, von unserem Schlafplatz aus gesehen.

nach dem frühstück schauen auch wir uns die mauer an. neben der mauer selbst gibt großartige graffiti und eine ganze reihe von plakaten mit texten zur besatzung, zur lebenssituation der palästinenser zu besichtigen. eines der plakate erzählt davon, dass das ein bestimmtes tor in der mauer sich nur einmal im jahr, am heiligen abend für den lateinischen patriarchen von jerusalem öffnet. sozusagen das letzte türchen vom adventskalender, nur einmal im jahr und nur für ihn. niemand darf es sonst benutzen.

Das Plakat mit der Geschichte.
Das Tor, das sich nur am Heiligabend öffnet und nur für den lateinischen Patriarchen von Jerusalem.

und dann das haus, das von drei seiten eingemauert ist. darin befinden sich zwei souvenierläden und die bewohner dürfen nur mit sondergenehmigung der israelischen armee aufs dach.

Ursprünglich wollte die Armee das Haus abreißen, und hat die Familie darin 40 Tage und Nächte belagert. Aber sie haben durchgehalten und haben jetzt ein Haus mit unverbaubarem Blick auf die Mauer.

Das Haus, das von drei Seiten von der Mauer umgeben ist.

auf der anderen seite der mauer befindet sich das grab der rahel, ein wichtiger pilgerort für frauen mit kinderwunsch.

Das Grab der Rahel liegt in Betlehem und das Gebäude darüber ist sowohl Moschee, als auch Synagoge. Genau genommen war es in den letzten Jahrhunderten im wesentlichen eine Moschee. Aber damit die jüdischen Gläubigen ungestört beten können, hat Israel die Straße vom Stadtrand zum Grab der Rahel links und rechts mit einer Sperrmauer versehen und eine Sackgasse geschaffen an deren Ende das Grab, ein Militärposten und ein Pilgerparkplatz liegen. (Die Bilder hierzu kommen unten).

an einem original von banksy kommen wir auch vorbei. gegenüber dieser taube, direkt in schußrichtung, steht ein bemannter wachturm der israelischen armee. was sich die soldaten wohl denken, wenn sie jeden tag darauf schauen müssen?

Die Friedenstaube, eines von Banksys bekanntesten Werken.

das ist das geniale an banksys bildern. sie haben nie nur eine betrachtungsebene. es gibt immer etwas, für das man ‚um die ecke denken‘ muß und was entdeckt werden will.

z.b. das mädchen, das den soldaten filzt (wer mich kennt, hat mich das t-shirt mit dem bild schon tragen gesehen – das original ist übrigens auch in betlehem), ist nicht irgendein mädchen, sondern eine figur aus dem ‚zauberer von oz‘. damit führt er eine für palästinender alltägliche situation noch mal auf ganz besondere weise ad absurdum und erhöht damit die kritik an der besatzung.

das walled off-hotel gehört auch dazu. nur in dreidimensional.

Im Gegensatz zu den Palästinensern können wir ganz einfach durch die Mauer auf die andere Seite gelangen. Zehn Minuten am Checkpoint anstehen, deutsche Pässe zeigen und durchgewunken werden.

auf der anderen seite wollen wir uns noch das grab der rahel anschauen. nicht, weil ich unbedingt noch kinder haben will, sondern weil es exakt auf der anderen seite der mauer ist, die wir uns angeschaut haben.

wir müssen durch einen checkpoint hindurch, an dem wir gefragt werden, ob wir moslime sind. die dürfen da nämlich nicht hin. dabei war dieser pilgerort vor jahren … eine moschee!!! die straße ist rechts und links eingemauert. wir können den dachfirst vom walled-off hotel sehen und die wassertonnen von dem haus mit den souvenierläden.

Die Straße zum Grab der Rahel.

vor der stätte wimmelt es von pilgern, jung und alt. frauen und männer haben verschiedene eingänge und verschiedene bereiche am grab. bei den frauen wird einerseits am grab intensiv gebetet, im vorraum aber kaffee getrunken und geplaudert.

Bei den Männern auf der anderen Seite der Abtrennung geht es deutlich inbrünstiger zu. Alles ist tief ins Gebet versunken. Mir wird bei all diesen im Gebet vor und zurück wippenden Männern fast schwummerig. Und ich kann nicht widerstehen sie heimlich zu photogaphieren.

Betende Haredim am Grab der Rahel.

