Topkapi-Serail & Harem

Mi 04. Apr 2018

gottseidank: nach dem tag gestern voller erschlagender architektur, farben, mustern, straßenstimmungen und dem gefühl, in den kopf paßte am abend nichts mehr hinein, ist heute das gehirn wieder ausgeruht und wir können den topkapipalast in angriff nehmen.

am tor unten am eingang des topkapi-palastes begrüßt uns die diensthabende polizistin von dem kleinen wachposten ausgesprochen fröhlich. wir wollten gestern schon den palast besichtigen, aber sie musste uns bedauernd mitteilen, daß ausgerechnet heute geschlossen sei. wir hatten ohne zu meckern unsere pläne umgeworfen und versprochen, daß sie uns am nächsten tag wieder sehen würde. sie wünscht uns aufrichtig viel spaß. auch hier zeigt sich wie in palästina: uniformierte sind manchmal auch (noch) menschen und freuen sich, wenn sie als solche gesehen werden.

es ist noch zeitig am morgen. die schon zahlreichen besucher wandern gleich in die hauptgebäude, wir besorgen uns schnell zwei audio-guides und drehen zum harem ab, der noch ganz leer ist. wir haben ihn über weite strecken ganz allein für uns.

Der Eingang zu Harem.
Der Hof der schwarzen Eunuchen.

Die weißen Eunuchen waren für die Bewachung des Harems nach außen zuständig, die schwarzen für seine Bewachung nach innen. Auf die Weise hätte sich ein von einem möglicherweise unzureichend kastrierten Eunuchen mit einer Haremsdame gezeugtes Kind durch seine Hautfarbe verrraten.

teile des harems sind wegen restaurierung nicht zu besichtigen, aber weil noch nichts los ist, lassen uns die arbeiter schnell einen kleinen blick werfen und wir machen dies photo:

Der Hof der Frauen durch den Spalt der Bautür photographiert. (Die Bauarbeiter hatten uns die Tür zum schauen offen gehalten, aber photographieren war ihnen zu heikel.)

Rund um diesen Innenhof lebte der größte Teil der mehreren hundert Frauen im Harem. Je höher ihr Status, desto mehr Platz hatten sie und umso dichter war er am Innenhof, also an Luft und Licht. Aber einen Ausblick hatte keine von ihnen. Die niederen Haremsmädchen, die die Sklavinnen der höheren waren, konnten von einem eigenen Bett oder Zimmer nur träumen. Auf den nächtens ausgerollten Matten, auf denen sie schliefen.

was für ein pomp überall. aber mal ehrlich: so ein haremsleben macht ja auch keinen spaß. der audio-guide erzählt davon ein bischen. die sultansmutter trohnte über allem, entschied über wohl und wehe der frauen und mischte sich in die politik des reiches ein. die frauen hatten nichts rechtes zu tun, außer sich in intrigen untereinander und im wetteifern um die gunst des sultans zu üben, kinder auf die welt bringen, sich um ihre kosmetik kümmern und tanzen und singen zu lernen. das ganze unter den augen der eunuchen, die zwar kastriert waren, aber trotzdem viel macht über die frauen hatten.

Gemach der Sultanmutter. Sie hatte wenigstens mal einen Blick nach draußen. Trotzdem sind die Wände mit Naturpanoramen ausgemalt.

Die Sultansmutter, die Sultan Valide, war bisweilen die eigentliche Herrscherin des Reiches und trotzdem noch eine Sklavin in einem goldenen Käfig. Dass ihr Raum komplett mit Naturpanaoramen ausgemalt ist, läßt erahnen, was diese Frauen für eine Sehnsucht nach den für sie unerreichbaren Freuden eines Spaziergangs an einem Bach entlang hatten.

Das “Wohnzimmer” des Sultans. Er saß auf dem Sofa unter dem Baldachin rechts, während die Haremsmädchen ihn mit Gesang und Tanz auf der Empore links unterhielten.
Spiegelblick im Sultanswohnzimmer. Die Kacheln stammen aus holländischer Produktion.
FOTO: Der Hof der Favoritinnen, die nicht nur jede eigne Räumlichkeiten und Sklavinnen zur Bedienung hatten.
Vor allem hatten die Favoritinnen einen Auslick.

