Di/Mi 8./9. Mai 2018
S…, eine Schülerin mit Faible für Altgriechisch und Mythologie (sowie einer mutmaßlichen Phobie gegen Formel-Physik) hatte mir, nach ihrem persönlichen Tipp für unser Sabbathjahr befragt, den Oros Lykaios empfohlen. Danke dafür!
Der Oros Lykaios, zu Deutsch “der Wolfsberg”, ist den Legenden nach der Entstehungsort der Werwölfe. Mir sind hierzu zwei Legenden bekannt. Die Erste besagt, dass der König Lykaion, dem Zeus Menschenfleisch zu essen angeboten haben soll, als dieser bei ihm zu Gast war. Woraufhin der Göttervater den König zur Strafe mit dem Werwolfsfluch belegte. Der zweiten Legende zufolge konnten sich die Priester des Tempels auf dem Berggipfel in Wölfe verwandeln, indem sie nachts Menschen opferten und ihr Fleisch aßen.
Archäologische Grabungen in den letzen Jahren haben keine Belege für Menschenopfer oder Kanibalismus auf dem Berggipfel gebracht. – BISHER! Aber das heißt nicht, dass es das hier nicht gab. Und undenkbar wäre es keineswegs. So sind beispielsweise auf der Insel Kreta Menschenopfer nachgewiesen.
Dafür brachten die Grabungen eine andere Sensation zutage: Der Gipfel des Wolfsbergs ist die älteste bekannte Kultstädte des Zeus. Vor, aber nicht erst von den Mykenern wurde er hier verehrt. Schon in neolithischer Zeit, vor mehr als 5.000 Jahren gab es auf dem Gipfel einen Kultplatz.
Auf der Suche nach dem Wolfberg, genauer gesagt, auf Suche nach dem Weg auf seinen Gipfel, verfahren wir uns kräftig. Ausschilderung? Fehlanzeige! Nicht einmal die sonst omnipräsenten Richtungsschilder nach Athen gibt es hier. – Aber was wäre ein mythenumwobener Werwolfsberg, der uns den Weg zu seinem Gipfel leicht machen würde? Ein besserer Steinhügel wäre er! Wir übernachten an den Hängen des Berges mit großartigem Sternenhimmel – und ohne Werwolfskontakt.
Am nächsten Morgen finden wir den Weg zum Gipfel aufgrund der provisorischen Ausschilderung zu den Lykischen Spielen. Die Lykischen Spiele waren in der Griechischen Antike die ältesten Wettkämpfe ihrer Art. Viel älter als die Olympischen Spiele. Und genau wie die Olympischen Spiele sind sie im 20ten Jahrhundert wieder auferstanden. Alle vier Jahre treten die Athleten der verschiedenen griechischen Städte auf historischem Boden am Wolfsberg, einem Plateau unterhalb des Gipfels gegeneinander an. Und irgendwie haben sie vergessen, die Schilder von den Spielen im letzten Jahr wieder abzubauen.
Vom Plateau der Lykischen Spiele aus schaukeln wir mit Bulli eine enge Schotterpiste bis zum Joch zwischen dem Doppelgipfel des Berges hoch. – Dank Spektrum Wissenschaft wissen wir, dass die Archäologen es auch geschafft haben, mit einem Kleinbus hochzukommen. Und was diese Indiana-Jones-Verschnitte können, kann unser Bulli schon lange.
Wir haben den Gipfel des Wolfsbergs und später das Plateau der Lykischen Spiele ganz für uns alleine.
Was Hurtz leider übersieht: Er ist schon ein Wolf! Und Stoffschaf Jeckyl ist (wenn man es umkremelt) ebenfalls ein Wolf!
Zum Abschluß juckt mir nochmal das Fell und ich fahre auf dem antiken Hippodrom ein Wagenrennen gegen mich selber. Und bevor sich jetzt jemand empört: Von Photos wissen wir, dass auf genau diesem Platz alle vier Jahre die Lykischen Spiele der Neuzeit stattfinden. Mit Kugelstoßen, Freßbuden und so weiter. Der Schotter ist auch realtiv neu. Ich mache hier nix kaputt.
Als wir wieder hinunter fahren, entdecken wir zwei kreisrunde, waagerechte gepflasterte Plätze am Berghang.
Und plötzlich haben uns die Neuzeit und die Zivilisation wieder. Wir treffen auf ein Braunkohlekraftwerk.