Anschließend fahren wir zu unserem Stammparkpatz in Jerusalem und treffen am Abend C… im AIC-Büro. N…, der hauptamtliche Mitarbeiter im Betlehemer AIC-Büro, ist hier übrigens noch nie gewesen, obwohl es nur 7km und eine Mauer von seinem Büro entfernt liegt. C… ist hoch erfreut uns wiederzusehen und will uns in den nächsten Tagen weiter vermitteln. (Wohin und warum erklären wir, wenn es soweit ist.)

Kloster der Versuchung, Jericho

23. Donnerstag:

Die Straße von Jerusalem runter nach Jericho und zum Toten Meer ist gleich auf mehrere Weisen ein Erlebnis. Erstens fährt man im letzten Stadtteil von Jerusalem, der sich noch komplett nach „mitten-in-der-Stadt“ anfühlt, in einen kaum einen Kilometer langen Tunnel, um am Tunnelausgang sofort mitten in die Judäische Wüste teleportiert wiederzufinden.

Judäische Wüste zwischen Jerusalem und Jericho.

Zweitens geht es auf kaum 40km Strecke von 800m über dem Meeresspiegel auf 400m unter den Meeresspiegel. Wir haben regelrecht das Gefühl in die Erde hineinzufahren. Drittens fährt man zwar durch die Westbank, fühlt sich aber wie in Israel, weil man sich auf einer israelischen Bypassstraße befindet. Und viertens ist da das leicht verstörende Wohlstandsgefälle zwischen den israelischen Siedlungen und den Beduinenlagern neben der Straße.

Vorne ein Beduinenlager, hinten eine israelische Siedlung.

vorne eine berber- sprich nomadensiedlung, in der unter schwierigsten bedingungen gelebt wird, dahinter die schicke jüdische siedlung mit allem, was das herz begehrt. vor allem wasser.

mich macht das jedesmal wütend. es ist so ungerecht. ich wünsche mir, das uns c… vom aic so schnell wie möglich etwas zu tun gibt, sonst halte ich solche bilder nicht lange aus.

unten im jordantal angekommen biegen wir nach jericho ab, der ältesten stadt der welt.

wir verlassen die israelisch kontrollierte c-zone und begeben uns in die palästinensisch kontrollierte a-zone.

Warnschild an der Straße nach Jericho.

über die angebliche gefahr muß ich immer lachen. ich bin sicher, wir werden überaus beglückt empfangen. endlich kommt mal jemand zu besuch. als ausländer dürfen wir ohne weiteres in die a-zone hinein.

ein bummel durch die stadt ist obligatorisch. im gemüseladen, wo wir unsere vorräte auffrischen, gibts erst mal zwei in der oase jericho angebaute bananen auf die hand und ein großes hallo. endlich kommen mal fremde. und dann von so weit weg aus deutschland. und sie können sogar ein bischen arabisch! stundenlang sitzen wir an der straße bei einer argila, wie die shisha (wasserpfeife) hier heißt, und tee. wir sehen uns an den menschen und dem straßenwirrwarr nicht satt.

Michel im Straßencafe mit Argila. („Ich glaube ich gewöhne mir hier ein Laster an.“ Zitat: Harold zur Wasserpfeife im Film „Harold and Maude“)
Eine Auto-Kalorien-Bombe.
Straßenszene – Schnappschuß.
Mit einer Pferdestärke gehts auch.

auch wir werden angeschaut. von den erwachsenen diskret, von den kindern mit großen kulleraugen. dass eine frau an der straße argila ist vielleicht ungewöhnlich. und dann noch ohne kopftuch. aber ich denk mir: wenn ihr wollt touristen haben wollt, müßt ihr damit leben, daß sie anders sind als ihr. hier wird frischer zitronensaft ins pfeifenwasser gemischt. das gibt dem ganzen etwas sehr frisches. das müssen wir uns für zu hause merken.

Wobei wir (um vorzugreifen) spätestens in Ramallah lernen werden, dass vor allem jüngere palästinensische Frauen das Im-Cafe-Sitzen und das öffentliche Rauchen der Argila nicht mehr den Männern überlassen. Dort sehen wir in vielen Cafes junge Frauen zu zweit oder in kleinen Gruppen zusammensitzen. Oft auch mit Argila.

manchmal kommt ein reisebus voller touristen vorbei. das wirkt dann immer wie ein kreuzfahrtschiff in venedig. da sieht man die stadt vor lauter hochhaus auf dem wasser nicht. allerdings mit dem unterschied, daß der bus richtung kloster der versuchung vorbei fährt und nicht den ganzen tag die straße versperrt.

