Der südöstliche Zipfel Zyperns

Di-Mi 20.-21. Feb 20118

1) Wanderung am Cap Greko:

Am Dienstagvormittag machen wir eine kleine Wanderung (oder einen sehr-sehr ausgedehnten Spaziergang) über die südöstlichste Halbinsel Zyperns, das Cap Greko. Schöne Natur, schöne Küste. Aber im Vergleich zu Einigem, was wir uns in den letzten Monaten erwandert haben nichts Atemberaubendes. (Ich glaube, wir werden, was das angeht, ganz schön anspruchsvoll…)

Eine natürliche Steinbrücke an der Küste.
Blumenwiese mit… (wie heißt die Frau noch gleich???)
Da also haben die Griechen das Design ihrer Säulen und Kapitäle her. Die Natur, Gott oder Zeus (wer auch immer) könnte sie auf Produktpiraterie verklagen.
Wenn man auf der Bank sitzt sieht man zum Glück nicht, wie prekär die eigene Lage ist.
Sah ein Weib ein Blümlein stehn, Blümlein auf der Heiden,…
Michel beim Müll einsammeln.

Das orangene Ding in meiner Hand ist ein wiederverwertbarer Müllbeutel vom Deutschen Alpenverein (DAV). Wir nennen ihn in Tradition meiner Familie die “Bergfextüte” oder das “Bergfex”, nehmen ihn auf jede Wanderung mit und bringen ihn niemals leer zurück. (Obwohl wir unseren eigenen Müll separat im Seitenfach des Rucksacks verstauen) Öfters müssen wir vor den schieren Mengen des die Landschaft verschandelnden Mülls kapitulieren.

Zypern hat viele Picknickplätze, an denen wir umsonst Trinkwasser aufnehmen und unser Campingklo artgerecht entsorgen können.

2) Blick in die Geisterstadt Varosha

Am Nachmittag werfen wir einen Blick auf Varosha. Als wir im Oktober in Famagusta waren (das griechisch Amochostos und türkisch Gazimagusta heißt), haben wir uns die Geisterstadt Varosha vom Norden her angesehen. Diesmal “genießen” wir den Blick vom Süden her. Also den Blick über die grüne Linie in den türkisch besetzten Norden der Insel.

Obwohl dem Weg hierher Hinweisschilder nach “Amochostos/Famagusta” gab, ist hier Schluß. – Hinten sieht man die Geisterstadt.
Blick in die Geisterstadt mit dem Zoom der Kamera.

Anfang der 70er Jahre war Varosha der aufstrebende neue Stadteil Famagustas mit 40.000 Einwohnern, einem breiten Strand und vielen (häßlichen) Hotels. Bei der Türkischen Invasion 1974 wurde Varosha ethnisch gesäubert und ist nun militärisches Sperrgebiet. Von der türkischen Armee besetzt und von den blauhelmen den UN-Blauhelmen regelmäßig bestreift und kontrolliert.

Wir besuchen das griechisch-zypriotische Informationszentrum, von dessen Dach aus man mit Ferngläsern nach Varosha sehen kann. Der 8-minütige Propagandafilm, den sie hier auch auf Deutsch zeigen, ist in seiner Plumpheit kaum zu überbieten. Was schade ist, denn sie haben ja recht: in Varosha lebten griechische Zyprioten, sie wurden bei der Invasion des türkischen Militärs vertrieben, und heute ist Varosha eine Geisterstadt.

Aber sie vermischen Famagusta und Varosha. Famagusta ist (anders als ihr Stadtteil Varosha) eine lebendige Stadt. Sie verschweigen die türkischen Zyprioten, die dort auch vor 1974 schon gewohnt haben. Sie malen dermaßen Scharz-Weiß und übertreiben so maßlos (die Idylle vor 1974, die barbarischen Türken…), dass sie sich vollkommen unglaubwürdig machen.

Dabei gibt es hoffnungserweckende Grautöne: Es gab in letzter Zeit regelmäßig große orthodoxe Gottesdienste in einer der alten Kirchen von Famagusta, zu denen viele vertriebene ehemalige Einwohner Famagustas und ihre Nachfahren kamen. Rund um diese Gottesdienste hat sich ein guter Austausch von den vertriebenen griechischen Zyprioten und den heute (immer noch) dort wohnenden türkischen Zyprioten entwickelt. Mit Einladungen zum Essen, gemeinsamem Picknick, Flohmarkt, Stadtspaziergängen und so weiter. – Die Utopie des wiedervereinigten, befreiten Famagusta wurde gelebt, und bekam praktisches Fleisch auf ihre theoretischen Knochen.

