Abschied aus Diyarbakir/Amed

Do/Fr 22./23. Mrz 2018

Das gestrige Abendessen war der Abschluß des von der HDP geplanten Delegationsprogramms, aufgrund Kommunikationsfehlers haben wir unser Hotelzimmer jedoch bis morgen gebucht und bezahlt. Wir freuen uns über einen Tag Luxusfaulenzen.

einen vormittag erlauben wir uns im bett zu bleiben. das wunderbare frühstück genießen wir in aller ausführlichkeit, anschließend erleuchtet an unserer tür wieder das ‘do not disturb’-zeichen.

erst am späten nachmittag machen wir uns auf den weg in die stadt. dort treffen wir d… wieder, eine angestellte der stadt. sie war ganz traurig, denn am tag vor newroz war jemand von der regierung gekommen und sie hat unterschreiben müssen, daß sie nicht zum fest geht. falls sie doch gegangen wär, hätte sie ihren job verloren. das gleiche haben sie wohl mit allen öffentlichen bediensteten gemacht. dabei hatte sie sich extra ein schönes tuch gekauft, das sie tragen wollte. michel macht ein foto mit dem tuch um meinen hals, damit es wenigstens nicht umsonst angeschafft wurde. anschließend bekomme ich es von d… geschenkt. mir kommen die tränen, so fühle ich mich geehrt.

Dieses Tuch hält bina in Ehren. Versprochen!

Um es mit Obelix zu sagen: “Die spinnen, die Türken!” Die Kurden sind stolz drauf Kurden zu sein und wollen das mit kurdischen Fahnen zeigen. Also verbietet die Türkei kurdische Fahnen. Daraufhin tragen die Leute rot-gelb-grüne Tücher. Also nehmen jeden fest, der es wagt, diese Tücher zu tragen. Nun tragen die Leute andere fröhlich bunte Tücher und ihnen fällt nichts besseres ein, als nun alle fröhlich bunten Tücher aus dem Straßenbild zu verbannen. – Hier grenzt ein Unrechtsstaat an seine eigene Satire.

im cafe, wo mein pass liegen geblieben ist, trinken wir noch einen kurdischen kaffee, der menengic-kahvesi heißt.

Wir haben unsere Geldprobleme für immer gelöst! – OK, nicht ganz…

am nächsten tag checken wir aus dem hotel aus und bummeln durch die stadt. bunte läden, die neugierig machen. vor einem geschäft, das hochzeiten ausstattet, kann man spielgeld kaufen. das wird für hochzeitsrituale gebraucht. mehr haben wir leider nicht herausbekommen, weil die verkäufer zu wenig englisch sprachen. in einem der alten innenhöfe werden u.a. kleider verkauft und wie immer ist es ein großes hallo, wenn sich eine der sehr seltenen touristinnen etwas ausucht. es geht nicht ohne die mitwirkung der gesamten anderen verkäufer und auch passanten mischen sich ein. es geht schon gar nicht ohne tee und wo wir grad dabei sind, müssen wir auch die erdbeeren und grünen mandeln probieren, die grad jemand vorbeigebracht hat.

Warten auf den Tee. In der Zwischenzeit hilft der Google-Übersetzer bei der Unterhaltung. An dieser Stelle sind Smartphones wirklich sinnvoll. (Auch wenn in der Türkei vermutlich der Staat so die Unterhaltung mitliest.)

wir gehen in einen hinterhof und hören uns die dengbêj-sänger an. an sechs tagen der woche sitzen sie dort zusammen und singen. jeder kann kommen und zuhören. dengbêj ist eine sehr gewöhnungsbedürftige, vorislamische sangeskunst. wir vermuteten erst, daß es ähnlich der korsichen paghielle klingen könnte, denn die art beisammen zu sein und zu singen ist ähnlich, aber dem war nicht ganz so . die sänger lernen es von ihren eltern und sind auf bestimmte liederarten (lieder zum tanzen, liebeslieder, aber auch balladen und erzählte geschichten) spezialisiert. natürlich war diese kunst zwischenzeitlich verboten. aber die tradition lebt und es kommen immer alte und junge kurden und touristen und hören eine weile zu.

Dieser Sänger hält die Hand ans Ohr, um sich selbst zu hören. Wir kennen das von den Korsen.
Alte Bauern, Hirten und eine Hausfrau mit wunderbaren Stimmen.
Bina beim Apneuzuhören. Ja, ihr bleibt beim Lauschen tatsächlich die Luft weg.

dann gibt es noch ein letztes köfte und ein künefe und wir verlassen diyarbakir/amed.

Wir haben die Stadt und ihre Bewohner lieb gewonnen. So absurd es klingt, haben wir uns trotz all der Zerstörung und der spürbaren militärischen Besetzung der Stadt sehr wohl gefühlt und bleiben ihr solidarisch verbunden.