Naja, so groß sind die Busse auch nicht. Aber sie wirken schon wie UFOs, mit ihren Insassen, die sich von ihrem sicheren israelischen Hotel mit dem Reisebus durch diese arabische Stadt (Die sie vermutlich niemals betreten würden! – Wer weiß, welche Gefahren hier lauern!) zu ihrer Sehenswürdigkeit fahren lassen. Überhaupt ist es erstaunlich, wie gut die Reiseveranstalter es schaffen, die meisten Touristen und Pilger ohne wirklichen Kontakt zur arabischen Bevölkerung durchs Land zu schleusen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die meisten Pilgerziele in arabischen Städten oder Stadtteilen liegen: Ostjerusalem, Betlehem, Jericho, Nazareth und so weiter. Aber die Hotels liegen fast alle im israelischen Gebiet.

etwas außerhalb liegt der „tel es sultan“, das alte jericho, mit dem ältesten gebäuden der welt. und gleich davor die quelle des elias. hier waren wir schon vor 6 jahren und wollen dort auf dem parkplatz schlafen. die baustelle von damals ist mittlerweile ein großes souvenier-geschäft nebst restaurant. pfauen stolzieren herum, ein dromedar liegt neben der quelle und der mensch dazu wartet auf touristen, die eine runde um den platz reiten wollen.

Wir stellen Bulli ab und ziehen die Wanderschuhe an. Wir haben noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang, das reicht für eine Kurzwanderung zum Kloster der Versuchung.

Kloster der Versuchung.

Eins muß man der griechisch orthodoxen Kirche lassen. Sie hat ein gutes Händchen bei der Ortswahl für ihre Klöster. Schlicht und ergreifend atemberaubend!

Im Inneren des Klosters befindet sich der Stein, auf dem Jesus 40 Tage lang gefastet und meditiert haben soll, nachdem ihn Johannes im Jordan getauft hat. Und auf dem ihm der Teufel in Versuchung geführt haben soll.

„Ich kann allem widerstehen, außer der Versuchung.“ Zitat: Oscar Wilde

kaum sind wir rechtzeitig zum sonnenuntergang zurück am bulli, kommt jemand angelaufen und fragt, wer wir sind. er ist der nachtwächter, der immer wieder ankommt und neugierig auf bullis innenleben ist. er hat nichts dagegen, daß wir hier schlafen wollen. im gegenteil. er verspricht, das er ganz besonders auf uns aufpassen wird. ich koche tee und fange das schnippeln fürs abendessen an. der nachtwächter bekommt von beidem etwas ab. ich muß es ihm richtig aufdrängen. von arabischer gastfreundschaft lernen heißt siegen lernen.

dann kommt der nächste mensch, der sich als manager des komplexes herausstellt. wir denken schon, wir werden weggeschickt, weil es dunkel ist, der laden schließt und das große eingangstor auch. aber nichts da. wir sollen uns hier sicher fühlen, er heißt uns willkommen und wenn wir etwas brauchen, sollen wir bescheid sagen. michel packt den rechner zum blogschreiben aus, wir machen es uns nett und dann erscheint ein weiterer mensch, der besitzer des restaurants, und stellt ihm eine argila hin. mit kohlebecken zum selbst bedienen. 15 min. später kommen zwei tassen kaffee. und noch später große becher mit landestypischer zitronenlimonade. eine gruppe jungs gesellt sich mit eigener argila zu uns und michel hat schwierigkeiten, ihnen klar zu machen, daß wir morgen nicht zum lunch ins flüchtlingscamp kommen können (eine einladung zum gratisfrühstück im restaurant hatten wir vorher schon abgelehnt) und auf die angebotene stadtführung leider verzichten müssen. und die quelle des elias sprudelt ihr rauschendes lied dazu. was für ein wunderbarer abend.

ja, in palästina ist es sehr gefährlich. ständig muß man sich vor der herzlichkeit der menschen in acht nehmen!

Von links nach rechts: Jugendlicher aus dem Flüchtlingslager, bina, Restaurantbesitzer, Typ im gelben Pullunder, Nachtwächter.
Vorne versucht Michael verschiedene Einladungen abzuwehren, dahinter sprudelt die Quelle des Elias, und oberhalb davon sieht man die berühmten Mauern von Jericho (Posaunespielen verboten!)

