Karmylassos: eine griechische Geisterstadt

Sa/So 31. Mrz / 1. Apr 2018

Von Olympos nach Westen wird die Straße schmal und windet sich immer abenteuerlicher die Küste entlang. So schön das ist, so anstrengend ist es auf die Dauer.

Wir übernachten in dem ehemaligen griechischen Städchen Karmylassos, das heute eine Geisterstadt ist, die von den Türken Kayaköy genannt wird. Im Vertrag von Lausanne von 1923 wurde ein vom Völkerbund überwachter Bevölkerungsaustausch (ja, das ist ein Euphemismus) zwischen der Türkei und Griechenland vereinbart. Der Vertrag war das Ergebnis des gescheiterten Versuchs der griechischen Armee, große Teile Kleinasiens zu erobern oder, je nach Sichtweise, zurückzuerobern.

Auf jeden Fall wurden 1,5 Millionen Griechen von der Türkei nach Griechenland “umgesiedelt”, während 400 Tausend Türken (also weniger, als ein Drittel soviele) von Griechenland in die Türkei “umgesiedelt” wurden. Die führte zu akuter Wohnungsnot und Flüchtlingslagern in Griechenland und zu leerstehenden Dörfern und Städten in der Türkei. Unserer Meinung nach wäre es fairer gewesen, zum Beispiel Smyrna (das heutige Izmir) mit seinem Umland bei Griechenland zu belassen. Smyrna war eine fast ausschließlich griechische Stadt mit über 500.000 griechischen Einwohnern an der Kleinasiatischen Küste. Heute ist Smyrna/Izmir eine boomende Millionenmetropole und die drittgrößte Stadt der Türkei. Das kleine Karmylassos hingegen ist eine aus etwa 2.000 Steinhäusern bestehende Geisterstadt.

Am Rande der Unterstadt haben sich einige Freaks eingerichtet und leben von den Touristen.
Karmylassos im Morgennebel.
Blütenpracht innerhalb der Ruinenromantik.

nicht nur mohn wächst hier. ich finde zwischen den häusern die schönsten kräuter. wilde kamille, salbei, thymian, wilder oregano. davon nehme ich mir eine handvoll mit und mache uns daraus ein extra leckeres sößchen für die nudeln.

Man stelle sich vor, wir würden oberhalb der Ruinen einer, sagen wir mal, polnischen Stadt eine deutsche Fahne hissen.
Wir sind hin und her gerissen zwischen dem Zauber der Ruinen im Morgenlicht und der Wut über die Ungerechtigkeit. Wir haben das Gefühl, das Lärmen der Kinder, die Tritte auf den Stufen der Gassen und das Geklapper in den Küchen und das Läuten der Glocken fast noch hören zu können.
Unten am alten Brunnen aus dem 17ten Jahrhundert treffen wir die ersten türkischen Touristen des Tages und können es uns nicht verkneifen, sie auf griechisch zu grüßen: „Kalimera!“