Fr./Sa. 23/24. Mrz.2018
jetzt wollen wir mal wieder ein bischen urlaub machen. einerseits, weil es nach den tagen in diyarbakir/amed auch wieder weniger politisch werden darf (auch wenn uns die eklatanten mißstände hier immer begleiten werden), andererseits, um dem türkischen staat glaubhaft zum machen, daß wir harmlose touristen sind. natürlich auch, weil kurdistan wunderschön ist und wir neugierig auf andere landesteile sind.
Wir haben eine Route ausgearbeitet, auf der wir zunächst kurdische Städte abklappern, die sowohl laut Loneley Planet sehenswert, als auch politisch interessant sind, um dann die touristische türkische Mittelmeerküste entlang zur Grenze nach Griechenland zu fahren. So hoffen wir unter dem Radar zu bleiben.
wir fahren durch weite grüne steppe. um batman (so heißt der ort wirklich!) herum gibt es erdöl. überall stehen die typischen pumpen. das könnte einer der gründe sein, weswegen die türkei so interessiert an der gegend ist. neben der straße führt eine stromleitung entlang und auf wirklich jedem mast steht ein storchennest und fast jedes zweite ist bewohnt. auch an beduinenlagern kommen wir vorbei. aber im gegensatz zu den armseligen hütten der berber in palästina sehen wir große, sorgfältig aufgebaute zelte, saubere pferche für ziegen und schafe und große herden mit oft mehr als einem hirten. die tiere sind wohlgenährt und die hirten wirken zwar nicht reich aber scheinen ihr auskommen zu haben.

Es befindet sich wirklich auf jedem zweiten Masten ein Storchennest. Wir werten dies als Zeichen dafür, dass es hier noch viele Feuchtgebiete gibt. – Noch…!


über nacht stehen wir am tigrisufer in einer senke. am nächsten morgen steht ein pkw eine senke weiter, michel geht schauen, wer das sein könnte. er kommt lachend zurück. es sind angler, die ihn erst zum angeln, dann zum frühstück einladen und als er ablehnt, dann doch wenigstens zum tee nötigen. ihm bleibt nur die flucht zurück zum bulli und als wir nach dem frühstück fahren winken die angler noch einmal fröhlich und paddeln mit ihrem schlauchboot auf den fluß hinaus.


dann entdecken wir hobbingen einen besuch ab. solche wohnhöhlen gibt es auch in kappadokien. da diese in jeden reisefüherer stehen, sind sie entsprechend frequentiert, aber hier haben wir sie für uns allein. eine neben der anderen und manche werden noch als ställe genutzt.



Das sieht hier wirklich aus wie in Hobbingen, in Mittelerde! Die Höhlen waren zum Teil seit dem Neolithikum bewohnt und stehen erst seit wenigen Jahrzehnten leer. Bald werden sie, wie alles hier, in den Fluten eines neuen Stausees versinken.
der fluß mit frischem wasser ist gleich unten im tal. die straße dazwischen stört nicht weiter. bis hier her wird auch der stausee nicht reichen und fruchtbar ist das land auch. welch eine idylle!



es geht weiter nach hasankeyf. der tigris soll mit einem riesendamm aufgestaut werden und es sollen ganze täler, das dorf und vor allem traditionelle höhlendörfer ersäuft werden. seit jahrzehnten ist das geplant, jetzt hat der bau begonnen und nächstes jahr wird vom alten hasankeyf nichts mehr zu sehen sein. hasankeyf wurde in den ersten jahrhunderten christlicher zeitrechnung erwähnt und ist früher eine bedeutende stadt gewesen…
Hasankeyf, “Hobbingen” und ganze Tal, durch das wir fahren, wird in den Fluten eines Stausees verschwinden. Der Staudamm wird die gesamte Region zwischen Batman und Midyat unter Wasser setzen, historische Stätten, archäologische Schätze und über 37 Dörfer verschwinden lassen. Der Damm, der in diesen Wochen fertig wird, ist Teil des GAP-Projekts, das aus 22 großen Stauseen an Euphrat und Tigris besteht, die zum größten Teil schon fertig und geflutet sind.
Wir werden den Verdacht nicht los, dass Natur- und Kulturzerstörung kein in bedauernswerter Nebeneffekt des GAP-Projektes ist. Sondern dass sie gewollt ist! Immerhin ist es ja keine türkische Kultur, die hier zerstört wird, sondern arabische, aramäische, armenische, jesidische und kurdische. Einerseits begann die türkische Einwanderung und Landnahme in Antatolien erst 1071. (Sie sind das neueste Volk hier in der Gegend.) Und andererseits leben hier in der “Südosttürkei” kaum Türken, sondern eben… – Genau!




Hasankeyf ist (noch) die Welthauptstadt der Höhlen. Nirgends gibt es so viele Höhlen auf einem Haufen wie hier. Nicht einmal in Kappadokien. Man kann die Besiedlung (wie schon bei “Hobbingen” erwähnt) bis ins Neolithikum zurück nachweisen.

Das Wasser wird bis knapp über die Spitze des Minarettes steigen! Das Meiste, was heute in Hasankeyf zu sehen ist, stammt aus der Zeit der Ayyurbiden im 14ten Jahrhundert. Ist also “relativ jung”, die älteren Sachen befinden sich unterhalb davon. Hasankeyf steht auf Hasankeyf (das vermutlich ebenfalls auf Hasankeyf steht).


„Es ist nicht dasselbe! Es ist nicht dasselbe! Es ist nicht dasselbe! Kulturbanausen! Vandalen!“
wenn ich so über die gegend schaue, bleibt mir einfach die luft weg. es könnte alles so friedlich sein. ich fühle mich gelähmt, so machtlos und kriege eine ungeheure wut. wie kann man nur so blöde sein und diese uralten stätten ersäufen!!!!!! die menschen entwurzeln, die hier schon so lange leben!!!!! das macht man doch nicht!!!!! ich besänftige mich ein bischen mit dem gedanken, daß diejenigen, die diesen staudamm verbockt haben, sei es in genehmigung, planung oder durchführung, sich irgendwann vor ihrem gott rechtfertigen müssen und dann so richtig alt aussehen.
PS: Wir würden euch gerne mehr Bilder von Hasankeyf zeigen. Leider haben wir auf unserem Spaziergang durch die Stadt versäumt, sie zu machen.