 

Wadi Qelt, Georgskloster, Totes Meer

Fr 24.11.17

Morgens nutzen wir unsere Poleposition und besichtigen gleich bei Toresöffnung um 8.00 Uhr den Tel es Sultan. So früh am Morgen haben wir die Anlage ganz für uns alleine. Am Beeindruckendsten ist dieser Turm:

Ältestes Gebäude der Welt: 8.500 vor Christi. Rechts darüber unsere Schatten in der Morgensonne 🙂

Er macht verglichen mit Stonehenge, der Akropolis und der Cheopspyramide auf den ersten Blick nicht viel her. Aber im Verhältnis zu diesem Turm sind die genannten drei Gebäude Neubauten. In Jericho ist eine durchgehende Besiedlung seit etwa 9.000 vor Christi nachgewiesen. Und dieser Turm wird auf 8.500 vor Christi datiert. Er ist also 10.500 Jahre alt und somit das älteste erhaltene Gebäude der Menschheit. Und er beherbergt auch die älteste Treppe der Welt:

Die obersten Stufen der älteste Treppe der Welt.

Jericho verdankt seine Existenz der Quelle des Elias. Der Prophet soll das bis dahin ungenießbare Wasser der Quelle in Trinkwasser verwandelt haben. Jericho ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Oase.

Erstaunlich grün! Jericho ist eine Oasenstadt.

 

Kein Wunder, dass dies einer der Orte ist, an dem die Menschen das Nomadenleben aufgaben und seßhaft wurden. Wobei sie, so vermuten wir, allerdings kein Getreide anbauten, sondern Bananen, Datteln und so weiter.

Die zweite große Sehenswürdigkeit sind natürlich die Mauern von Jericho. Sie waren für ihre Zeit gigantisch und galten als uneinnehmbar. Da es aber einfache Trockenmauern ohne Zement oder ähnlichem waren, waren sie nicht Erdbebenfest. – Eine andere Theorie besagt, dass sie keinen Posaunen standhalten konnten.

Die Mauern von Jericho.

Unser heutiges Hauptvorhaben ist eine Wanderung den Wadi Quelt der entlang zum Georgskloster. Doch zunächst erwischen wir die falsche Straße, die uns wortwörtlich „in die Wüste“ führt. Doch die Wüste entschädigt uns mit ihrer grandiosen Landschaft:

Grandiose Wüstenlandschaft.
Noch mehr grandiose Wüstenlandschaft.

Als wir den richtigen Startpunkt gefunden haben, dort wo der Wadi aus seinem Canyon in die Ebene fließt (wenn er fließt). Geht es von dort bis zum Georgskloster anderthalb Stunden lang immer an der Felswand entlang in angenehmer Steigung bergauf Richtung Jerusalem. Ein Stück weiter, hinter dem Georgskloster käme dann die Stelle, an der der barmherzige Samariter dem Überfallenen geholfen hätte. (Also wenn es ihn gegeben hätte, und er nicht nur eine Figut aus einer lehrreichen Geschichte des Jesus von Nazareth wäre.) Der Weg von Jericho nach Jerusalem ist zwar steinig, aber, anders als das Lied behauptet, weder steil noch unbequem. Es ist ein sehr bequemer uralter Maultierpfad. 

Bina am Eingang des Canyon, dahinter Jericho und die Berger dahinter liegen schon in Jordanien.
Ein Felsenbogen.
Der Wadi Quelt. Beeindruckend. (Wer in das Bild hineinzoomt findet in der Schlucht unten links alte Einsidlerklausen.)

Dann kommt das Georgskloster, in einer so tollen Lage, wie das bei griechisch orthodoxen Klöstern inzwischen ja schon gewohnt sind. Es wurde wiedergegründet, nachdem es im 7. Jahrhundert von jüdischen Fanatikern zerstört und alle Mönche umgebracht wurden. Die Gebeine der Märthyrer liegen in der Krypta des Klosters.

Das Georgskloster. (Im inneren war Photographieren verboten.)

Auf dem Rückweg versuchen wir noch zu einigen der vielen alten verlassenen Einsiedeleien, die die Felswände säumen abzusteigen. Geben das Vorhaben aber irgendwann als zu halsbrecherisch auf.

Es führt kein halbwegs sicherer Weg hinab.

Außerdem Sieht bina einen riesigen Tausendfüssler:

Riesiger Tausendfüßler.

Und wir beide sehen immer wieder kleine pelzige Tiere, die ein wenig Ähnlichkeit mit Murmeltieren haben. Wir haben bisher nicht rausgefunden wie diese Tiere heißen und nennen sie Wüsten-Wolpertinger. – Die beiden ersten Personen, die uns sagen, was sie sind und wie sie richtig heißen, bekommen je eine Flasche Taybeh (ein in bayrischer Tradition nach Deutschem Reinheitsgebot gebrautes palästinensisches Bier) von uns. Kontakt über die Emailadresse im Impressum.