Im letzen Jahr wurde es der türkisch zypriotischen Obrigkeit dann zu viel mit dem gelebten Friedensprozess. Die Anzahl der erlaubten orthodoxen Gottesdienste in Famagusta wurde rigoros beschränkt. Und um ein Zeichen zu setzen wurde der “Türkische Strand” eröffnet. Ein Strand nur für Türken und türkische Zyprioten. Ausländer und griechische Zyprioten verboten. Ein Apartheidsstrand! – Tolle Idee!

Aber soweit wir wissen, haben diese Maßnahmen der türkischen Obrigkeit dem gelebten Friedensprozess der (Ex-)Einwohner von Amochostos/Gazimagusta eher gestärkt als geschadet.

3) Agia Napa: Ballermann der Levante

Am frühen Abend waschen wir unsere Wäsche in einer Self-Service Laundry in Agia Napa. Toll, schon wieder eine Geisterstadt! Aber diesmal nur, weil wir außerhalb der Saison da sind. Wenn man in Deutschland einen billigen Pauschalurlaub mit Sonne und Strand auf Zypern bucht, dann landet man vermutlich in Agia Napa. Im Sommer steppt hier offensichtlich der Bär. Kneipen, Diskos, Hotels, Restaurants, Läden, Strand. Derzeit aber alles leer und verlassen. – Eine eigenartige Stimmung!

Zum Schlafen stellen wir uns wieder an die Küste am Cap Greko.

4) Über die SBA in den Norden

Am Mittwochfrüh fahren wir über die Souveräne Britische Militärbasis “Dekelia” (“Souvereign Base Area” = “SBA”) in den türkisch besetzten Norden Zyperns. Die beiden “Souvereign Base Areas”, die etwa 7% der Fläche Zyperns ausmachen, sind tatsächlich souveränes Territorium des Vereinigten Königreichs, mit eigener Polizei und allem.

Innerhalb der SBA Dekelia gibt es jedoch zwei griechisch Zypriotische Enklaven, zwei Dörfer, die komplett zur Republick Zypern gehören.

EOKA-Denkmal in der Exklave Xylotymvou. (Nein, es ist keine Katze über die Tastatur gelaufen, das Dorf heißt wirklich so. – Keine Ahnung, wie man es ausspricht.)

Offensichtlich haben sie im letzten Jahr in dieser Enklave im britischen Gebiet ein Denkmal für die EOKA aufgestellt. Die EOKA ist die Griechische Terror- oder Guerillaorganisation, die auf Zypern von 1955 bis 1959 einen Guerillakrieg gegen die britische Besatzung der Insel nach dem Vorbild der Irischen IRA geführt hat. – Im Gegensatz zur IRA, die immer eine linke Organisation war, war die EOKA jedoch (als einzige Organisation dieser Art) eine stramm rechte Organisation. Sie kämpfte nicht für ein freies Zypern, sondern für den Anschluß der Insel an das damals faschistische Griechenland.

Es sagt vermutlich viel über die Stärke der Rechten im griechischen Teil Zyperns aus, und darüber wie die griechischen Zyprioten zu den Souveränen Britischen Basen stehen, dass sie an speziell diesem Ort genau dieses Denkmal errichtet haben.

Bina versucht immer diese typischen Nadelbäume Zyperns gut aufs Photo zu kriegen. Endlich ist es ihr einigermaßen gelungen.

diese bäume faszinieren mich in der tat. manche sehen aus, als kämen sie grad frisch vom friseur. ich dachte erst, die werden so zurechtgeschnitten, aber dieser nadelwuchs ist natürlich. Sehr stylisch!!!

Ein Stück weiter ist die SBA keine 100m breit. Nur die Straße und ein schmaler Grünstreifen rechts und links gehören zur SBA, die hier außerdem die Grenze zwischen Nord- und Südzypern bildet.

Der Bulli steht auf britischem Territorium, rechts beginnt nach wenigen Metern das türkische Nordzypern, links das griechische Südzypern.
Nach Süden ist die Grenze der SBA so durchlässig, dass man sie nur auf der Karte sieht, nach Norden ist dicht, wie dieses Schild am Straßenrand zeigt. (Ja, photoscheue Wachposten gibt es auch. – Das Übliche eben.)
Blick von der SBA ins türkische Militärgebiet: Die verlassene Kirche einer griechische Geisterstadt.
Die selbe Geisterstadt mit der selben Kirche aus leicht anderem Blickwinkel.

Am Ende dieser Grenzstraße liegt eine Britische Kaserne und dahinter ein Grenzübergang, über den wir in den Norden fahren.