Beobachtungen zur Lage in der Türkei

5.10.17

Es war alles irgendwie erstaunlich normal.

Das auffälligste war noch, dass der Zugang zum Internet offensichtlich eingeschränkt war. Wikipedia war nicht zu erreichen und queere Internetseiten waren gesperrt. Die Seiten deutscher Zeitungen waren durchgehend erreichbar – einschließlich der Artikel zum Thema Türkei. Das Böhmermanngedicht zu googlen haben wir uns nicht getraut.

Es gab mehr Posten zur Verkehrskontrolle, als in Deutschland. Und sie waren auch deutlich besser gesichert, mit Panzern und provisorisch verbunkerten Maschinengewehrstellungen. Aber wir wurden nur einmal rausgewunken, und auch dabei nicht ernsthaft kontrolliert. Wenn man bedenkt, was in der Türkei und um sie herum gerade passiert war erstaunlich wenig Polizei zu sehen.

Tieferen politischen Diskussionen stand meistens die Sprachbarriere im Weg. Eigentlich haben wir uns nur mit drei Personen über Politik unterhalten: Dem Türkischen Pärchen aus Kiel in Antiochia und Borak am Hafen Mersin. In beiden Fällen trafen wir auf eine intellektuelle Sicht der Dinge. Sie würden Erdogan nicht wählen, halten ihn und das was er tut, schädlich für die Türkei, und sagen, dass vielen Menschen, die ihn in der Türkei gewählt haben, Politik eigentlich egal ist. Es sei ihnen egal, ob Erdogan für eine Islamisierung der Türkei stehe. Diese Wähler seien hart arbeitende Menschen, die von ihrem Einkommen gerade so über die Runden kommen. Und sie sagten sich: „Seit Erdogan dran ist, geht es mir besser, den wähle ich wieder!“ Es geht ganz simpel um das Brot auf dem Tisch, sich hin und wieder was leisten zu können. Oder einen besseren Zugang zum Gesundheitssystem.

So gesehen kann der faktische Tourismusboykott aus Deutschland Erdogan wirklich gefährlich werden. Wer sagte nochmal: „It’s economy – stupid!“? – Und der Tourismusboykott funktioniert erstaunlich gut. Wir haben, wie gesagt, in der Türkei keinen einzigen „echten“ ausländischen Touristen getroffen. (Exiltürken zählen hier nicht.)