Wer kennt diese Tiere?
Der gemeine Wüsten-Wopertinger.

Anschließend fahren wir ans Tote Meer zum schwimmen, duschen und schlafen.

Dromedarherde zwischen Jericho und dem Toten Meer.

Wir sind erschrocken, wie tief der Wasserspiegel seit unserem Besuch vor 6 Jahren gesunken ist.

Wie Jahresringe, jeden Sommer sinkt der Spiegel des Toten Meeres ein Stückchen weiter.
Das „En Gedi Spa“: Vorne bei den Palmen war einmal das Ufer des Toten Meeres, inzwischen werden die Touristen mit einer Bummelbahn auf der Straße dahinter zum sich immer weiter zurückziehenden Meer gefahren.

das „en gedi spa“ ist ein wellnessressort mit sole-schwimmbad, liegewiesen, heißen süßwasserduschen und einer gangway zu einem parkplatz, von dem man sich mit bummelbahnen ans ufer des toten meeres fahren lassen kann. vorher wird man durch einen riesen souveniermarkt geleitet, wo unendlich viele produkte mit totemmeersalz verkauft werden. vorzugweise kosmetika. das alles kostet eintritt und so machen wir auf dem absatz wieder kehrt. das haben wir nicht bestellt!!!!

ich frage mich, ob die vielen touristen hier eigentlich wissen, wo sie sind?

der meeresspiegel sinkt offiziell jedes jahr einen meter. wir vermuten aufgrund unserer beobachtungen von vor 6 jahren und heute, daß es wenigstens das doppelte ist. en gedi lag mal direkt am ufer, mittlerweile muß die bummelbahn bestimmt 1km weit fahren, um es zu erreichen. dieses meer wird irgendwann nicht mehr da sein und das liegt nicht am üblichen weltenlauf, dem die natur unterliegt. daß es so schnell geht, ist menschengemacht. das meer wird hauptsächlich vom jordan aus galiläa gespeist. das wasser wird aber für die israelische intensiv-landwirtschaft hergenommen, damit u.a. europa zu weihnachten frische tomaten hat.

Wir fahren bis En Boqeq, dem wichtigsten Kurort Israels. Hier stehen mehrer große Fünfsternehotels, denn bei vielen Atemwegs- und Hautkrankheiten verspricht eine Kur am Toten Meer Linderung oder Heilung. Und damit es sich in den teueren Hotels weiterhin so anfühlt, als würden sie am „Toten Meer“ liegen, wird Wasser aus dem sterbenden Binnenmeer in ein sehr großes Becken gepumpt, das dort liegt, wo hier einmal das Tote Meer war. So bleibt die schöne Idylle am Hotelstrand gewahrt. Und weil wir in Israel sind, ist der Strand öffentlich und mit kostenlosen Duschen versehen.

Michel schwebt im falschen Toten Meer.
„Alpenglühen:“ Blick bei Sonnenuntergang vom Hotelstrand über das Meerwasserbecken nach Jordanien.

 

Sinklöcher am Toten Meer

Sa. 25.11.17

Wir haben auf einem wilden Parkplatz am Beckenrand neben dem Hotelstrand geschlafen, und frühstücken auch dort.

Bulli am Beckenrand. (Nur ganz rechts am Bildrand ahnt man, dass dies nicht mehr der tiefste Punkt der Erde ist, da das echte Tote Meer inzwischen gute 40m tiefer liegt.)

Anschließend geht es am Toten Meer entlang (oder da, wo es mal war) zurück. Die sieht zwischendrin so aus, dass man hier einen US-amerikanischen Roadmovie oder „Lawrence von Arabien“ drehen könnte. – Wobei Letzterer wirklich hier war.

US-Amerikanischer Roadmovie oder Lawrence von Arabien?

Bei En Gedi (etwas nördlich vom „En Gedi Spa“) sehen wir uns den Campingplatz an, auf dem wir vor 6 Jahren am Toten Meer gezeltet haben. Inzwischen ist er geschlossen, weil er in einem Sinklochgebiet liegt. Da der Grundwasserspiegel sinkt, löst sich das Salz aus dem Untergrund. Das Grundwasser ist hier eine gesättigte Salzlösung und das Salz bildet teilweise den Untergrund. So entstehen Hölen, die irgendwann einstürzen. Im Prinzip wie Karst nur schneller und gefährlicher.