Der Hof der Favoritinnen war eigentlich ein breiter Balkon. Über einen darunterliegenden Wasserbasin, einen kleinen Park und einer unüberwindlichen Mauer konnten sie das goldene Horn und einen Teil der Stadt sehen.

Im obigen Bild, sieht man links oberhalb der Säulen den “Käfig” in dem die Söhne, die die Favoritinnen dem Sultan geboren hatten, lebten. Damit sie nicht von den Konkurrentinnen ihrer Mütter umgebracht wurden, lebten sie als Gefangene in diesem streng abgeschirmten Bereich des Harems. Erst beim Tod des Vaters oder gegebenenfalls Halbbruders, wurde einer von ihnen von einem Tag auf den anderen vom Gefangenen zum Herrscher des Harems und des Reiches.

Die Goldene Gasse.

Die Goldene Gasse führte vom Hof der Frauen, durch von den schwarzen Eunuchen bewachte Tore, an den Gemächern der Sultan Valide der Favouritinnen vorbei zu den Schlafgemächern des Sultans. War ein normales Mädchen des Harems auserwählt worden, für die Nacht dem Sultan beizuwohnen, so ging sie durch diesen Gang in seine Gemächer. Es war ihre einzige einmalige Chance zur Favoritin und potentiellen Sultansmutter aufzusteigen. Für Sultansmutter die Favoritinnen, an denen sie vorbei mußte, war sie somit eine potentielle Konkurrentin. Es muß bei aller Pracht ein Spießrutenlaufen gewesen sein.

dass diese räume die mutter aller haremsphantasien sind, ist leicht vorstellbar. leider war ausgerechnet der hamam wegen restaurierung geschlossen. auf den waren wir richtig neugierig.

Als wir den Harem, den wir immer noch fast für uns alleine haben (ein paar Haremswächter passen ja ganz gut ins Setting) verlassen, treffen wir auf den Besucherstrom. Die Allermeisten sehen sich den Harem gar nicht an, da man dafür extra zahlen muß.

Im zweiten Hof des des Palastes, bewundert bina die riesige Palastküche, Michel drei Haare aus dem Barte des Propheten und beide schieben sich mit hunderten anderer am Diwan des Großwesirs vorbei.

leider haben sie aus den palastküchen ausstellungsräume für chinesisches porzellan gemacht, welches im palast benutzt wurde. das enttäuscht wirklich! die küchen wären wirklich spannend gewesen.

Das Tor der Glücksseeligkeit zwischen dem zweiten und dem dritten Hof des Palastes.
Der vierte Bereich des Palastes, der kein Hof ist, sondern eine goßzügige Terasse mit Brunnen, Parks, verschiedenen Kiosken und einem großartigen Blick über das Goldene Horn und den Bosporus.
Durch das vergitterte Fenster, konnte die erste Favoritin und nur sie, in den vierten Bereich sehen, den Privatbereich des Sultans. – Hier wurden Eifersucht und Intrige wirklich zur Wissenschaft und Kunstform erhoben.
Die Kuppel des Bagdadkiosks.
Eine der vier Sitzecken des Bagdadkiosks.
Am Rande der Sitzecke. Man beachte die Intarsien.
Der Sultansblick über den Bosporus.

Wir verbringen den gesamten Vormittag im Palast und vor allem dem Harem. Beim Mittagsimbiss mache ich diesen Schnappschuß.

In Diyarbakir/Amed sind ein Dutzend dieser mobilen Schießscharten fester Bestandteil jedes der vielen Polizei- und Armeecheckpoints.

Anschließend gehen wir noch in das kleine Museum über islamische Naturwissenschaft. Dass sie in der islamischen Welt auf den Gebieten der Medizin, der Astronomie, der Strahlenoptik, der Geographie und der sphärischen Geometrie einiges leisteten, während das christliche Europa im dunklen Mittelalter versank, ist ja bekannt. Aber wirklich umgehauen hat mich dieses Gerät:

Der Gerät! Die dampfgetriebene Dönerdrehmaschine, eine Erfindung von Taqiyaddin aus dem Jahre 1546. Man muß Klischees auch mal bestätigen können!

Am frühen Abend machen wir uns auf Richtung griechischen Grenze und sind froh, als wir nach etwa anderthalb Stunden aus dem Istanbuler Stadtverkehr raus sind.