Amsterdam

Mittwoch:

ich bin zum ersten mal im sommer in amsterdam. das rijksmuseum ist riesig, der audioführer sehr gut. spezielle touren zu bestimmten themen führen durchs ganze museum.

ich kann mich am milchmädchen und an der nachtwache nicht sattsehen. andere bilder sind genau so spannend, aber mal ehrlich: keiner malte perspektiven und licht so wie mein geliebter rembrandt.

die nachtwache wird, je öfter ich schaue, ein dramatischer 3-d-film.

leider reicht meine kraft tatsächlich nicht mehr für die anatomiebilder im rembrandt-museum, wie michel schon prophezeite.

er macht derweil eine audio-guide-runde durch die kolonialzeit und die nächste große frage entsteht:

so viele kulturen und völker wurden durch die kolonialmächte zerstört und vernichtet.

warum ist das in japan nicht geglückt, wo portugiesen und holländer gelandet sind. was haben die japaner anders gemacht, als die anderen?

Das Niederländische „Goldene Jahrhundert“, dem wir die schöne Amsterdamer Altstadt, sowie die Bilder von Rembrandt, Vermeer und Frans Hals verdanken, war vor allem ein Zeitalter des räuberischsten Kolonialismus und des komplett entfesselten Kapitalismus. Was sich übrigens mit Calvinistischer Frömmigkeit und Gottesfurcht bestens vertrug. Vor allem die Aktiengesellschaft VOC die „Vereinigte Ostindische Companie“ hatte sich von Indonesien bis Ceylon ein beachtliches privates Reich geschaffen, in dem sie barbarisch herrschte. Die Westindische Companie machte in Amerika das gleiche (von Neu Amsterdam – heute New York über die Karibik bis Brasilien).

Die Niederlande betrieben in ihrer Hochzeit die Hälfte des Internationalen Sklavenhandels. Und waren dank Indonesien (das 1949 nach einem blutigen Guerillakrieg die Unabhängigkeit erhielt) das größte muslimische Land der Welt. Kriege, Massaker und Grausamkeiten sind ohne Zahl. Zum Beispiel, wurde die Bevölkerung der Insel Banda Nera, 15.000 Menschen, größtenteils ausgerottet, und der Rest in die Sklaverei verkauft, weil sie nicht alle Muskatnüsse der Insel an die VOC verkauft hatten, sondern einen kleinen Teil an andere Kolonialisten. Auch war beispielsweise ein „Frachtverlust“ von 20% auf Sklavenschiffen von Afrika nach Amerika völlig normal und eingerechnet. Statt die Bedingungen auf den Schiffen zu verbessern, wurden einfach mehr Sklaven genommen, um den Schwund auszugleichen.

Bei alledem fühlten sich die Niederländischen „Kaufleute“ rechtschaffen und gottgefällig. Immerhin brachten sie den kolonisierten Völkern ja Christentum, Zivilisation und Technik.

Mir wird mal wieder klar, wie gefährlich kapitalistische Konzerne sind, wenn wenn es ihnen gelingt, sich staatlicher Kontrolle zu entziehen (oder den Staat zu kontrollieren), und sie es schaffen, sich eine Legende der Weltverbesserung zuzulegen. Kapital kennt keine Moral, nur Profit. Es einzuhegen muß Aufgabe von Staat und Zivilgesellschaft sein.

Ich muß an die „selbstlosen Weltverbesserer“ von Google, Facebook und Amazon bis zu Monsanto und diversen Stromkonzernen denken.

Rembrandt& Co sind ein Hochgenuß. Ein Brunnen im Sommer aber auch!

ich muß öfter nach amsterdam. stundenlang könnte ich durch die gassen laufen.

das guinness im molly malone ist gut. und der pub ein echter pub.

unser nächstes sabbathjahr wird unter dem motto laufen: ‚in 80 pubs um die welt‘

weiterfahrt nach den haag, wo wir michels bruder, seine gefährtin und ihr baby für einen abend besuchen.

vielen dank für den schönen abend bei euch. der christopherus von euch klebt an der mittelkonsole und paßt auf uns auf!

Ja, es war ein guter Abend mit einem guten Gespräch. Nur leider viel zu kurz, weil die beiden am nächsten Morgen früh raus und wieder arbeiten mussten.

Spaß mit Grenzen: Baarle Nassau / Hertog

Donnerstag:

das nächste schaf wird mit leichter hand mitgenommen:

wir kommen auf unserem weg zurück nach deutschland an baarle nassau/baarle hertog vorbei.

da MÜSSEN wir zwischenstation machen!

der ort auf der grenze von holland und belgien hat seit dem 12. jahrhundert 22 en- und exklaven bis in die 2. ordnung (also enklaven in enklaven). beim gang durch die stadt stolpert man alle naslang über die grenzen. in so manchem haus kocht man in belgien kaffee und geht in holland schlafen, weil das haus auf der grenze liegt.

Jeckyl und Hurz in einem der Häuser mit zwei Hausnummern, einer Niederländischen und einer Belgischen. Denn die Grenze geht genau durch die Eingangstür.

in belgien sind die tabakläden, wegen der günstigeren steuern, in holland offensichtlich die kneipen. wir klönen mit dem galeristen, dessen laden auf der grenze liegt und mit einer angestellten des belgischen gemeindehauses, durch dessen ratssaal auch die grenze geht.

einmal im monat finden dort ratsversammlungen statt mit mitgliedern aus beiden ländern.

und wenn abstimmungen sind, setzen sich die belgier nach belgien und die holländer auf die holländische seite, die grenze, als lichtschiene im boden dargestellt, wird beleuchtet und dann wird abgestimmt. wirklich wahr! die angestellte hats uns gezeigt, erzählt und demonstriert.

Jeckyl und Hurtz in dem Ratssaal, in dem sich die Vertreter beider Gemeinden einmal im Monat treffen. Schaf Jeckyl auf Niederländischem Grund und Wolf Hurtz auf Belgischem. Die Gemeindekarte vor sich.

das vor dem haus die belgische fahne auf holländischem gebiet weht, weil die grenze direkt über den vorplatz geht, hat sie noch gar nicht bemerkt. als wir es ihr zeigten, mußte sie selbst lachen.

Bina (auf Niederländischem Grund) beweist der Belgischen Gemeindemitarbeiterin (auf Belgischem Grund), dass die Belgische Fahne vorm Belgischem Gemeindehaus etwa 10 cm weit auf Niederländischem Grund steht.

nein, streitereien gibt es selten.

je nachdem, wo die steuern günstiger sind, werden gemeindeangelegenheiten wie wasserversorgung, müllabfuhr oder ähnliches von dem jeweiligen land übernommen.

nur die umgehungsstraße, die sinnvoll wäre, bereits geplant und von beiden ländern abgesegnet ist, wird von einem einzigen bewohner der stadt bockiert.

die angestellte zuckt mit den schultern: „Einen gibt’s immer!“

ansonsten prosperiert die stadt von ihrem enklavenpuzzle und alle sind entspannt. der cnn hat sich für eine reportage angekündigt, neulich seien palästienser dagewesen und hat sich angeschaut, wie das läuft und gesehen, das grenzwirrnisse keine probleme machen müssen, sondern das es auch anders geht.