„Me Worry?“ Zitat: Alfed E. Neumann (MAD-Magazin)
Die ehemalige Zufahrtsstraße zum Zeltplatz.
Irgendwo am hinteren Kraterrand haben wir vor 6 Jahren gezeltet.

Wir halten uns im Sinklochgebiet übrigens immer an eine frische LKW-Spur, die es hier gibt. Wenn der Boden gestern oder vorgestern noch einen LKW getragen hat, dann wird er heute auch einen Menschen tragen. Und dann treffen wir zwischen Sinklöchern und Ufer zwei K… und F…! Die beiden kommen aus Elmshorn, haben ihre Lehren beendet und machen jetzt eine Weltreise mit dem Fahrrad. Und was machen 4 Norddeutsche in der Wüste? Natürlich erstmal Tee trinken:

Teetied in der Wüste! Eigentlich genau wie daheim hinterm Deich. Nur wärmer und trockener.

Wir kaufen in Jericho in den uns schon bekannten Läden ein, und fahren über Jerusalem zum übernachten nach Betlehem. Wo wir den Abend wieder im Walled-Off verbringen.

Einer der 3 Checkpoints an denen wir heute kontrolliert wurden.


Ramallah

So-Mo 26.-27.11.17

Die Nacht auf Sonntag schlafen wir wieder gut bewacht in Betlehem an der Sperrmauer.

Home is where we park it!

Da das AIC immernoch keinen Job für uns hat, entscheiden wir uns, Ramallah anzugucken. Ramallah ist für uns nicht weiter von Betlehem entfernt, als Pinneberg von Elmshorn (etwa 20km). Über den Checkpoint durch die Sperrmauer nach Jerusalem, von Süden durch Jerusalem durch nach Norden, und auf der anderen Seite wieder über einen Checkpoint durch die Mauer nach Ramallah. Für die in der Westbank lebenden Palästinenser ist der Weg deutlich weiter: Vom Betlehem runter nach Jericho und wieder hoch nach Ramallah. Mindestens 100km und 1.200 Höhenmeter runter und wieder rauf. Denn sie müssen ja die Sperrmauer rund um Jerusalem und die östlich davon liegende Siedlung Maale Adumin umgehen. Anzahl der Checkpoints auf dem Weg: Ungewiß und je nach Lage!

Sperrmauer im Norden Jerusalems, Richtung Ramallah. Anhand der großen Wassertanks auf den Dächern sieht man, dass auf beiden Seiten der Mauer Palästinenser wohnen, deren Stadtteile hier zerschnitten wurden.

Ramallah ist eine quirlige Stadt. Nicht alt oder schön, aber lebendig. Wir haben den Eindruck, dass das Bildungsniveau der jungen Leute hier höher ist, als in den anderen uns bisher bekannten palästinenschen Städten und dass die jungen Frauen hier emanzipierter sind und zum Beispiel ganz selbstverständlich gemeinsam in Cafes sitzen und öffentlich Argila (Shisha) rauchen. Wir führen dies darauf zurück, dass in und bei Ramallah die palästinensischen Universitäten liegen.

Wir stürzen uns mit Lust und Entdeckerfreude zwei Tage lang in das arabische Stadtgewühl.

Die Innenstadt von Ramallah. Eine Fußgängerzone ist das, was man dazu macht.
Er mag das Familienoberhaupt sein. Sie sagt aber, wo’s langgeht.
Der Markt. Leider nur der realtiv langweilige Obst- und Gemüse-Bereich. Denn hier gibt’s wirklich alles.
Ein innerstädtisches Flüchtlingslager, in dem die 1948 aus dem heutigen Israel Vertriebenen und ihre Nachkommen leben. Inzwischen ist es fast ein normaler Stadtteil. Aber die Straßen sind enger und schlechter und die Häuser von geringerer Qualität. – Die gelben Wimpel sind Fatah-Fahnen.
Eine andere Straße im selben Flüchtlingslager.

Ramallah ist die Hauptstadt der autonomen palästinensischen Gebiete, oder des Staates Palästina – je nach Auffassung. Auf jeden Fall, landen wir irgendwann im Außenministerium, um nach dem Weg zu fragen. Und im Verzeichnis der Diplomatischden Vertretungen an der Rezeption sehen wir folgendes:

Wo liegt der Fehler? Tipp: „Auferstanden aus Ruinen, und der Zukunft zugewandt…“

Als sie merken, dass wir uns amüsieren und ich ein Foto von der Seite machen will, werden die Herren von der Sicherheit nervös. Ich versuche sie zu beruhigen und erkläre, dass wir Deutsche sind und welchen Fehler sie gemacht haben. Sofort wird das Buch zur Verschlußsache, „Nur zum internen Gebrauch“ erklärt. Ich beteure, noch kein Foto gemacht zu haben und werde mit (ungelogen) acht BewaffnetenMännern als Begleitschutz die zehn Meter zur Tür eskortiert.

(ein idiot in uniform ist immer noch ein idiot…ein idiot in uniform ist immer noch in uniform!) zitat: das allseits beliebte känguru!

eigentlich ist es schade. nun treffen diese herrn in dieser, für sie ohne zweifel delikaten, angelegenheit auf deutsche, die das total lustig finden und humor beweisen und sie wissen das nicht zu würdigen.

Da Ramallah stadtweit freies Wlan hat (die Router sitzen in den Straßenlaternen), muckeln wir uns einen Abend im Bulli ein, liegen im Bett und gucken einen Kinofilm.

beobachtungsschniepsel:

  • in jericho fahren nur jungs fahrrad. mädchen gehen zu fuß.
  • pferde und maultiere haben vor dem karren einen einheitstrab. sie kennen nur den stand und dieses eine tempo, egal wie schwer die last ist.
  • hier gibt es beide arten von tauben: die normale, die wir auch aus deutschland kennen und die schlankere friedenstauben-artige, die wir schon auf zypern und so gesehen haben.
  • eine dose hummus hält genau zwei tage. und zwar völlig unabhängig von der größe. wir haben es mit 500, 750 und 1000 gramm getestet.
  • an sehr vielen autos (meist deutschen fabrikats) klebt irgendwo einen deuschland-flaggen-aufkleber. manchmal ist er sogar mit akribie selbst gebastelt. wir haben jemanden gefragt und der sagte, das täten sie, weil sie deutsche autos lieben (na, dafür werden wir lieber gemocht als für hitler)
  • palmen und straßenbegleitgrün wachsen hier nicht einfach so, auch wenns so aussieht. bei den israelis wird jede einzelne palme, jedes fleckchen rasen einzeln bewässert. überall sieht man drainageschläuche, die als erstes in der erde versenkt werden, bevor etwas gepflanzt wird. dann gehen, abends oder in den frühen morgenstunden und computergesteuert, die wasserhähne auf. – den palästinensern fehlt das wasser für solchen luxus wiebegrünte, bewässerte verkehrsinseln.

Taybeh-Brauerei

Di 28.11.17

Wir fahren ins ein dutzend Kilometer von Ramallah entfernte Taybeh, welches das letzte komplett von Christen bewohnte Dorf Palästinas ist.

Checkpoint zwischen der palästinensischen Autonomie-Insel, auf der Ramallah liegt, und der Autonomie-Insel, auf der Taybeh liegt.
Straßenunterführung durch welche die Straße für die Palästinenser (unten) von der deutlich besser ausgebauten Straße für die israelischen Siedler abgekoppelt wird.

Es gibt hier 3 Kirchen für die 3 Konfessionen, römische Katholiken, griechisch Orthodoxe und griechische Katholiken (Meltiken). Weihnachten und Ostern feiern sie übrigens alle gemeinsam. Aber für uns viel interessanter: Hier liegt die Brauerei Palästinas. – Irgendwer muß die hiesigen Muslime ja mit dem ihnen verbotenen alkoholhaltigen Gerstensaft versorgen, und wer eignet sich besser dazu als die Christen?

Der Braumeister hat sein Handwerk in Bayern gelernt und braut (natürlich) nach Deutschem Reinheitsgebot. Und das merkt man dem Bier auch an! Es ist ein ehrliches deutsches – pardon, ein ehrliches bayrisches(!) Bier. Sie feiern hier sogar ein Oktoberfest und zwar, wie es sich gehört, im September. Wie das münchner Original! Und die bayrische Staatskanzlei schickt jedes Jahr eine Blaskapelle.

Da der Braumeister ist nicht da ist, führt uns seine Frau durch die kleine Brauerei. Zum Abschluß gibts noch ein Bier aufs Haus. „Prost!“ oder „Psahtek!“, wie es auf arabisch heißt.

Anschließend genießen wir noch die Dörfliche Idylle und die Landschaft und schlafen auch hier.

Wir haben Bulli vor der meltikischen Kirche stehen. Die Nachbarin bringt uns zwei arabische Kaffee vorbei und versucht uns zu allem möglichen einzuladen. Wir nehmen den Kaffee danken an, lehnen die Einladungen erfolgreich ab und geben das Tablett, wie es sich gehört, nicht leer zurück.
Sonnenuntergang über dem nördlichen Westjordanland oder Samaria – je nach Sichtweise.

Siedlerstraße und Wüste Negev

Mi-Do 29.-30. 11.17

Am Mittwochvormittag habe ich in Jerusalem ein wenig Bürokratie abzuarbeiten, während bina Bulli klarzieht und Bilder und Texte in unseren (diesen) Blog einstellt.

Anschließend beschließen wir für ein paar Tage nach Eilat ans Rote Meer zu fahren, da das AIC immer noch keinen Job für uns hat.

Das erste Viertel des Weges führt über die Siedlerstraße durch das südliche Westjordanland, der restelichen Dreiviertel durch die Wüste Negev.

Auf der Siedlerstraße zu fahren ist ein komisches Gefühl. Direkt südlich von Jerusalem stößt sie mit zwei Tunneln und einer großen Brücken durch den palästinensischen Ballungsraum rund um Betlehem hindurch.

Nach der Brücke in den zweiten Tunnel, von hohen Mauern gegen die auf dem Bergrücken lebenden Palästinenser abgeriegelt.

Danach entspannt sich die Lage und es gibt einfach Landschaft zu sehen. An jeder Kreuzung liegt ein befestigter Posten der Israelischen Armee, jeweils mit Mauer und Zaun, Wachturm, Wasserkanister und Baracke. Die Posten wirken wie Forts im Indianerland.

Die Posten der Israelischen Armee wirken wie Forts im Indianerland.

Die Siedlungen selbst, bestehen oft Häusern, deren Architektur in Deutschland zwar gut in die Landschaft passen würde, die mit ihren roten Ziegeldächern in dieser Gegend extrem fehlplaziert wirken. – Vielleicht macht die folgende wahre(!) Geschichte deutlich, wie fehlplaziert sie hier wirken: In seiner ersten Woche in Deutschland fragte mich A…, der Vater der mit uns befreundeten syrischen Familie, warum wir diese komischen spitzen roten Dinger auf unseren Dächern hätten. Ich verstand erst nicht, was er meinte. Bis ich begriff, dass er die Dächer selber meinte. Denn die Dächer in der arabischen Welt sind fast alle flach. Vielleicht mit einem Sonnensegel und ein paar Stühlen drauf oder so. Denn unsere schiefen Ziegeldächer sind ja vor allem dazu da, dass das Regenwasser ordentlich abläuft. Ein Problem, dass in dieser Weltgegend nur eine untergeordenet Rolle spielt.

Mit ihren europäschen Ziegeldächern bleiben die Siedlungen architektonische Fremdkörper in der Landschaft.

Aber auch sowas gibt es zu sehen:

Herbstlicher Weinberg im Westjordanland.

Dann kommt der Negev: 240 Kilometer großartige Wüstenlandschaft.

Dabei sind das hier doch meist (wie auch auf dem Schild) Dromedare.
Beduinen mit gemischter Schaf- und Ziegenherde.
Der Kraterrand von Mizpe Ramon. (Kurz vor dieser Stelle haben wir geschlafen.)
Wüst und Leer. – OK, voll mit Bergen.
Beeindruckend.
Immer noch beeindruckend.
Zwischendrin geht die Straße schnurgerade geradeaus so weit das Auge blicken kann.
Neben der Straße ein Potjemkinsches Dorf, in dem die Israelische Armee Häuserkampf übt.
Israelische Panzer im Manöver.

israel kommt uns manchmal nicht mehr vor wie ein staat mir einer armee, sondern wie eine armee mit einem staat. die checkpoints im Westjordanland gehören mittlerweile zur routine für uns. sie halten uns lediglich ein bischen auf. als ausländer dürfen wir ja überall hin. was wir wirklich irritierend finden, ist die präsenz von militär und waffen im alltäglichen leben. so mancher israeli rennt mit sichtbarer waffe im holster herum. oft kommen uns auf der straße die unterschiedlichsten militärfahrzeuge entgegen.

in der jerusalemer altstadt patroullieren soldaten mit gewehr vor der brust durch die gassen. ist eine gruppe soldat/Innen in der freizeit unterwegs und ist diese gruppe größer als 3 personen, muß immer eine/r ein mg dabei haben.

Und wieder Wüste. Man beachte die Gesteinsschichtungen.
Die Wüste wartet mit erstaunlich unterschiedlichen Landschaften auf.

Am Donnerstagnachmittag gehen wir noch im Roten Meer schnorcheln und besuchen Nemo und Dorie – aber dazu mehr im nächsten Beitrag.